R. Püttner. Aus „Rh einfahrt“, Stuttgart, Verlag A. Kröner.
Rheinische Kaiserpfalzen.*
Von Dr. Konrad Plath.
Der deutsche Rhein, unser Rhein — deutsch
geworden seit es unsern Voreltern gelang, die
Mauerringe der Limeskastelle zu sprengen, den
römischen Grenzwall zu durchbrechen — ist
nicht nur eine „Pfaffengasse“ gewesen, wie man
ihn genannt hat wegen der zahlreichen geist-
lichen Siedelungen an seinen herrlichen Ufern.
Zu gleicher Zeit, ja srüher als die Kirche,
hat sich das deutsche Königtum hier sesshaft
gemacht, und so manche jener geistlichen Stif-
tungen ist erst auf königlichem Grund und Boden
und mit königlicher Unterstützung aufgeblüht.
Liegt doch am Rhein sogar die Wiege des
deutschen König- und Kaisertums, wie es jetzt
vor unsern Augen lebt und durch unserer Hände
Arbeit immer machtvoller sich entfaltet. Denn
an den Rheinmündungen, auf jenen Niederungen
und Inseln, die sich kaum über die Meeresssäche
erheben, treten uns zuerst die Merowinger ent-
gegen, auf deren Taten heut noch zuletzt die
Grundlagen unseres staatlichen Daseins beruhen.
Dort spielt ihr Hausmärchen, das den Ahn-
herrn des ruhmreichen Geschlechtes von einem
* Die nachfolgende Arbeit würde erst mit einem späteren
Kapitel in den Rahmen des vorliegenden Hestes gehören.
Da aber nur bei einem Überblick über das ganze Rheingebiet
die Bedeutung der Pfalzen und ihres geschichtlich wichtigen
Systems — das gerade am Rhein am besten erkennbar ist —
deutlich wird, beginnen wir mit dem ersten Kapitel, das den
Rhein bis Strassburg behandelt, und verweisen auf die Fort-
setzungen in den nächsten Heften. Es sind jahrelange
Forschungen, die durch Unterstützung des preussischen
Kultusministeriums zu den Ergebnissen führten, die hier
zuerst an die Öffentlichkeit treten.
Die Red.
Meerwunder abstammen lässt, das der er-
schrockenen Königin nahte, als sie am Meeres-
gestade ihre Glieder erfrischte — eine Sage, die
vielleicht, wie ähnliche Ursprungssagen des
Altertums, auf eine überseeische Herkunft der
Sippe hindeuten könnte.
Von den Rheinmündungen sind sie dann
stromaufwärts gezogen, zunächst in die Nähe
der reichen Erzgruben, bei denen noch heute
„der Märker Eisen reckt“ — und bis zu denen
sich damals noch das ganz Mitteldeutschland
umspannende thüringische Königreich erstreckte.
Dort, in Dispargum am Rhein, dem heutigen
Duisburg mit seinen grossartigen Eisenwerken,
haben sie ihren ersten geschichtlich bezeugten
Königssitz errichtet: auf jenem „Burgplatz“, der
heut das stattliche neue Rathaus von Duisburg
trägt, bei dessen Neubau wir die Reste der alten
Pfalz wiederfanden, die auch in der Zeit der Karo-
linger und Ottonen, ja der Salier, in Resten selbst
bis ins 16. Jahrhundert über der Erde fortbestan-
den hatte.
Von hier aus sind sie dann teils weiter rhein-
auswärts nach Süden vorgedrungen, teils west-
lich, landeinwärts, in das Land, das dank ihren
Taten noch heut den Namen Frankreich trägt.
Chlojo war es, der erste bekannte Merowinger-
könig, der von Dispargum auszog, um die Römer
in Cambrai zu schlagen, und der dann das Land
bis zur Somme einnahm, während sein noch
tatkräftigerer Nachkomme Chlodwig, die letzten
Trümmer des Römerreichs besiegend, die
fränkische Herrschaft bis zu den Pyrenäen aus-
dehnte, und anderseits durch die erneute
Vll
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Rheinische Kaiserpfalzen.*
Von Dr. Konrad Plath.
