hier auch die bedeutendsten nur flüchtig erwähnt werden
können. — Während bis über die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts hinaus hervorragende Berufssänger schweize-
rischer Abstammung, wie der Aargauer Dr. Karl Schmid,
der stimmgewaltige Bassist der Wiener Hofoper, oder der
vielgefeierte lyrische Tenor Josef Schild aus dem Solo-
thurnischen Grenchen vereinzelte Erscheinungen waren,
besitzt die Schweiz gegenwärtig eine ganze Menge vorzüg-
licher Gesangs-Künstler und -Künstlerinnen, die mit den
geschätztesten des Auslandes in die Schranken treten
dürfen. Wir nennen vor allem die aus dem Kanton Thurgau
hervorgegangene, aber mit einem angesehenen Aargauer
Musikschriftsteller, Dr. Heinrich Welti, verheiratete Berliner
Hofopernsängerin Frau Emilie Herzog, die mit feinem Ge-
schmack und feurigem Temperament ein so vielseitiges
Können vereinigt, daß sie im Konzertsaal nicht weniger
Musterhaftes leistet als auf der Bühne, und die in Dresden
allgefeierte Kammer- und Hofopernsängerin Frau Erika
Wedekind, eine Aargauerin, deren herrliche Sopranstimme
die schwierigsten Koloraturpartien spielend bewältigt. Von
weiteren trefflichen Sopranistinnen, wie der in Frankfurt a. M.
ansässigen Frau Professor Uzielli-Häring, ferner der Gattin
Hans Hubers, Frau Dr. Ida Huber-Petzold, der Frau Wally
Riggenbach-Hegar in Basel, der Stuttgarter Hofopernsänge-
rin Frl. Anna Sutter, seien wenigstens die Namen angeführt.
Aus der großen Zahl trefflicher Altistinnen heben wir
hervor die Baslerin Frl. Maria Philippi, deren prachtvolles
Organ und edler Vortrag kürzlich erst bei Anlaß der
Meininger Konzerte zum Abschied Fritz Steinbachs die
Hörer entzückten, und die in Aarau geborene Frl. Lisa
Burgmeier, die vom Vater, einem in der Schweiz als
Konzertsänger sehr geschätzten Baritonisten, die weiche,
wohllautende Stimme geerbt hat.
Das Tenorfach repräsentieren in ausgezeichneterWeise
die beiden kunstfertigen Schüler Stockhausens, Robert
Kaufmann von Basel, einer der geschätztesten Vertreter
der Evangelistenpartie in den Bachschen Passionen, und
Ch. Troyon in Lausanne, dessen Gattin Frau Troyon-Bläsi
gleichfalls eine vorzügliche Sängerin ist. Von Baritonisten
sei bloß der dem renommierten Basler Vokalquartett an-
gehörige Paul Böpple genannt.
Zu den Instrumentalkünstlern übergehend erwähnen
wir in erster Linie einige Klavier-Virtuosen, auf welche
die Schweiz mit berechtigtem Stolz blickt. Es sind der
St. Galier Bertrand Roth in Dresden, der feinsinnige Inter-
pret der Beethovenschen Sonaten und gewiegte Kenner
und Beherrscher der gesamten Klavierliteratur, ferner
Fritz Blumer, der aus dem Kanton Glarus stammende
Professor am Straßburger Konservatorium, ein Virtuose
voll Feuer und Eleganz, dann der in Lugano nieder-
gelassene Tessiner Ernesto Consolo, und der in Berlin
am Sternschen Konservatorium tätige Otto Hegner, der
schon als lOjähriger Knabe überall Bewunderung erregte
und sich seither zu einem Künstler von ebenso erstaun-
lichem Können wie geistvoller Auffassung und hinreißen-
dem Temperament ausgewachsen hat. Die edlen Streich-
instrumente Geige und Gello haben nicht bloß eine ganze
Anzahl sehr tüchtiger männlicherVertreter schweizerischen
Ursprungs gefunden, sondern sind auch durch mehrere
hervorragende Künstlerinnen repräsentiert. So erwarb sich
die in Brüssel ausgebildete und wohnhafte Luzernerin
Elsa Rüegger, die kaum 20 Jahre zählt, durch ihr herr-
liches Violoncellspiel einen Weltruf, und mit ähnlicher
Meisterschaft beherrscht die Baslerin Anna Hegner, eine
Schwester des Pianisten Otto, die Violine.
