„Zur Mohrhalde“, Wohnhaus Hans Sandreuters in Riehen:
„Loggia“.
sozusagen neue Techniken abgelauscht. Im Auf-
gang neben der Steintreppe im Innern seines
Hauses läuft z. B. ein Fries mit Kastanienblättern:
da hat Sandreuter einfach wirkliche Blätter leicht
mit Farbe bestrichen und hat sie gelb auf den
grünen Fond des Frieses hingeklatscht, natürlich
mit feinstem Verständnis für dekorative Vertei-
lung und Wirkung, so dass hier in einem Augen-
blick aus der Hand des Künstlers heraus „Stil“
wurde, was noch Sekunden vorher Natur ge-
wesen war. Ähnlich ist Sandreuter mit den
Pssanzenmotiven für seine Flachschnitzereien ver-
fahren, die er als Tür-, Wand- und Schrank-
füllungen verwendet hat. Wer zur Zeit der
Vollendung seines Hauses zu ihm kam, sah ihn
eifrig in Tannenbretter schnitzen, die dann ge-
beizt wurden: Es war die Abenderholung des
unermüdlich Tätigen, der damals seine Tage
vom frühen Morgen bis zur Dämmerung den
grossen Entwürfen und Vorzeichnungen zu den
Mosaiken im Landesmuseum zu Zürich und zu
den Riesenglasfenstern im Bundesrathause zu
Bern widmete. Auch Töpfer ist er damals ge-
wesen, und zwar hat er wundersam simple Ofen-
kacheln mit einem Eulen- und einem Staren-
motiv modelliert. Auch die Decken seiner Zim-
mer hat er selbst dekoriert, leicht, mit farbigen
Blatt- und Blumenornamenten, die geschickt mit
viel Weissem wechseln, so dass diese farbigen
Plafonds nirgends drücken, sondern dass überall
der Eindruck des Freien und Luftigen gewahrt
bleibt. Neben den Pssanzen- hat er auch Tier-
motive zur Flachschnitzerei verwendet: Fische,
Heuschrecken, Krebse, Schmetterlinge, Sala-
mander, und zwar ist es überraschend, wie er
jedem dieser Tiere das grosse Wesentliche seiner
Form und seiner Bewegung abgewonnen hat.
Um nun einiges Einzelne, besonders Gelun-
gene zu nennen, möchten wir zunächst im Wohn-
zimmer den reizenden Kaminwinkel erwähnen,
der durch eine in harmonisch polychromierte
Architektur gefasste, frischeste echte Sandreuter-
Landschaft belebt wird; daneben die heimelige
Ofenbank, und am Ofen selbst die genannten
Vogelmotive. Neben dem Ofen eine Tür mit
einfachen, ssachgeschnitzten, leicht gefärbten
Blatt- und Blumen-Ornamenten, dann der Fries
mit dem Heuschrecken-Motiv; er pssanzt sich als
Schmetterlingsfries fort unter ein weiträumiges
Büchergestell, ein reizend frei komponiertes
Möbel; im selben Raum dann ein dreiteiliger
Ruhesitz mit drei in Mohn-Motive gestellten ssach-
geschnitzten Runddekorationen, Meisterwerken
Sandreuterscher Figurenzeichnung. Darüber der
Wahlspruch des nach langer Verkennung und
rastlosem Ringen endlich Glücklichen: „Per
spinas ad rosas.“ Ein ähnlicher Winkel findet
sich im Esszimmer; dort ist die Rückwand des
Sofas mit Blumen-Ornamenten von ganz beson-
derer Eleganz und Natürlichkeit geschmückt.
Auch der Teppich vor dem Möbel ist ein Werk
Sandreuters: er wurde zum Jubiläum von Basels
Eintritt in den Schweizerbund komponiert (1901).
Das Hauptstück aber ist in diesem Raume das
Büfett. Es ist um eine Tür herumgebaut und
in den Grundformen ausserordentlich einfach.
Ganz besonders originell sind daran die Beschläge
und die Flachschnitzereien; in den letzteren ist
ein Fischmotiv (Hecht) prächtig gross und dabei
humorvoll verwendet, und ebenso schlicht und
doch voll echten „organischen“ Stiles sind die
Pssanzen-Elemente gegeben. Die Inschrist „Alles
ze siner Zit“ weist darauf hin, wie weise und
nüchtern Sandreuter gelebt hat.
Aber — „Wenn das Haus fertig ist, so kommt
der Tod,“ sagt ein türkisches Sprichwort. Sand-
reuter hat nur kurze Zeit in seinem schönen
Heim mit seiner jungen Gattin glücklich sein
können. Eben als er aus alten Topfscherben
an die Aussenwand seiner Loggia geschickte,
grossgesehene, dekorativ ungemein wirksame
Pssanzen-Ornamente mosaiziert hatte und da und
dort noch in freien Stunden an seinem Heim
änderte und ausfeilte, raffte ihn, den kaum
Fünfzigjährigen, am 1. Juni 1901 der Tod dahin.
Nun, er hat Werke hinterlassen, die über
ihn hinausdauern, und unter diesen ist sein
Haus „Zur Mohrhalde“ eines der besten, weil
es die tieie innere, so echt künstlerische Har-
monie seines Wesens in voller, wohltuender
Intimität offenbart. Albert Gessler.
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