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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 9
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Hauser, Otto: Die holländische Lyrik unserer Zeit
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Aus der holländischen Lyrik
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0147

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Aus der holländischen Lyrik.

Übertragungen von
Jacques Perk.
1. Schlummer.
Still! — Tausendaugig spiegelt sich die Nacht
Im Meer und lässt ihr bleiches Leuchten beben,
Und ihre glühendweissen Schimmer schweben
Hernieder auf des Meeres Klippenwacht.
Ein Schlummer naht auf Falterssügeln sacht,
Es winkt sein Reis, daran die Tropfen beben,
Die tauend Traum und süss Vergessen geben;
So schwebt er her mit seiner Wundermacht.
Ins Boot, das durch die Silberwogen gleitet,
Nun setzt er sich zu mir; schon seh ich ihn
Hold blickend über mich gebeugt und hehr,
Seh, wie er lächelnd seine Flügel spreitet . . .
Ich höre schlummersüsse Melodien . . .
Was fiel mir auf die Augen da so schwer? . . .
2. Ihr Lachen.
Wie wenn auf einmal heller Sonnenschein
Der breiten Wolke Nacht durchschimmert milde
Und in den Tränen glänzt, die aufs Gefilde
Von Blatt und Blume tropfen demantrein,
So dass das Weinen Lachen scheint zu sein, —
So weicht, was mich verstimmt, als Truggebilde,
Öffnet dein Mund zum Sprechen sich, Mathilde,
Spielt um die Lippen dir ein Lächeln fein.
Doch Lächeln ist des Lachens Morgenrot.
Wie trink ich seinen Klang erst! wie dem Schwachen
Die Freude stark die Pulse da durchloht!
Schliess ich das Aug, seh ich dein Angesicht
Sonnig; mir ist, ich hör dein Silberlachen,
Erwart ich reglos so das Morgenlicht.
3. Himmelfahrt.
Der weite Raum, in Sonnenglut erblaut,
Weicht in die Ferne fern und hoch nach oben. —
Ein Lerchenlied, schwebt meine Seele droben,
Wo überm Licht sie lichter Licht umtaut:
Sie badet sich in ihm, und süss und traut
Hört sie das Leben mit Hosiannas loben, —
Der Flor ist von der Ewigkeit gehoben,
Die Gottheit thront, — tief im Gemüt erschaut;
Der Himmel ist mein Herz, und mit dem Fuss
Drück ich bleischwer den Schemel meiner Erde,
Und, lächelnd, send ich nieder holden Gruss:
Ich seh da nur die dumpfe, stumpfe Herde . . .
Doch Wonne lacht . . . ich lache mit . . . und weit
Stoss ich die Welt in die Unendlichkeit.
(Aus des Übersetzers Anthologie
„Die niederländische Lyrik von 1875 — 1900“.)
Helene Swarth.
1. Herzblut.
Nun ist mein Herz, von ird’scher Liebe heiss,
Die rote Rose, deren Blätterglut
Entpresst ihr wird von Fingern strahlendweiss,
Und weinend gibt sie hin ihr Rosenblut.
Du Rächerengel, hell von Angesicht,
O martre nicht mein Herz so mitleidsbar!
Warum auch nahmst du eine weisse nicht
Statt dieser roten Rose für dein Haar?
Er aber lässt nicht srei mein blutend Herz,
Sein heilig Werk vollführt er streng und hart.
Gott, mach mich stark! Denn ich erlieg dem Schmerz,
Bevor das Flammenrot zur Lilie ward.

Otto Hauser.
2. Nach Worten such ich . . .
Nach Worten such ich und ich find sie nicht.
Ich ssüstre deinen Namen als Gebet,
Fass deine Hand und seh dir ins Gesicht . . .
Wie wird mir kund, ob mich dein Herz versteht,
Da stumm nur meine Träne zu dir spricht
Und sagt, was keine Sprache dir verrät?
Ich bin dem Kinde gleich, das einen Krug
Voll weisser Milch, behutsam, fast verzagt,
Auf Pfaden trägt, die aufgewühlt vom Pssug,
Das kaum die Füsse vorzusetzen wagt,
Die ssinken Füsse, die sonst rasch genug
Für jeden Falter, den das Händchen jagt.
So trag ich achtsam dieses volle Herz,
Den Kelch voll weisser Liebe. Bliebt, o bliebt
Ihr fest nur, meine Füsse, allerwärts,
Fest nur, ihr Hände, sest, so lang es liebt!
Liebster, ich weiss nur dies: Liebe ist Schmerz,
Und voll das Herz, das Gott dem Dichter gibt.
3. B ange Nacht.
Ich kann nicht schlafen, ganz in Angst befangen.
Nacht ist’s umher . . . mir ist so bang allein!
Feucht sind die Hände mir, schneekalt die Wangen,
Es ist, als schlösse rings der Tod mich ein.
Und doch, das Nichtsein kann ich nicht verlangen,
Ist mir das Leben auch ein Bild von Stein,
Das nimmer spricht, so heiss ich’s mag umfangen . .
Die Hände schlag ich vors Gesicht und wein’.
O Gott, das Schluchzen so ersticken müssen
Im Pfühl! und endlos die Verzweiflungsnacht!
Und wer, ach wer wird, wenn der Morgen lacht,
Der Tränen Spuren mir vom Antlitz küssen
Und küssend ssüstern, liebevoll und sacht:
„Was bangst du, Kind? Sieh, meine Liebe wacht!“ -

Willem Kloos.
1. Lied.
Lass mich zu deinen Füssen säumen,
Da du mich nimmer ziehst ans Herz,
Und, leise lächelnd, selig träumen
Von allem hingegangnen Schmerz.
Lass mich zu deinen Füssen säumen,
Da du mich nimmer ziehst ans Herz !
Lass mich mit deinen Worten kosen,
Da mir dein holder Mund versagt,
Mich fühlen, was dein Mund mir sagt,
Wie Küsse von den Lippenrosen,
Wie Küsse, die dein Herz mir sagt . . .
Lass mich mit deinen Worten kosen!
O dürft ich legen meine Hände
Auf dein geliebt, geheiligt Haupt,
Des Glücks nur denken ohne Ende,
Das nun mein Herz so nahe glaubt . . .
O dürft ich legen meine Hände
Auf dein geliebt, geheiligt Haupt!
2. Herbst.
Die Blätter fallen sacht,
Ich kann allein beklagen,
Dass nichts mich hoffen macht
Auf Glück in andern Tagen . , ,
Die Blätter fallen sacht,

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