Bonn
Wenn nur ber Rhein nicht tpär
unb ber Sonnenschein
so straljlenb brüber her,
unb ber golbne Wein!
Unb bie Blägbelein so rounbernett
unb ber Runbgesang!
Unb ber morgen so sdjön im Bett,
unb ber Tag so lang 1
Unb bie [leben Berge nicht
Bch wie stubierten mir
unb ber alte Soll,
so gar fleißig Jus!
unb bas Schifflein im Bngesicht
Rhein, Rhein, es liegt an
bir.
mit ben Segeln ooll!
bah man bummeln muß.
Caimen Syloa.
Bilder und Bücher vom Rhein.
Ganz ohne Vorbedacht ist dieses Heft zum grossen Teil
eine Erinnerung an A. v. Wille geworden. Indem wir nach
künstlerischen Darstellungen der Rheinlandschaft suchten,
kamen wir immer wieder zu seinen Bildern und noch mehr
zu seinen Zeichnungen, die
zwar weniger Landschaft als
Architektur bieten: aber diese
in einer Art der Zeichnung, die
den Einzelheiten mit einer heute
selten gewordenen Liebe und
einem solchen Verständnis
nachgeht, dass man die ein-
zelnen Striche mit dem Ver-
gnügen abliest, wie es die
Sätze einer köstlichen alten Er-
zählung gewähren. Das gilt
von den Architekturen, und
mag an den wenigen Proben
dieses Heftes nachgeprüft wer-
den, während man den reinen
Landschaften darüber hinaus
zugestehen muss, dass sie das
Einzelne versäumen, um das
Wesentliche sprechen zu lassen:
so in der Rheinlandschaft bei
Rüdesheim (S. 243), die nicht
nur breit und malerisch ist,
sondern auch den Charakter
des Rheins im Rheingau gut
vermittelt. Der Blick auf das
Siebengebirge mit seiner deli-
katen Andeutung der Berghänge
wirkt vielleicht auf unsere
photographiemüden Augen be-
sonders wohltätig, während die
Studie vom Kloster Notgottes
selbst in dieser farblosen Dar-
stellung eine malerische Kraft
zeigt, die für die Zeit ihrer
Entstehung erstaunlich ist.
Unter allen Rheinmalern seiner
Zeit ist er der männlichste.
Seine „Romantik des Rheins
und der Mosel“* verdient den
ersten Platz unter allen Publi-
kationen vom Rhein.
Gegen Wille ist der seinerzeit vielgefeierte Caspar
S ch euren verblasst. Wir sehen zwar heute noch manches
Einzelblatt seines Rheinalbums (Verlag Moritz Schauenburg,
Lahr) oder besser manche Einzelheit daraus mit jenem innigen
Behagen an, das uns auch in wohlerhaltenen Stuben unserer
Grossväter überkommt, aber in der Kraftlosigkeit dieser Poesie
lag doch wohl schon der Beginn jener Versüsslichung der
Rheinlandschaft, die wir bekämpfen möchten. Als köstliches
Druckwerk aber sei sein Rheinalbum den Freunden guter
Drucke empfohlen.
Gerade das lässt sich von der „Rheinfahrt“ im Verlag
A. Kröner, Stuttgart, nicht sagen. Sie stammt aus der Zeit
der Xylographen, d. h. der Leute, die in Holz die ein-
zelnen Striche einer künstlerischen Zeichnung nachzubilden
versuchten, wodurch sie den
eigentlichen Reiz des Striches
natürlich zerstörten. Aber was
der Holzschneider nicht so zer-
stören konnte: die Auffassung
der Landschaft ist in vielen
Blättern ausserordentlich, na-
mentlich in denen von Schön-
leber, der den Oberrhein und
neben A. Achenbach einige hol-
ländische Ansichten zeichnete,
und W. Diez, dessen Rhein-
übergang bei Caub wir wieder-
geben. Den Mittelrhein zeich-
nete R. Püttner manchmal ein
wenig theaterhast, aber immer
künstlerisch und ein paarmal
bedeutend. Da der Text dieser
„Rheinfahrt‘‘ (von Hackländer,
Wachenhusen und anderen)
auch nicht ungeschickt ist, ver-
diente gerade dieses veraltete
Prachtwerk, manchen moder-
nen vorgezogen zu werden.
So sehr zu den Zeiten von
Böttchers „Abend am Rhein“
und Schroedters „Rheinische
Weinschenke‘c der Rhein die
Maler anzog, so sehr scheinen
sie ihn heute zu ssiehen. Fritz
v. Wille, Hartung, E. Niku-
towski, Kampmann und Volk-
mann haben nur gelegent-
lich Rheinlandschaften gemalt,
ebenso der jung verstorbene
Koblenzer Kehrmanns. Studiert
haben ihn G. Wendling und
Clarenbach, als sie das
grosse Panorama der „Düssel-
dorfer Ausstellung“ malten,
dessen landschaftlicher Teil mit
Recht bewundert wurde und
eigentlich so manche Landschafter, die nach wie vor getreu-
lich nach Holland pilgern, hätte anderen Sinnes machen können.
* *
*
Unter den Dichtern des Rheins ist Goethes Name zuerst
zu nennen, obwohl sich seltsamerweise neben jener prächtigen
Beschreibung des Rochusfestes wenig direkte Schilderung
der Rheinlandschaft in seiner Dichtung findet. Vor allem
ist es schade, dass er uns aus jener wunderlichen Fahrt im
Kahn von Koblenz nach Düsseldorf nur sein Unglück er-
zählt hat.
A. v. WILLE.
Verlag W. Otto, Düsseldorf.
