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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Deiters, Heinrich: Wanderung in Westfalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0255

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Dom nach Hildesheim gebracht habe. — Es ist
die Säule von Kalksinter, die seit Jahrhunderten
den Namen Irmensäule trägt und vor dem Haupt-
altare steht. ■—-
Eine mächtige Wallburg ist indessen auf den
ersten Blick zu erkennen, aber man findet auch
andere Reste. Diejenigen, welche das Vorhanden-
sein von Gemäuer bestritten haben, mögen mir
verzeihen, daß ich dort einen Mauerrest von
ganz regelmäßiger Breite in der Länge von etwa
100 m und der Richtung von Westen nach Osten
gefunden habe.
Ich stieg bei drohendem Gewitter aufwärts
und erreichte unter Donner und Blitz die Höhe,
auf welche der Regen in Strömen hernieder-
prasselte. Oben steht der Grenzstein zwischen
den Ländern Preußen, Lippe und Waldeck. Dort
öffnet sich die Burganlage, wo ich im Grase
die Mauerspuren fand. Ich folgte diesen, unter
niederem Buschwerk vorankriechend, bis zum
Abhange des Plateaus. Da durchbrach mit
goldigem Lichte hinter mir die Sonne plötzlich
das Gewölk und beleuchtete die gegenüberliegen-
den Höhen bei Pyrmont in strahlendem Glanze.
Seitwärts fiel noch ein heller Schimmer auf die
Kilianskapelle bei Lügde und über dem Ganzen
spannte sich ein ungeheurer doppelter Abend-
Regenbogen von einer Farbenpracht, daß ich wie
geblendet dastand. Es war ein unvergeßlicher
Augenblick, so fesselnd, daß ich darüber ver-
gessen habe, die Mauerreste der Burg mit dem
Zollstock nachzumessen. Das werden hoffentlich
andere besorgen.


Denkmal des Grossen Kurfürsten
auf der Sparrenburg bei Bielefeld.
Aufnahme Haeyn-Wilms, Bielefeld.

W aldesstimme.
Wie deine grüngoldnen Augen funkeln,
Wald, du moosiger Träumer!
Wie so versonnen deine Gedanken dunkeln,
Einsiedler, schwer von Leben,
Grüngolden wohliger Tagesversäumer!
Über der Wipfel Hin- und Widerschweben —
Wie’s Atem holt und näherbraust —
Und weiterzieht —
und stille wird —
und saust!
Über der Wipfel Hin- und Widerschweben
Steht hoch droben ein ernster Ton,
Dem lauschten tausend Jahre schon
Und werden tausend Jahre lauschen,
Und immer dieses starke, donnerdunkle Rauschen. —
Peter Hille, Schlachtensee bei Berlin.
Sommernacht.
Zuweilen gehst du noch durch meine Träume,
Wenn blau die Mondnacht überm Korn sich wiegt.
Wenn durch den schweren Duft der Lindenbäume
Verschlafen nur ein müder Falter fliegt.
Nun wächst dein Bild in meiner Seele Tiefen,
Aus frühen Tagen ist ein Klang erwacht,
Und tausend Wunder, die vergessen schliefen,
Blühn wieder in der Schönheit dieser Nacht. —
Wilhelm Uhlmann-Bixterheide, Dortmund.

Julitag.
Der reife Weizen steht im Sonnenbrand —
Die vollen Ähren streif ich mit der Hand.
Die schweren Häupter beugt ein leiser Hauch —
Und meine Stirne beug ich schauernd auch.
Tiefblaue Sommerstille nah und weit —
Das Leben schweigt und harrt der Erntezeit.
Lulu von Strauss-Torney, Bückeburg.
Amaryllis.
Wie im Frost die kahlen Äste zittern!
Draussen Wintersturm und Schneegessimmer.
Drinnen recken Stille sich und Wärme,
Und der Frühling ist in meinem Zimmer.
An dem Fenster sieht die Amaryllis,
Die sie sorgsam mondelang gezogen.
Von den grossen feuerfarbnen Kelchen
Ist der schlanke Stengel leicht gebogen.
Langsam, leise naht sie auf den Zehen.
Fürchtet sie, die Blume zu erschrecken?
Zärtlich streichelt sie die schmalen Blätter,
Hofft und bangt, sie könnt das Wunder wecken.
Und sie steht und staunt und sinnt und lächelt,
Und ihr Antlitz glüht in heilgem Schimmer.
Wissen möcht ich, was sie heimlich ssüstert —
Still, der Frühling ist in meinem Zimmer.
Jacob Loewenberg, Hamburg.

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