Sehr zahlreich sind die künstlerisch gebildeten Orga-
nisten der Schweiz, wie letztere denn zwei Orgelbauer
von bestem Ruf, Fr. Goll in Luzern und A. Kuhn in
Männedorf, besitzt. Doch können wir auf einzelne hier
ebensowenig eintreten als auf die angesehenen Musik-
Pädagogen und -Schriftsteller helvetischer Provenienz, von
denen mehrere im Ausland einen bedeutenden Wirkungs-
kreis gefunden haben.
Wie unsere Skizze beweist, darf man, das reiche
musikalische Leben der heutigen Schweiz überschauend,
wohl das Uhlandsche Frühlingswört dafür gebrauchen:
„Das Blühen will nicht enden“, und leicht ist es möglich,
daß in diesem Jahrhundert ein Genius aus dem Berglande
hervorgeht, der auf dem Boden der Tonkunst eine ähn-
liche Stellung einnimmt wie Gottfried Keller in der
Literatur und Arnold Böcklin in der Malerei.
A. Niggli.
’s Sunntigskind.*
O lueg, was flr e Sunntig hit! —
— Der Mai, mit volle Hände, git
E jedem Baum sy Bluest und Blatt,
Und d’Matte glänze grien und satt,
Und jedem Berg — isch das e Fraid —
Verschafft er ’s duftigst Friehligsklaid.
Im Menscheherz verwacht e Kraft:
’s trybt ebbis drin wie neie Saft ....
— Der Sunntig, Maie-Sunntig isch es!
Wie hämmer gwartet! Endlig bisch es!
Und, Sunntig, sag mer, mit Vergunst,
De bisch no scheener hit as sunst:
Der Wald und d’Matte, Berg und Tal,
’s lyt nit nur druf wie Sunnestrahl,
Au ’s Herz — klopft hit ganz anderst no
As wär ’s nur endlig maiefroh;
Dy Aug, wie ’s lacht, i gsih’s so gern,
Doch hitte glitzret’s wien e Stern . . .
Isch’s wegen Hebel, daß de hitte,
So ko bisch wie mit Sigerschritte?
„De hesch’s verrote“, sait er gly,
„Wie kennt’s by mir denn anderscht sy?
. . . . Doch lose, was i jetze sag
Isch ’s Sunntigs Grueß zuem Hebel tag:
I ha vil Kinder in myn Hus —
Er wissen, i staffier si us
Mit haitrem Gaist und bsundrem Blick,
An was si riere, wird e Glick . . .
I lueg do in die Stuben yne,
’s isch ’s aint und ’s ander do vo myne.
„Der Hebel aber, gueti Frind,
Das isch my S u n n t i g-S u n n t i gs k i n d :
Das het mit Hampfle derfe nä;
I han em ’s Best vom Beste gä:
E goldig Gmiet voll Zfridehait,
E Blick in Zyt und Ewikait,
E Gob, in jedre Menschenseel
Z’verkläre, was si frai und queel —
. . . E Dichter hani en lo werde . . .
Git’s ebbis Liebers uf der Erde?
„Und my, my Dichter isch er gsi!
Er goht, er luegt — wer weiß wohi —
50 isch’s, wie wenn i sälber kämt,
Und alles Ibel von ich nähmt ....
Sy Wort, sy Lied isch zauberglych;
51 fiehren aim ins Fridesrych:
E’ jedi’ Fraid glieht dopplet warm,
Und nur am Kummer wird men arm.
Er lächlet nur: Do yne will i,
So wird’s im Herz wie Sunntigsstilli.
„Und in der Stadt und uf em Land
Git Sege glych sy liebi Hand:
Wenn aine mit me Gschäft sich mieht,
Won aim so recht in d’Niechtri zieht,
Wenn aine hackt und pssiegt und sayt,
Mit Tropfen uf der Stirne mayt . . .
Kurz, wenn de schaffsch dur dick und dinn,
Und ’s kunnt e Hebel-Lied der z’Sinn . . .
Ef aimol hersch — kasch’s anderscht dyte?
E Ton wie Sunntigsglocke lyte.
Zum Hebelfest in Hausen, das dieses Jahr auf einen Sonntag fiel.
