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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 8
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Schäfer, Wilhelm: Damenhüte
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0116

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Damenhüte.

Wir wollen weder ein Modeblatt werden noch Reklame
für Hutgeschäfte machen, nur an einige Damenhüte, deren
Abbildungen wir der Freundlichkeit des Ateliers Lina
Stoeffler, Düsseldorf, verdanken, ein paar allgemeine
Bemerkungen knüpfen.
Ich bin zwar nicht der Meinung, die Frau Anna
Muthesius in ihrem Büchlein vom „Eigenkleid“ (Kramer &
Baum, Krefeld) zum Ausgangspunkt der Hutfrage macht,
daß nämlich das Gesicht gewissermaßen die
Melodie einer Frauenerscheinung sei, mir
scheint vielmehr, daß hier der geistige
Hochmut vor dem irdischen Körper so ein
bißchen durchschillert, mir wenigstens bleibt
von den meisten Frauen die Art der Bewe-
gung, Haltung und damit verbunden der
Wuchs viel besser in Erinnerung als das
Gesicht: aber ich gebe dem Hut bereitwillig
die bevorzugte Stellung des Zinndeckels
beim Steinkrug. Es gibt wahrhaft viele
schreckliche Krüge, aber noch schlimmere
Deckel; ein guter Deckel vermag an einem
miserabelen Krug nichts zu verbessern, aber
der schönste Krug wird durch einen minder-
wertigen Deckel schimpfiert.
Damit wäre vertöpfert die Wichtigkeit
des Damenhutes für die Erscheinung zu-
gegeben, wenngleich ich noch lange nicht
— wie es wohl der Brauch ist — die Dame
gleichsam als Vase zu einem Makart-Strauß
wünsche, vielmehr der Meinung bin, der
Hut müsse der Punkt auf dem i sein, d. h.,
ein aus dem Wesen der Gestalt im Sinn
der Kleidung gebildeter Witz. Aber um aller
Schönheit willen nur ein Witz, nicht gleich
eine Witzsammlung. Ein Motiv, je nach
dem Wesen oder dem Zweck stolz oder
keck, feierlich oder traurig.
Das ist es, was hier in Abbildungen
ungefähr vorgeführt werden kann, leider
ohne Gestalt, Wesen, Kleid und Kopf und
vor allem ohne Farbe, also nur ein „graues
Abbild“ von Hüten an sich, und — weil alle
fertig aus einem Laden genommen wurden
— Hüte in gebräuchlichen „Architektur-
formen“. Aber so nebeneinander geben

sie doch ein Bild, was geleistet werden könnte, wenn
von einer so künstlerischen Hand „Eigenhüte“ — Frau
Muthesius möge mir nicht zürnen — geschaffen würden,
d. h. wenn Frau A. oder Z. zu Lina Stoeffler oder sonst
wem käme: ich habe mir ein Kleid ausgedacht und einen
Hut dazu so oder so, nun leihen Sie mir Ihre Erfahrung,
Ihre Materialkenntnis, Ihren Geschmack. So könnte die
Herrschaft des Pariser Modellhutes in der Spitze abge-
brochen werden, und eigentümliche Hüte
könnten zu unserer Freude entstehen. Hier
denke ich mit Grausen an die samtenen
Pfannkuchen, die ich im vergangenen Winter
als Reformkleidung ausgestellt sah; der-
gleichen kommt dann hosfentlich nicht
heraus, sondern so etwas wie der hier ab-
gebildete Hut mit dem Rosenkranz, der,
das Stroh aufbindend, frei über dem Haar
im Nacken hängt (Abbild. Nr. 1). Dieser
Hut würde mich entzückt haben wie ein
Gedicht, das ich nie vergäße, wenn ich ihn
an einem blauen Sommermorgen auf dem
Kopf einer Frau gesehen hätte — allerdings
nicht mit künstlichem, sondern natürlichem
Rosenkranz.
Und da wäre ich denn an meinem
großen Wunsch: Weg mit dem Schwindel
der künstlichen Blumen, mit den unechten
Schnallen und albernen Patten. Soll Metall-
schmuck daran sein, dann aber bitte: echtes
Material und künstlerische Ausführung. Um
des Himmelswillen, schreit hier ein Ehe-
mann, wer soll’s bezahlen? Nun, kosten
die blechgespickten Spitzen- und Federballen
aus Paris nicht auch Geld? Und wer ein-
fache Hüte tragen will: mit Federn, Bändern
und dergleichen läßt sich alles machen.
Und wer möchte das nicht sehen, wenn an
einem Sonntag Nachmittag alle Damen auf
der Königsallee mit frischen Blumen auf
dem Hut spazierten? Ich glaube, die Hüte
würden einfacher werden und unsere Damen
schöner scheinen; eins allerdings müßte
dann lebendiger sein: der eigene Ge-
schmack, aber der hat noch niemandem
geschadet. S.

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Abbildungen 1—3 Damenhüte aus dem Atelier L. Stoeffler, Düsseldorf.

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