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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Heft 8
DOI article:
Weber, Ludwig Joseph: Heinz Heim: (1859-1895)
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0101

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die Künstlerhand sie gestaltet hat. Das Bauern-
leben im Odenwalde ist es also, das das Ein
und Alles in Heims Kunst ausmacht, und das
für seine Verwertung in der Kunst in ihm einen
berufenen Meister gefunden hat. Die Vorwürfe
unseres Malers sind dabei im gleichen Masse
zahlreich und verschiedenartig, als die Ausführung
derselben vollendet ist. So zeigt er uns die
Bauern auf dem Felde bei der Arbeit, bei der
Liebsten, im Wirtshause und im eigenen Heim.
Eine besondere Vorliebe hat der Künstler für
das Leben der Pfründner, die er bald in
ihrer stillen Kammer die Bibel lesend, bald
beim Mahle politisierend oder philosophierend
darstellt. Ein unübertroffener Meister ist er
aber in der Fixierung von Szenen aus dem
Knabenleben, und keiner vor oder nach ihm
hat mit so viel Humor die derbe Poesie des
Gassenbubenlebens zu gestalten gewusst wie er.
„Das Konzert“ ist ein klassischer Beleg dazu,
und mit derselben Meisterschaft führt er uns
seine Lieblinge vor als die Mitglieder einer
Kaffeegesellschaft, oder wenn sie die ersten Rauch-
versuche machen, wenn sie im stillen sich der
gemausten Äpfel freuen, wenn sie singend zur
Dorfschule wandern, oder wenn sie raufen und
lärmen. Mädchen zeigt er uns, wie sie das
Bild ihres jungen Landesfürsten betrachten, wie
sie sich die Haare kämmen, wie sie ssicken oder
stricken, wie sie hier sseissig bei der Feldarbeit
sind, dort träge zum Fenster hinausblicken, oder
des Abends am Tische hinter dem leeren Ess-
napfe einschlafen. Porträtschärfe treffen wir fast
in allen Gesichtern der von Heim gemalten
oder gezeichneten Menschen, und es ist nicht
zu verwundern, dass er auch dem Porträt als
solchem seine Aufmerksamkeit zuwendete. Eine
feine Charakteristik und scharfe Hervorhebung
des Individuellen ist in den Porträts der Prinzessin
Alice von Hessen (der jetzigen Kaiserin von
Russland), der jugendlichen Prinzessin und des
jungen Prinzen Solms in dem gleichen Masse
zu erkennen, als wenn er die konturenreicheren
Gesichtszüge eines Greises oder einer alten Dame
wiedergibt, oder als wenn er schliesslich die
wenig intelligenten aber selbstzufriedenen Züge
einer jungen Odenwälderin fixiert.
Mochte aber Heim malen oder zeichnen
was er immer wollte, überall fällt der Ernst
der Darstellung auf, und nun, nachdem wir
einen Überblick über sein Schaffen gewonnen
haben, begreifen wir, wie sein Wort, „die stille
Grösse der Natur“ darstellen zu wollen, zu ver-
stehen ist. Gewiss kann es so verallgemeinert
aufgefasst werden, dass man es auf die Natur
im weiteren Sinne des Wortes bezieht, und auch
auf den Menschen deutet, soweit er als solcher
allein dargestellt ist. Was wir oben als die
„absolute Sammlung, die eindringliche Konzen-
trierung“ bezeichneten, das würde in diesem
Falle als das Charakteristikum der in ihrer Ein-

samkeit ganz in sich abgeschlossenen mensch-
lichen Natur zu deuten sein, wie wir sie z. B.
aus dem „Pfründnermahle“, dem „Mädchen im
Grünen“ und anderen Werken, die hier nicht
wiedergegeben werden konnten, wie dem „ein-
samen Gast“, dem „Mann am Ofen“ u. s. w.
kennen. In Wirklichkeit aber ist es Heim, an-
geregt durch die schon oben genannten fran-
zösischen „Paysagisten“, mehr auf die landschaft-
liche Tiefe und Schönheit angekommen, die den
grossen und erhabenen Rahmen abgeben sollte
zu dem dargestellten Menschen, der nur als ein
Stück von dem All, von der unendlichen Natur
erscheinen und durch diese gewissermassen er-
gänzt werden sollte, wie umgekehrt er sie durch
sein Ich ergänzte. Es ist ein überaus reines
und keusches Gefühl, das Heim hier bewegte
und das für die Poesie des Verhältnisses
zwischen Mensch und Natur eine künstlerische


Heinz Heim.
Mädchen im Grünen.
Ölbild im Privatbesitz des Konsuls Braunfels
in Frankfurt a. M.
Nach einer Photographie des Hofphotographen
W. Weimer in Darmstadt.

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