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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 9
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Hermanns, Heinrich: Niederländische Kunst: Betrachtungen eines niederdeutschen Malers
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0151

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Theophil de Bock, Haarlem.
Waldweg. Ölgemälde.
Niederländische Kunst.
Betrachtungen eines niederdeutschen Malers.

In den Kunstabhandlungen der letzten Jahre
tauchte vielfach ein neuer Begriff vor uns auf, -—■
dieser neue Begriff, „Heimatskunst“ benannt,
entsprang aus dem dunklen Bewusstsein, dass
eine Besinnung auf sich selbst notwendig sei,
und man glaubte, dass bei dem, einem jeden
Menschen tief eingeprägten Hang an der Scholle
aus dieser stärksten Wurzel der neue ersehnte
Keim an dem sich ausbreitenden Baume der
Kunst hervorbrechen werde. Die hieran ge-
knüpften Erwartungen dürften aber, da die Vor-
bereitungen zum Empfange dieses Sprösslings
zu künstlich getroffen worden sind, doch wohl
nicht in Erfüllung gehen und wird sich die Blüte
einer neuen Epoche vielleicht an einer Stelle
zeigen, wo sie am wenigsten erhofft wurde.
Von einer Heimatskunst, einer Kunst, die
das klare Gepräge eines nationalen Charakters
trägt, kann wohl eher nur bei einem kleinen in
sich abgeschlossenen Volke, als bei einem
grossen, aus vielen Stämmen der verschiedensten
Gesinnungs- und Gefühlsgattungen zusammen-
gesetzten geredet werden. Halten wir in unserem
geeinten deutschen Vaterlande hierbei Umschau,
so werden wir sehen, dass die geographische
Einigungslinie noch lange nicht den Strom der

entgegenstehenden Anschauungen und Ansichten
zu einer Einheit zusammengefasst und so
jedem innerhalb dieser Grenze geschaffenen
Kunstwerke den Stempel eines durchaus ge-
meinsamen Empfindens aufgeprägt hat. Jedoch
ist es klar, dass die Wirkungen unseres deutschen
Wesens und Erziehung nicht zu verwischen
sind und dass diese in den Werken zum Aus-
druck kommen werden. So werden wir immer
bei einem Deutschen, besonders Hochdeutschen,
im Gegensatz zu einem Romanen, eine grössere
Vertiefung, ein innigeres Versenken in seine
Arbeit finden. Um diese Eigenschaften nun in
ein Werk hineinlegen zu können, ist eine stärkere
Hervorhebung der zeichnerischen Qualitäten not-
wendig. Schon der Niederdeutsche und noch
mehr der stammesverwandte Sohn der Nieder-
lande zeigen uns, dass der von Kindesbeinen
an für die Ferne, die weite Ebene erzogene
Blick sie nicht so sehr an der Zeichnung haften
lässt. Der Blick für das rein Malerische ist
geschärfter, der Sinn für das einzelne, das Zeich-
nerische, tritt zurück.
Aus diesen Gründen ist ein gleichmässiges Aus-
prägen eines uns Deutschen gemeinsamen natio-
nalen Empfindens sehr schwierig, denn der Kampf

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