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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 9
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Hauser, Otto: Die holländische Lyrik unserer Zeit
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Aus der holländischen Lyrik
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0148

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3. Sonett.
Ich bin ein Gott in meinen Hochgedanken,
In meiner Seele thron ich siegerhaft
Über das All und mich, aus eigner Kraft,
Nach eignen Kampss und Siegs Gesetzesschranken.
Und wie ein Heer wilddunkler Leidenschaft
Stürmt auf mich ein, um jäh zurückzuwanken
Vor der erhobnen Hand, des Zepters Kraft:
Ich bin ein Gott in meinen Hochgedanken.
Und dennoch, deine Glieder überteuer,
Wie schmacht ich, sie in meinem Arm zu sehn
Und laut aufschluchzend mit all meinem Feuer,
All meiner stillen Glorie zu vergehn
Auf deinem Mund, in einem wilden Brand
Von Küssen, wo ich nicht mehr Worte fand!
Albert Verwey.
Sommerwiese.
Die weissen Kühe waten durch das Gras,
Das hellsmaragden glänzt, halmhoch und dicht,
Auf ihre Rücken strahlt das Sommerlicht
Aus hohen Himmels wolkigem Topas.
Der Strom, den grünen Schilfs ein Kranz umssicht,
Wogt warm dahin, ein wellig Spiegelglas,
Erst dieser Dampfer stört sein Ebenmass, —
Das Schilf rauscht lauter, wo die Flut sich bricht.
In meinem Hirn ist Mittagsstille, warm
Schwellen die Glieder mir; ich lieg und lausch
Dem Wiesenssüstern und dem Stromgerausch.
Zwischen den Wimpern seh ich hinter mir
Eine Lichtlinie, matter wird mein Arm,
Ich hör den Dampfer ziehn und schlafe schier.

Frederik van Eeden.
Aus „Ellen“.
So musste sterben auch der schönste Tag,
So schön, wie zwei nie sind in einem Leben,
Die Sonne meiner Tage, die am Himmel
Die Sterne alle mir erblassen liess !
Doch Mutter ward sie ewig lebender,
Die bei mir wohnen immerdar und trösten
Mit ihrer Schöne dieses Herz, das trauert,
Wenn es der guten Mutter Tod gedenkt.
Sie kam in Wolken und mit trübem Rauschen
Von Regen, — doch sie hob ihr Angesicht
Und lachte nun ihr grosses Sonnenlachen,
Ausbrechend in ein Schimmermeer von Licht,
Auflodernd hell und klar, lichtgolden über
Blauweissem Schaum auf blauen Wellen, Wolken,
Die weiss hinzogen übers Blau der Luft.
Da stiegen unsre Seelen in das Glück
Der Morgenglorie auf und waren zwei
Schneelichte Falter, ssatternd aufgeführt
Hoch ins Gewirr von Licht und Wind und Wolken,
Erstaunt, in Wonnen nie gekannter Räume,
So voll von Licht, auf einmal sich zu sehn.
Und mit dem Höhersteigen dieses Tags
Entsprossten Worte, schöner als der Sang
Von zwei ganz frohen Vöglein, die empor
Sich in die Lüfte schwingen, laut auf singen,
Hinziehn und wiederkehren, höher steigen,
Einander überssiegen, immer höher.
Doch mit dem Mittag sind in uns erblüht
Blumen von namenloser Innigkeit. —
Ein Feld von Blumen waren wir; da nickten


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Hendrik W. Mesdag, den Haag.
Sonnenuntergang. Ölgemälde.
 
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