410
können. — Während bis über die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts hinaus hervorragende Berufssänger schweize-
rischer Abstammung, wie der Aargauer Dr. Karl Schmid,
der stimmgewaltige Bassist der Wiener Hofoper, oder der
vielgefeierte lyrische Tenor Josef Schild aus dem Solo-
thurnischen Grenchen vereinzelte Erscheinungen waren,
besitzt die Schweiz gegenwärtig eine ganze Menge vorzüg-
licher Gesangs-Künstler und -Künstlerinnen, die mit den
geschätztesten des Auslandes in die Schranken treten
dürfen. Wir nennen vor allem die aus dem Kanton Thurgau
hervorgegangene, aber mit einem angesehenen Aargauer
Musikschriftsteller, Dr. Heinrich Welti, verheiratete Berliner
Hofopernsängerin Frau Emilie Herzog, die mit feinem Ge-
schmack und feurigem Temperament ein so vielseitiges
Können vereinigt, daß sie im Konzertsaal nicht weniger
Musterhaftes leistet als auf der Bühne, und die in Dresden
allgefeierte Kammer- und Hofopernsängerin Frau Erika
Wedekind, eine Aargauerin, deren herrliche Sopranstimme
die schwierigsten Koloraturpartien spielend bewältigt. Von
weiteren trefflichen Sopranistinnen, wie der in Frankfurt a. M.
ansässigen Frau Professor Uzielli-Häring, ferner der Gattin
Hans Hubers, Frau Dr. Ida Huber-Petzold, der Frau Wally
Riggenbach-Hegar in Basel, der Stuttgarter Hofopernsänge-
rin Frl. Anna Sutter, seien wenigstens die Namen angeführt.
Aus der großen Zahl trefflicher Altistinnen heben wir
hervor die Baslerin Frl. Maria Philippi, deren prachtvolles
Organ und edler Vortrag kürzlich erst bei Anlaß der
Meininger Konzerte zum Abschied Fritz Steinbachs die
Hörer entzückten, und die in Aarau geborene Frl. Lisa
Burgmeier, die vom Vater, einem in der Schweiz als
Konzertsänger sehr geschätzten Baritonisten, die weiche,
wohllautende Stimme geerbt hat.
Das Tenorfach repräsentieren in ausgezeichneterWeise
die beiden kunstfertigen Schüler Stockhausens, Robert
Kaufmann von Basel, einer der geschätztesten Vertreter
der Evangelistenpartie in den Bachschen Passionen, und
Ch. Troyon in Lausanne, dessen Gattin Frau Troyon-Bläsi
gleichfalls eine vorzügliche Sängerin ist. Von Baritonisten
sei bloß der dem renommierten Basler Vokalquartett an-
gehörige Paul Böpple genannt.
Zu den Instrumentalkünstlern übergehend erwähnen
wir in erster Linie einige Klavier-Virtuosen, auf welche
die Schweiz mit berechtigtem Stolz blickt. Es sind der
St. Galier Bertrand Roth in Dresden, der feinsinnige Inter-
pret der Beethovenschen Sonaten und gewiegte Kenner
und Beherrscher der gesamten Klavierliteratur, ferner
Fritz Blumer, der aus dem Kanton Glarus stammende
Professor am Straßburger Konservatorium, ein Virtuose
voll Feuer und Eleganz, dann der in Lugano nieder-
gelassene Tessiner Ernesto Consolo, und der in Berlin
am Sternschen Konservatorium tätige Otto Hegner, der
schon als lOjähriger Knabe überall Bewunderung erregte
und sich seither zu einem Künstler von ebenso erstaun-
lichem Können wie geistvoller Auffassung und hinreißen-
dem Temperament ausgewachsen hat. Die edlen Streich-
instrumente Geige und Gello haben nicht bloß eine ganze
Anzahl sehr tüchtiger männlicherVertreter schweizerischen
Ursprungs gefunden, sondern sind auch durch mehrere
hervorragende Künstlerinnen repräsentiert. So erwarb sich
die in Brüssel ausgebildete und wohnhafte Luzernerin
Elsa Rüegger, die kaum 20 Jahre zählt, durch ihr herr-
liches Violoncellspiel einen Weltruf, und mit ähnlicher
Meisterschaft beherrscht die Baslerin Anna Hegner, eine
Schwester des Pianisten Otto, die Violine.
