Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

DOI issue:
Heft 10
DOI article:
Platzhoff-Lejeune, Eduard: Die Schweiz als Kulturboden
DOI article:
Vögtlin, Adolf: Über neure deutsch-schweizerische Literatur
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0213

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Zeit geht unvermeidlich nach Zentralisation und
Verbrüderung aller assimilationsfähigen Ele-
mente —, so bilden sie eine feste und schöne
Brücke zwischen den beiden Kulturen, nicht
nur für sich selbst, sondern auch für das Aus-
land. Der Plan einer eidgenössischen Universität,
die das sichtbare Zeichen dieses Bundes ge-
wesen wäre, ist leider vor Jahren gescheitert,
als er verfrüht gefasst wurde, und nun wohl
auf immer unmöglich geworden. Auch das
Projekt einer schweizerischen Akademie ist um
seines gar zu anspruchsvollen Charakters willen
als totgeborenes Kind zu Grabe getragen worden.
Aber es muss auch anders gehen. Es kommt
ja schliesslich nicht aus Institutionen, sondern

auf Menschen an. Wir haben solche Vermittler
und wünschen nur, dass ihrer mehr werden.
Ein neutraler Staat wie die Schweiz soll nicht
nur durch internationale Bureaus und Kongresse
an der Verwirklichung des Völkerfriedens im
Sinne der Abrüstung arbeiten, er soll ebensowohl
für die geistige Verständigung und Einigung der
Völker tun, was in seinen Kräften steht, indem
es die Vorzüge verwertet, die Natur und Ge-
schichte ihm verliehen haben. Das grösste Lob,
das man der Schweiz vom Auslande erteilen
kann, wäre die Anerkennung, dass sie diese
Kulturmission zu erfüllen begonnen hat, dass sie
nach menschlicher Voraussicht zu ihrer Durch-
führung und Vollendung befähigt ist.


Albert Welti.
Radierung.
Über neuere deutsch-schweizerische Literatur.

Seitdem uns Gottfried Keller und Konrad
Ferdinand Meyer verlassen haben, wird jeder
neu auf den Plan tretende schweizerische Dichter
von der Fachkritik darauf geprüft, welchem der
beiden Ritter vom Geiste, deren helltönender Ruf
das trübe Gewölk zerteilte, das lange über
unserem Schrifttum schwebte, und dem Gedeihen
bringenden Sonnenschein Zutritt zu unseren lite-
rarischen Gärten und Gärtchen verschaffte, er

wohl Gefolgschaft leiste und auf wessen Devise
er schwöre. Ja, man hat bereits eine Ver-
schmelzung der dichterischen Qualitäten von
Keller und Meyer zu einer höheren Einheit bei
mehr als einem Vertreter aus dem schriftstelle-
rischen Nachwuchs der Schweiz bemerken wollen
und einzelne Talente als Genies geeicht.
Nun ist es ja fraglos, dass jeder Dichter bei
uns sich an den Taten der beiden Geistesritter

395
 
Annotationen