Schloss Herten.
Nach einem Aquarell
von H. Deiters.
wird, nicht nur für diese großartige Betriebs-
tätigkeit der gesamten Industrie, sondern auch
als bewegende Urkraft übertragen wird in die
weitesten Länder. Was bloß in den letzten
2 Jahren der Erfindungsgeist und der eiserne
Fleiß hervorgebracht, das hat die Ausstellung
in Düsseldorf 1902 auf alle Zeiten in die Tafeln
der Geschichte eingeschrieben.
Immer weiter nordwärts schiebt sich diese
Industrie in das sonst so stille und heidereiche
Münsterland hinein. Immer weiter nordwärts
dringt die Aufschließung der Erde, um ihr die
schwarzen Diamanten, die Steinkohlen, abzuge-
winnen.
Wo früher das Hochwild in den Waldungen
sich sicher fühlte, wo der Ackerbau und die
Forstwirtschaft allein ihrer ruhigen Tätigkeit
sich hingaben, da wächst es Schlot an Schlot
und scheint allen Frieden verdrängen zu wollen,
der hier von alters her über dem Lande lag.
Die alten Geschlechter, die seit Jahrhunderten
auf ihren alten Wasserburgen sitzen, werden
beunruhigt. Sie können sich in dieses unstäte
Hasten nach Gewinn nicht hineinfinden. Wenn
auch ihr Grund und Boden im Werte wächst,
wenn auch Gewinne ihnen zufallen, die sie
sonst nie errungen hätten, ihnen gilt doch das
Leben etwas mehr, als bloß das Jagen nach
Geldeswert. Sitzen doch auch sie mit dem-
selben Heimatsgefühle auf der Scholle, wie jeder
kleine Bauer auf der seinen. Ihrem Denken
ist anderer Erwerb als der Gewinn, der ihnen
aus dem Grund und Boden über der Erde er-
wächst, von jeher fremd gewesen und darum
wird es ihnen schwer, sich an das Neue zu ge-
wöhnen.
Der spezifisch münsterländische Bauernhof
bildet mit seinen Äckern und Wiesen meist ein
geschlossenes Ganzes. Die Felder waren früher
noch mit Wallhecken umfriedigt, die einen
großen Teil von Grund und Boden in Anspruch
nahmen. Bezüglich der Gebäude habe ich schon
früher Ausführlicheres gesagt. Außer den Wiesen
und Äckern hat aber auch der kleinste Hof seine
Waldparzelle für das dem Hofe nötige Holz.
Wo noch sonst Platz ist, besonders am Hofe
selbst, pssanzt der Bauer Bäume, oder die gütige
Natur läßt den Samen der Eichen, Erlen oder
der Birken dahin ssiegen, damit er von selbst
aufgehe zum Baume. Das gibt dem Lande
einen eigenartigen und reizvollen Charakter.
Man sieht selten größere Flächen, und der Hori-
zont ist auch da, wo nur bäuerlicher Besitz
keine größeren Waldungen vorkommen läßt,
stets mit Baumlinien belebt. Denselben Charakter
des Abgeschlossenen wie die Bauernhöse tra-
gen die Edelhöfe. Den Schloßbauten, meist in
grauer Vorzeit als Wasserburgen erbaut, sind
die Nutzgebäude aller Art angeriehen. Nicht
bloß Stallungen, Ökonomie.gebäude usw., sondern
auch eine Mühle gehört meist dazu. Garten
und Park umgibt der Wald, den man gern in
der nächsten Nähe hat, teils der größeren Ab-
geschlossenheit halber, teils auch, um dem
Wilde einen Schlupfwinkel zu verschasfen. Die
Häuser, aus allen Jahrhunderten stammend, sind
selten mit modernem Luxus ausgestattet, aber
um so behaglicher eingerichtet, als auf die Er-
innerung an die Voreltern der größte Wert ge-
legt wird. Dieses pietätvolle Aufbewahren alter
Möbelstücke und Kunstwerke hat allerdings zur
Folge, daß sich für das Neue kein Platz bietet.
Da der Gutsherr auf seine Erträge angewiesen
ist, die ihm der Himmel gönnt, und da er aus
seine Pächter auch nach alter Gewohnheit große
Rücksichten zu nehmen hat, so kann er mit
seinen Einkünften nicht solche Sprünge machen,
wie der schnelle große Gewinn in industriellen
Unternehmungen dies zuläßt. Ausserdem be-
trachtet sich der, meist aus dem Rechte der
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