278
Wenn nur ber Rhein nicht tpär
unb ber Sonnenschein
so straljlenb brüber her,
unb ber golbne Wein!
Unb bie Blägbelein so rounbernett
unb ber Runbgesang!
Unb ber morgen so sdjön im Bett,
unb ber Tag so lang 1
Unb bie [leben Berge nicht
Bch wie stubierten mir
unb ber alte Soll,
so gar fleißig Jus!
unb bas Schifflein im Bngesicht
Rhein, Rhein, es liegt an
bir.
mit ben Segeln ooll!
bah man bummeln muß.
Caimen Syloa.
Bilder und Bücher vom Rhein.
Ganz ohne Vorbedacht ist dieses Heft zum grossen Teil
eine Erinnerung an A. v. Wille geworden. Indem wir nach
künstlerischen Darstellungen der Rheinlandschaft suchten,
kamen wir immer wieder zu seinen Bildern und noch mehr
zu seinen Zeichnungen, die
zwar weniger Landschaft als
Architektur bieten: aber diese
in einer Art der Zeichnung, die
den Einzelheiten mit einer heute
selten gewordenen Liebe und
einem solchen Verständnis
nachgeht, dass man die ein-
zelnen Striche mit dem Ver-
gnügen abliest, wie es die
Sätze einer köstlichen alten Er-
zählung gewähren. Das gilt
von den Architekturen, und
mag an den wenigen Proben
dieses Heftes nachgeprüft wer-
den, während man den reinen
Landschaften darüber hinaus
zugestehen muss, dass sie das
Einzelne versäumen, um das
Wesentliche sprechen zu lassen:
so in der Rheinlandschaft bei
Rüdesheim (S. 243), die nicht
nur breit und malerisch ist,
sondern auch den Charakter
des Rheins im Rheingau gut
vermittelt. Der Blick auf das
Siebengebirge mit seiner deli-
katen Andeutung der Berghänge
wirkt vielleicht auf unsere
photographiemüden Augen be-
sonders wohltätig, während die
Studie vom Kloster Notgottes
selbst in dieser farblosen Dar-
stellung eine malerische Kraft
zeigt, die für die Zeit ihrer
Entstehung erstaunlich ist.
Unter allen Rheinmalern seiner
Zeit ist er der männlichste.
Seine „Romantik des Rheins
und der Mosel“* verdient den
ersten Platz unter allen Publi-
kationen vom Rhein.
Gegen Wille ist der seinerzeit vielgefeierte Caspar
S ch euren verblasst. Wir sehen zwar heute noch manches
Einzelblatt seines Rheinalbums (Verlag Moritz Schauenburg,
Lahr) oder besser manche Einzelheit daraus mit jenem innigen
Behagen an, das uns auch in wohlerhaltenen Stuben unserer
Grossväter überkommt, aber in der Kraftlosigkeit dieser Poesie
lag doch wohl schon der Beginn jener Versüsslichung der
Rheinlandschaft, die wir bekämpfen möchten. Als köstliches
Druckwerk aber sei sein Rheinalbum den Freunden guter
Drucke empfohlen.
Gerade das lässt sich von der „Rheinfahrt“ im Verlag
A. Kröner, Stuttgart, nicht sagen. Sie stammt aus der Zeit
der Xylographen, d. h. der Leute, die in Holz die ein-
zelnen Striche einer künstlerischen Zeichnung nachzubilden
versuchten, wodurch sie den
eigentlichen Reiz des Striches
natürlich zerstörten. Aber was
der Holzschneider nicht so zer-
stören konnte: die Auffassung
der Landschaft ist in vielen
Blättern ausserordentlich, na-
mentlich in denen von Schön-
leber, der den Oberrhein und
neben A. Achenbach einige hol-
ländische Ansichten zeichnete,
und W. Diez, dessen Rhein-
übergang bei Caub wir wieder-
geben. Den Mittelrhein zeich-
nete R. Püttner manchmal ein
wenig theaterhast, aber immer
künstlerisch und ein paarmal
bedeutend. Da der Text dieser
„Rheinfahrt‘‘ (von Hackländer,
Wachenhusen und anderen)
auch nicht ungeschickt ist, ver-
diente gerade dieses veraltete
Prachtwerk, manchen moder-
nen vorgezogen zu werden.
So sehr zu den Zeiten von
Böttchers „Abend am Rhein“
und Schroedters „Rheinische
Weinschenke‘c der Rhein die
Maler anzog, so sehr scheinen
sie ihn heute zu ssiehen. Fritz
v. Wille, Hartung, E. Niku-
towski, Kampmann und Volk-
mann haben nur gelegent-
lich Rheinlandschaften gemalt,
ebenso der jung verstorbene
Koblenzer Kehrmanns. Studiert
haben ihn G. Wendling und
Clarenbach, als sie das
grosse Panorama der „Düssel-
dorfer Ausstellung“ malten,
dessen landschaftlicher Teil mit
Recht bewundert wurde und
eigentlich so manche Landschafter, die nach wie vor getreu-
lich nach Holland pilgern, hätte anderen Sinnes machen können.
* *
*
Unter den Dichtern des Rheins ist Goethes Name zuerst
zu nennen, obwohl sich seltsamerweise neben jener prächtigen
Beschreibung des Rochusfestes wenig direkte Schilderung
der Rheinlandschaft in seiner Dichtung findet. Vor allem
ist es schade, dass er uns aus jener wunderlichen Fahrt im
Kahn von Koblenz nach Düsseldorf nur sein Unglück er-
zählt hat.
A. v. WILLE.
Verlag W. Otto, Düsseldorf.
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