Der deutsche Rhein, unser Rhein — deutsch
geworden seit es unsern Voreltern gelang, die
Mauerringe der Limeskastelle zu sprengen, den
römischen Grenzwall zu durchbrechen — ist
nicht nur eine „Pfaffengasse“ gewesen, wie man
ihn genannt hat wegen der zahlreichen geist-
lichen Siedelungen an seinen herrlichen Ufern.
Zu gleicher Zeit, ja srüher als die Kirche,
hat sich das deutsche Königtum hier sesshaft
gemacht, und so manche jener geistlichen Stif-
tungen ist erst auf königlichem Grund und Boden
und mit königlicher Unterstützung aufgeblüht.
Liegt doch am Rhein sogar die Wiege des
deutschen König- und Kaisertums, wie es jetzt
vor unsern Augen lebt und durch unserer Hände
Arbeit immer machtvoller sich entfaltet. Denn
an den Rheinmündungen, auf jenen Niederungen
und Inseln, die sich kaum über die Meeresssäche
erheben, treten uns zuerst die Merowinger ent-
gegen, auf deren Taten heut noch zuletzt die
Grundlagen unseres staatlichen Daseins beruhen.
Dort spielt ihr Hausmärchen, das den Ahn-
herrn des ruhmreichen Geschlechtes von einem
* Die nachfolgende Arbeit würde erst mit einem späteren
Kapitel in den Rahmen des vorliegenden Hestes gehören.
Da aber nur bei einem Überblick über das ganze Rheingebiet
die Bedeutung der Pfalzen und ihres geschichtlich wichtigen
Systems — das gerade am Rhein am besten erkennbar ist —
deutlich wird, beginnen wir mit dem ersten Kapitel, das den
Rhein bis Strassburg behandelt, und verweisen auf die Fort-
setzungen in den nächsten Heften. Es sind jahrelange
Forschungen, die durch Unterstützung des preussischen
Kultusministeriums zu den Ergebnissen führten, die hier
zuerst an die Öffentlichkeit treten.
Die Red.
Meerwunder abstammen lässt, das der er-
schrockenen Königin nahte, als sie am Meeres-
gestade ihre Glieder erfrischte — eine Sage, die
vielleicht, wie ähnliche Ursprungssagen des
Altertums, auf eine überseeische Herkunft der
Sippe hindeuten könnte.
Von den Rheinmündungen sind sie dann
stromaufwärts gezogen, zunächst in die Nähe
der reichen Erzgruben, bei denen noch heute
„der Märker Eisen reckt“ — und bis zu denen
sich damals noch das ganz Mitteldeutschland
umspannende thüringische Königreich erstreckte.
Dort, in Dispargum am Rhein, dem heutigen
Duisburg mit seinen grossartigen Eisenwerken,
haben sie ihren ersten geschichtlich bezeugten
Königssitz errichtet: auf jenem „Burgplatz“, der
heut das stattliche neue Rathaus von Duisburg
trägt, bei dessen Neubau wir die Reste der alten
Pfalz wiederfanden, die auch in der Zeit der Karo-
linger und Ottonen, ja der Salier, in Resten selbst
bis ins 16. Jahrhundert über der Erde fortbestan-
den hatte.
Von hier aus sind sie dann teils weiter rhein-
auswärts nach Süden vorgedrungen, teils west-
lich, landeinwärts, in das Land, das dank ihren
Taten noch heut den Namen Frankreich trägt.
Chlojo war es, der erste bekannte Merowinger-
könig, der von Dispargum auszog, um die Römer
in Cambrai zu schlagen, und der dann das Land
bis zur Somme einnahm, während sein noch
tatkräftigerer Nachkomme Chlodwig, die letzten
Trümmer des Römerreichs besiegend, die
fränkische Herrschaft bis zu den Pyrenäen aus-
dehnte, und anderseits durch die erneute
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