verbinden, betrachtet haben, wollen wir diesen
selbst nachgehen und dieser Kunst näher treten.
Welches ist nun der Eindruck, den Werke
holländischer Meister auf uns ausüben? •— Be-
finden wir uns in dem Heimatlande dieser
Meister, so wird schon das ganze uns umgebende
Leben dazu beitragen, uns in die rechte Stimmung
zu versetzen, — die Lebensweise und Lebens-
art wird zum Milieu —•, die Kunst umgibt uns
schon, wir bewegen uns in ihr. Sobald wir den
Kunstwerken selbst näher treten, sehen wir nur
das vor uns, was wir unbewusst schon miterlebt
und mitempfunden haben: es ist für uns etwas
Erwartetes. Greifen wir, um klarer zu sehen,
zu einem Beispiele.
Die ernsten und stillen Werke des grossen
Israels, sei es dass sie uns das Leben und den
Wandel der in öder Gegend in strenger Arbeit
schaffenden Menschheit schildern, sei es, dass
sie dem harten Berufe des Fischerlebens oder
dem geschäftig handelnden Treiben seines aus-
erwählten Volkes gewidmet sind, sie alle atmen
die Kraft des innern Volkscharakters und wir
schliessen uns gleichsam mit den handelnden
Personen zu einem Ganzen zusammen. In den
Hauptwerken dieses Meisters finden wir das,
was den Adel des Werkes ausmacht: die Seele
des Menschen. — Im Hintergründe tauchen bei
mir alle jene Bilder ähnlichen Vorwurfs und
Inhalts auf, die so viele gute und fleissige Maler
geschaffen, die in der Meinung, dass, wenn man
der Äusserlichkeiten genug in ein Bild getragen,
diese Arbeit hinreichend Vorzüge in sich trüge.
Treten wir aber vor eine Arbeit unseres hollän-
dischen Meisters, so ahnen wir die Seele; das
Werk tritt aus seinem Rahmen zu uns heran,
es umfängt uns und wartet nicht darauf, bis
wir selbst uns entschliessen, uns ihm hinzugeben.
Es ist klar, dass nur eine grosse Kraft im-
stande sein kann, diese Wirkung in uns hervor-
zurufen, und auch bei vielen seiner jüngeren
Kollegen ist die Hauptsache, die innere Er-
regung, nicht zur Geltung gekommen. Viele
Figurenmaler haben wohl in dem Kolorit noch
sattere Wirkung erzielt, aber an Innerlichkeit
haben sie bedeutend verloren. Und gerade
letztere, eine echt germanische Eigenschaft,
macht den Geist und Wert des Werkes aus.
Wenn ich vorhin einen Namen der Grossen
im Reiche der Figurenmalerei nannte, so muss
ich jetzt zweier Genossen, Landschafter, ge-
denken, die, beide einer Epoche angehörend, zu
den ersten Meistern des vergangenen Jahrhunderts
zählen: Antoni Mauve und Jakob Maris.
Zu einer Zeit, da wir in Deutschland noch
vielfach dem guten Rezept huldigten, Schatten
mit einem dunklen Umbra- oder Sienna-Ton hinzu-
streichen und darauf den lokalen Lichtton hin-
zusetzen, hat Mauve seine unvergänglichen
silbrigen Landschaften geschaffen. Hauptsächlich
dem Strand- und Fischerleben entnommen,
finden wir auch Waldmotive, einfache Gehöfte,
ruhig sich hinziehende Kanäle mit trägen Schiffen
und immer treffender Staffage. — Satter im
Ton und breiter in der Empfindung ist Jakob
Maris; sein Kolorit ist voller und tiefer;
seine Werke stimmen ruhiger, ernster. Beide
Meister vereinigen in sich die Vorzüge der
grossen Niederländer des 16. und 17. Jahrhunderts,
aber man möchte sie noch höher stellen, sie
bringen uns, was wir bei den Altvordern ver-
missen, als Neues eben hinzu die Perspektive
des Raumes, die Luftperspektive. Und man
möchte die etwas paradox klingende Ansicht
aufstellen, dass sie mehr an Pieter de Hooch
und Vermeer anknüpfen, als an Ruysdael und
seinen Genossen. Was bei beiden typisch,
ist die Weichheit der Atmosphäre, der Duft
der alles umspielenden weichen Luft. Verbunden
mit einer malerisch empfindenden Zeichnung,
geben sie uns das Beste, was Kunst uns zu
bieten vermag. Ihr Können wirkte segensreich
und befruchtend auf die ihnen folgende Generation
und baut sich die derzeitige Schule der hollän-
dischen Landschafter auf ihrer Grundlage weiter
zu einem grünenden Kunstzweige aus.
Wenngleich in dieser kurzen Abhandlung
die einzelnen Personen nur benutzt sind, um
die Begriffe zu verdeutlichen, so kann ich doch
345
Sophie Jansen Grothe, Amsterdam.
