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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 8
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Weber, Ludwig Joseph: Heinz Heim: (1859-1895)
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0096

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Heinz Heim (1859 1895).*
Von Ludwig Weber.

Er ist einer der ersten gewesen, die es drängte,
die ausgefahreneri Geleise einer antiquierten
Kunstübung zu verlassen. Einen Pfadfinder
kann man ihn nennen, denn dieser Drang ist
aus seinem innersten Empfinden, aus selbst-
errungenen ästhetischen Prinzipien heraus ge-
reift. — Schon in die frühen Jugendjahre Heims
fallen ernstere zeichnerische Übungen, seine
künstlerische Entwicklung beginnt erst mit dem
Jahre 1880, in dem er die Münchener Maler-
akademie bezog. Bald war er der Liebling
seiner Lehrer und das Vorbild seiner Mitschüler
geworden, dennoch konnte hier
nicht seines Bleibens sein. In
dem damaligen München er-
zählte man auf grossen Lein-
wänden und in behaglicher
Breite Historien und Legen-
den, die meist recht sauber
gemalt, oft aber auch herzlich
langweilig waren, kopierte im
übrigen die Werke alter Mei-
ster und ging den Geheim-
nissen ihrer Technik nach.
Die Elemente unter den Leh-
rern, die neueren Bahnen zu-
strebten, konnten noch nicht
durchdringen, und die Schüler
konnten somit alle möglichen
Stile erlernen, nur nicht zu
einem eigenen kommen. Heim
verlangte es aber nach Wahr-
heit und Frische. „Diese
Renaissancehüter können mir
nicht imponieren,“ schrieb er
an seinen Vater, und bald
darauf, im Herbst 1886, sehen
wir ihn nach Paris pilgern,
obwohl die Übertragung einer
Professur an ihn direkt bevor-
stand. In Paris wehte freilich
eine andere Luft als in dem München der glei-
chen Zeit. Dort waren talentvolle junge Leute aus
aller Herren Länder zusammengekommen, um
unter der Anleitung weitblickender Lehrer einer
Kunst zu huldigen, die in einer gesunden Natur-
treue ihre höchsten Ideale sah. Der Pariser
Aufenthalt ist denn auch ausschlaggebend ge-
worden sowohl für Heims technische Vervoll-
kommnung wie für seine Kunstaufsassung.
Dagnan-Bouveret und Bastien-Lepage beein-
ssussten ihn stark, und besonders dem letzteren

* Die biographischen Angaben fassen teils auf Schrift-
liehen und mündlichen Mitteilungen von Verwandten und
Freunden des Malers, teils sind sie der Arbeit von Georg
Fuchs „Das Werk des Malers Heinz Heim“ (Berlin, J. A. Star-
gardt) entnommen.

fühlte er sich innerlich verwandt. Der Weite,
der Tiefe, der Unendlichkeit der Natur gerecht
zu werden, setzte er sich als Ziel, und „die
stille Grösse der Natur“ darzustellen, dazu glaubte
er sich im besonderen befähigt. Im Herbst 1887
treffen wir Heim wieder in seiner Vaterstadt
Mainz und 1890 sehen wir ihn abermals in
München, das er aber bald unbefriedigt wieder
verliess. Er zog sich in seine Heimat zurück
und verbrachte die Sommer der folgenden Jahre
in Schlierbach im Odenwald, wo er zeichnete,
malte, unter den Bauern lebte und wie einer
der ihren mit ihnen arbeitete.
Er trug die Überzeugung in
sich, dass die Kunst mit dem
Boden, auf dem sie fusste, auss
engste verwachsen sein müsse.
Er hatte diese Ansicht aus
dem Studium der Werke un-
serer alten deutschen Meister,
insbesondere Albrecht Dürers
und Hans Holbeins d. J. ge-
wonnen, und dies nicht zu
seinem Nachteil. In dem täg-
lichen Umgang mit den Oden-
wälder Bauern wurde er mit
ihren Gedanken und mit ihrem
Empfinden, ja mit dem un-
scheinbarsten Werkzeuge,
dessen sie sich zur Verrich-
tung ihres Tagewerks bedien-
ten, vertraut, und die ausser-
ordentliche Vertiefung, die er
seinen Vorwürfen zu geben
wusste, beruht auf der intimen
Kenntnis des gesamten Lebens-
apparates, des seelischen wie
des materiellen, der schlichten
Bewohner des Odenwaldes.
Aber noch ein Anderes ist es,
was die Wirkung, die seine
Schöpfungen als ästhetische Gegenstände auf
uns ausüben, so bedeutend erhöht. Es ist die
edle Beschränkung des Künstlers auf ein von
jedem äusseren Beiwerke befreites letztes Ge-
schehen in dem zu gestaltenden Sujet, und
die absolute Sammlung, die eindringliche Kon-
zentrierung der dargestellten Menschen auf sich
selbst und auf die Sache, mit der sie sich gerade
beschäftigen. Und hier gewinnt die Art der
Heimschen Darstellung eine frappante Ähnlich-
keit mit der des grossen Bahnbrechers Giotto,
dessen Menschen uns auch gerade deshalb so
viel sagen, weil sie sich nur auf den Verkehr
mit sich selbst beschränken und jeden Kontakt
mit der Welt des Beschauers ablehnen. End-
lich finden wir hierin, wenn wir uns auf den


HEINZ HEIM.
Nach einer Photographie des Hofphotographen
W. Weimer in Darmstadt.

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