Sehr zahlreich sind die künstlerisch gebildeten Orga-
nisten der Schweiz, wie letztere denn zwei Orgelbauer
von bestem Ruf, Fr. Goll in Luzern und A. Kuhn in
Männedorf, besitzt. Doch können wir auf einzelne hier
ebensowenig eintreten als auf die angesehenen Musik-
Pädagogen und -Schriftsteller helvetischer Provenienz, von
denen mehrere im Ausland einen bedeutenden Wirkungs-
kreis gefunden haben.
Wie unsere Skizze beweist, darf man, das reiche
musikalische Leben der heutigen Schweiz überschauend,
wohl das Uhlandsche Frühlingswört dafür gebrauchen:
„Das Blühen will nicht enden“, und leicht ist es möglich,
daß in diesem Jahrhundert ein Genius aus dem Berglande
hervorgeht, der auf dem Boden der Tonkunst eine ähn-
liche Stellung einnimmt wie Gottfried Keller in der
Literatur und Arnold Böcklin in der Malerei.
A. Niggli.
’s Sunntigskind.*
O lueg, was flr e Sunntig hit! —
— Der Mai, mit volle Hände, git
E jedem Baum sy Bluest und Blatt,
Und d’Matte glänze grien und satt,
Und jedem Berg — isch das e Fraid —
Verschafft er ’s duftigst Friehligsklaid.
Im Menscheherz verwacht e Kraft:
’s trybt ebbis drin wie neie Saft ....
— Der Sunntig, Maie-Sunntig isch es!
Wie hämmer gwartet! Endlig bisch es!
Und, Sunntig, sag mer, mit Vergunst,
De bisch no scheener hit as sunst:
Der Wald und d’Matte, Berg und Tal,
’s lyt nit nur druf wie Sunnestrahl,
Au ’s Herz — klopft hit ganz anderst no
As wär ’s nur endlig maiefroh;
Dy Aug, wie ’s lacht, i gsih’s so gern,
Doch hitte glitzret’s wien e Stern . . .
Isch’s wegen Hebel, daß de hitte,
So ko bisch wie mit Sigerschritte?
„De hesch’s verrote“, sait er gly,
„Wie kennt’s by mir denn anderscht sy?
. . . . Doch lose, was i jetze sag
Isch ’s Sunntigs Grueß zuem Hebel tag:
I ha vil Kinder in myn Hus —
Er wissen, i staffier si us
Mit haitrem Gaist und bsundrem Blick,
An was si riere, wird e Glick . . .
I lueg do in die Stuben yne,
’s isch ’s aint und ’s ander do vo myne.
„Der Hebel aber, gueti Frind,
Das isch my S u n n t i g-S u n n t i gs k i n d :
Das het mit Hampfle derfe nä;
I han em ’s Best vom Beste gä:
E goldig Gmiet voll Zfridehait,
E Blick in Zyt und Ewikait,
E Gob, in jedre Menschenseel
Z’verkläre, was si frai und queel —
. . . E Dichter hani en lo werde . . .
Git’s ebbis Liebers uf der Erde?
„Und my, my Dichter isch er gsi!
Er goht, er luegt — wer weiß wohi —
50 isch’s, wie wenn i sälber kämt,
Und alles Ibel von ich nähmt ....
Sy Wort, sy Lied isch zauberglych;
51 fiehren aim ins Fridesrych:
E’ jedi’ Fraid glieht dopplet warm,
Und nur am Kummer wird men arm.
Er lächlet nur: Do yne will i,
So wird’s im Herz wie Sunntigsstilli.
„Und in der Stadt und uf em Land
Git Sege glych sy liebi Hand:
Wenn aine mit me Gschäft sich mieht,
Won aim so recht in d’Niechtri zieht,
Wenn aine hackt und pssiegt und sayt,
Mit Tropfen uf der Stirne mayt . . .
Kurz, wenn de schaffsch dur dick und dinn,
Und ’s kunnt e Hebel-Lied der z’Sinn . . .
Ef aimol hersch — kasch’s anderscht dyte?
E Ton wie Sunntigsglocke lyte.
Zum Hebelfest in Hausen, das dieses Jahr auf einen Sonntag fiel.
410