Cineraria. Aquarell.
selbst nachgehen und dieser Kunst näher treten.
Welches ist nun der Eindruck, den Werke
holländischer Meister auf uns ausüben? •— Be-
finden wir uns in dem Heimatlande dieser
Meister, so wird schon das ganze uns umgebende
Leben dazu beitragen, uns in die rechte Stimmung
zu versetzen, — die Lebensweise und Lebens-
art wird zum Milieu —•, die Kunst umgibt uns
schon, wir bewegen uns in ihr. Sobald wir den
Kunstwerken selbst näher treten, sehen wir nur
das vor uns, was wir unbewusst schon miterlebt
und mitempfunden haben: es ist für uns etwas
Erwartetes. Greifen wir, um klarer zu sehen,
zu einem Beispiele.
Die ernsten und stillen Werke des grossen
Israels, sei es dass sie uns das Leben und den
Wandel der in öder Gegend in strenger Arbeit
schaffenden Menschheit schildern, sei es, dass
sie dem harten Berufe des Fischerlebens oder
dem geschäftig handelnden Treiben seines aus-
erwählten Volkes gewidmet sind, sie alle atmen
die Kraft des innern Volkscharakters und wir
schliessen uns gleichsam mit den handelnden
Personen zu einem Ganzen zusammen. In den
Hauptwerken dieses Meisters finden wir das,
was den Adel des Werkes ausmacht: die Seele
des Menschen. — Im Hintergründe tauchen bei
mir alle jene Bilder ähnlichen Vorwurfs und
Inhalts auf, die so viele gute und fleissige Maler
geschaffen, die in der Meinung, dass, wenn man
der Äusserlichkeiten genug in ein Bild getragen,
diese Arbeit hinreichend Vorzüge in sich trüge.
Treten wir aber vor eine Arbeit unseres hollän-
dischen Meisters, so ahnen wir die Seele; das
Werk tritt aus seinem Rahmen zu uns heran,
es umfängt uns und wartet nicht darauf, bis
wir selbst uns entschliessen, uns ihm hinzugeben.
Es ist klar, dass nur eine grosse Kraft im-
stande sein kann, diese Wirkung in uns hervor-
zurufen, und auch bei vielen seiner jüngeren
Kollegen ist die Hauptsache, die innere Er-
regung, nicht zur Geltung gekommen. Viele
Figurenmaler haben wohl in dem Kolorit noch
sattere Wirkung erzielt, aber an Innerlichkeit
haben sie bedeutend verloren. Und gerade
letztere, eine echt germanische Eigenschaft,
macht den Geist und Wert des Werkes aus.
Wenn ich vorhin einen Namen der Grossen
im Reiche der Figurenmalerei nannte, so muss
ich jetzt zweier Genossen, Landschafter, ge-
denken, die, beide einer Epoche angehörend, zu
den ersten Meistern des vergangenen Jahrhunderts
zählen: Antoni Mauve und Jakob Maris.
Zu einer Zeit, da wir in Deutschland noch
vielfach dem guten Rezept huldigten, Schatten
mit einem dunklen Umbra- oder Sienna-Ton hinzu-
streichen und darauf den lokalen Lichtton hin-
zusetzen, hat Mauve seine unvergänglichen
silbrigen Landschaften geschaffen. Hauptsächlich
dem Strand- und Fischerleben entnommen,
finden wir auch Waldmotive, einfache Gehöfte,
ruhig sich hinziehende Kanäle mit trägen Schiffen
und immer treffender Staffage. — Satter im
Ton und breiter in der Empfindung ist Jakob
Maris; sein Kolorit ist voller und tiefer;
seine Werke stimmen ruhiger, ernster. Beide
Meister vereinigen in sich die Vorzüge der
grossen Niederländer des 16. und 17. Jahrhunderts,
aber man möchte sie noch höher stellen, sie
bringen uns, was wir bei den Altvordern ver-
missen, als Neues eben hinzu die Perspektive
des Raumes, die Luftperspektive. Und man
möchte die etwas paradox klingende Ansicht
aufstellen, dass sie mehr an Pieter de Hooch
und Vermeer anknüpfen, als an Ruysdael und
seinen Genossen. Was bei beiden typisch,
ist die Weichheit der Atmosphäre, der Duft
der alles umspielenden weichen Luft. Verbunden
mit einer malerisch empfindenden Zeichnung,
geben sie uns das Beste, was Kunst uns zu
bieten vermag. Ihr Können wirkte segensreich
und befruchtend auf die ihnen folgende Generation
und baut sich die derzeitige Schule der hollän-
dischen Landschafter auf ihrer Grundlage weiter
zu einem grünenden Kunstzweige aus.
Wenngleich in dieser kurzen Abhandlung
die einzelnen Personen nur benutzt sind, um
die Begriffe zu verdeutlichen, so kann ich doch
345
Sophie Jansen Grothe, Amsterdam.
Cineraria. Aquarell.