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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 7
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[Gedichte]
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Luthmer, Ferdinand: Die Farbe der Rheinischen Landschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0035

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schwanden ist und zwischen den blauen Berg-
silhouetten hier und da noch eine gelbe Strahlen-
garbe aus einem Seitental hervorbricht?
Die Farbe der Rheinlandschaft setzt sich aus
ganz wenigen Elementen zusammen, — das ist
ihre Eigenart und ihr Vorzug. Farbiges Grau
ist die Dominante; die starken Farben, Grün und
Rot, fehlen fast ganz. Die Wälder, die das höhere
Gebirg zu beiden Seiten bekrönen, zeigen dem
Strombild nur ihre Ränder, — nur selten steigt
der Wald in ein enges Seitental hinab oder über-
zieht die dem Weinbau durch ihre Lage ver-
schlossenen Abhänge wie zwischen Hirzenach
und Boppard. Auch hier ist es meist Schälwald,
dem die saftige Tiefe der Farbe mangelt, wie
sie im eigentlichen Waldgebirg unser Auge labt.
Auch das lustige Rot der Ziegeldächer fehlt, das
sonst in der Landschaft die hellen, belebenden
Punkte bildet; das Schieferdach herrscht am
ganzen Mittelrhein. Und gerade der Schiefer ist
es, der dem rheinischen Farbenbild Stil und
Rasse gibt. Könnte man sich die Rheinstädtchen
mit Ziegeldächern denken? Das Schieferdach,
das sich die ernste dunkle Farbe wie ein Schalk
aufgesetzt hat, um darunter seinen lustigsten
Launen mit steilen Giebeln, Krüppelwalmen,
Dachgauben und Ecktürmchen die Zügel schiessen
zu lassen — diese Schieferarchitektur, die uns in
Caub, Rhense, Spey und die ganze Mosel und
Lahn hinauf und hinunter von der fröhlichen
Erfinderkraft der alten Bauleute erzählt, — sie
verdiente ein eigenes Blatt in der Geschichte
der Baukunst!
Der Schiefer ist es auch, der den Reben-
hängen am Ufer ihre Farbe gibt. Wie eine leichte
grüne Lasur überzieht das durchsichtige Blätter-
dach der Reben den schieferbelegten Boden
der Weinberge, denen die ungleichen Horizontal-
bänder der grauen Stützmauern einen eigen-

artigen Rhythmus geben. Auch an den schroffen
Felswänden zwischen Lorch und St. Goarshausen
herrscht das dunkle Grau, belebt durch schmale
grüne Bänder mit spärlicher Vegetation. In dies
abgetönte, wenig farbenreiche Bild, dessen hellste
Werte die weissen Häuser und Gartenmauern
der Uferstädtchen darstellen, klingt wunderbar
harmonisch die Farbe des Stromes hinein —
freilich nicht im Frühjahr, wenn Schneeschmelze
und Regengüsse die lehmigen Fluten der grossen
Nebenssüsse herbeiwälzen. Im Hochsommer und
Herbst nimmt er jenes unvergleichliche matte
Grau-Grün an, jene Farbe, deren dekorativen
Wert wir bei den durchscheinenden Emaillen
Laliquescher Schmuckstücke bewundert haben.
Ist so die Farbe der Rheinlandschaft auch
in voller Beleuchtung schlicht und ohne starke
Accente, so ist sie wunderbar geeignet, alle die
wechselnden Stimmungen widerzuspiegeln, die
Licht und Luft auf ihr hervorzaubern. Und
welche Farbensymphonien weiss diese weiche,
von Wasserdunst gesättigte Luft aufzuführen!
Immer sind sie schön und von unerschöpflicher
Mannigfaltigkeit, wenn man sie vom Strom aus
sieht, als schmale Ausschnitte zwischen engen
Felskulissen, weit schöner und grossartiger noch,
wenn wir die Höhen ersteigen und sich uns
vom Vierseenpunkt bei Boppard, vom Turm der
Marxburg aus ein weiter Horizont öffnet. Und
wer den Schönheiten unseres Stromes nachzu-
gehen weiss, der wird auch die Farben-Nuancen
seiner Landschaft kennen, die der Wechsel der
Jahreszeiten bringt: die feinen Töne der trüben
Schneelandschaft, wenn der grüne Strom das
einzig Farbige ist,— den rosafarbenen Duft, den
die Baumblüte über die ssachen Ufergelände bei
Kestert, Camp und Osterspai ausbreitet, das scharfe
Gelb, das im Frühsommer die Ginsterblüte als
Festkleid über die Schieferfelsen legt, und end-

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