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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Deiters, Heinrich: Wanderung in Westfalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0246

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Quellgebiet der Ems und der Lippe, welch
letztere, schon nahe ihrer Quelle, die von
Süden aus den Bergen kommende Alme auf-
nimmt. An ihrem Zusammenssüsse hat man in
früheren Zeiten das römische Aliso zu finden
geglaubt, weil dort von alters her eine Befesti-
gung gestanden hat, und hat den Namen mit
dem benachbarten Dorfe Elsen in Zusammenhang
gebracht. Diese Fabel scheint heute durch die
neuesten Forschungen endgültig beseitigt zu sein,
seitdem man Haltern an der Lippe und ihrem
Zussusse der Stever als die römische Befesti-
gung erkannt hat. Nördlicher als die Lippe ent-
springt in der Senne die Ems, und ihr Gebiet
in der Ebene zeigt einen ganz andern Charakter
als die bisher durchwanderten Höhen. Zunächst
ist die Senne arm, und ihre Armut erinnert noch
an die Verheerung des Landes durch Germani-
cus nach Tacitus-Berichten. Aber etwas weiter
westwärts liegen, umgeben von rotblühender
Heide, Gehöfte und Ortschaften, die mit ihren
alten Eichenbeständen und den fruchtbringenden
Feldern erst wie üppige Oasen wirken, um sich
später immer dichter aneinander zu reihen.

Hof Valepage, Delbrück.
Aufnahme Baurat Ludorff.
(Bau- und Kunstdenkmäler in Westsalen.)

Die charakteristischste von allen ist das große
Dorf Delbrück. Reiche Bauernhöfe, umstanden
von schwarzgrünen Eichen, ragen aus gelben
Saatfeldern hervor, und schwellender Wiesen-
grund ist belebt mit schönem Vieh und Herden
von Gänsen. Auch geschichtliche Erinnerungen
hat der Ort. Vom Tegethofe stammt der Öster-
reichische Admiral, und auf dem Sporkshofe
wurde der berühmte Kaiserliche Reitergeneral
Graf von Spork geboren. Man hielt hier sehr
auf alte Sitten und Gebräuche, wie sich auch
heute noch, wenigstens bei den Frauen und
Jungsrauen, eine bestimmte Tracht erhalten hat.
Tatsächlich wurde hier, noch bis in das 19. Jahr-
hundert hinein, das Gericht am Freistuhl abge-
halten. Das Urbild von Immermanns „Oberhof“
ist in Delbrück zu finden. Doch soll damit nicht
gesagt sein, daß die Bauernhöfe auf der Soester
Börde oder weiter unten im Münsterlande
andere Zeichen böten. Nein, im großen und
ganzen finden wir denselben Charakter. Nur
zeigt die Eigenart des Münsterlandes, daß alle
Höfe weit im Lande herum einzeln liegen und
nur wenige Häuser das Kirchdorf zu bilden
pssegen, solche Züge des Menschen am
stärksten, welche dem Einsamen und
Monotonen im Leben entspringen. Ich
will versuchen, einen solchen Hof zu
schildern, zu dem man nicht auf
Kommunalwegen gelangt, sondern nur
auf Privatwegen, die den einen Bauern
auf die Gefälligkeit des andern ver-
weisen.
Kleiner oder größer, ist das Haupt-
haus des westfälischen Bauernhofes von
dem nicht sehr verschieden, welches
schon Homer beschreibt. Ein mächtiges
Dach, heute meist roter Ziegel, da die
moosbewachsenen Strohdächer den An-
ordnungen der Behörden meist gewichen
sind, bedeckt ein verhältnismäßig nie-
driges Haus. An den Giebelspitzen trägt
das gekreuzte Holzwerk die Nachahmung
von Pferdeköpfen. Vorn führt das mäch-
tige Scheunentor auf die Diele, in der
sich rechts und links die Ställe für


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