DOI Heft:
Sonderheft
DOI Artikel:Petri, Julius: Mutterlohn
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0259
ihren Jüngsten, ihren Brnolb, an, ber so seelen-
gleich bie anberen anstarrte unb bei jebem Sähe,
ben ein Bruber sprad), oergnüglid] in [ich hinein-
lachte, als wäre es ein trefflicher Spaß. Das aber
tat ber Blutter weh, benn sie salj wohl, es waren
nicht lächerliche Dinge, bie ihre Säste oerhanbelten.
So ging es fort. War ber eine ober ber anbere
ber Söhne allein mit ihr, so wußte er siel) liebe-
ooll mit ber Blutter zu beschäftigen; waren sie
aber mehrere zusammen, so ging bas Gespräd]
über ihr fjaupt unb bas bes Jüngsten hinweg. Unb
als bie alte Frau bas erkannte, ba kam eine tiefe
Bitternis in ihre Seele. Wäljrenb bie Unterhaltung
hoch ging unb bie Scherzworte flogen, saß sie zu-
sammengekauert im Kreise ber Ihren unb bachte
mit tiefem Weh, wie es möglich sei, baß bie, bie
sie mit Schmerzen geboren, benen sie mit unsäg-
lieber Blühe ben sebensweg geebnet hatte, baß
bie nun non ihr abgekehrt waren, ihre Wünsche
nicht mehr oerstanben unb sie ihrem Fühlen ent-
frembet hatten.
Tiber mit ber unenblidjen Gebulb, bie ber
fjimmel ihr oerliehen hatte, fügte sie siel] auch in
biesen Perlust, ben herbsten, ber sie je betroffen,
unb warf einen Blick voll unsäglidjer Hebe auf
ihren Rrnolb, bessen Buge in blöber Bewunberung
am Blunbe ber großen Brüber hing.
Um Hbenb bes Geburtstages hatte ber Professor
alle Freunbe unb Bekannten ber Familie gelaben,
auch ben Pastor fjolzer, ber gleidjfalls alt unb grau
geworben war. Bis man nun in vergnügter Stim-
mung beim Weine saß, ba stanb ber greise 6eist-
liehe auf unb sprad] fast mit benselben Worten
wie oor mehr als breißig Jahren, welche zwar
große unb sdjwere, aber bodj Jctjöne unb ertjebenbe
Bufgabe ber Dater im ljimmel ber Jubilarin fürs
Ceben gestellt habe, sieben Söhne zu seiner Cljre
zu erziehen 1 Unb ein großer unb sdjöner Cohn
sei ihr aud] bcsdjieben: Im Blitgenusse bes Glückes
aller ihrer Kinber einen reinen unb ungetrübten
Eebensabenb zu genießen! -
Da aber brückte bie alte Frau ihr kummer-
burchfurdjtes Bngesictjt in bie Fjänbe unb weinte
bitterlich. —
437
Adolf Schönnenbeck.
Schlafender Bauer.
gleich bie anberen anstarrte unb bei jebem Sähe,
ben ein Bruber sprad), oergnüglid] in [ich hinein-
lachte, als wäre es ein trefflicher Spaß. Das aber
tat ber Blutter weh, benn sie salj wohl, es waren
nicht lächerliche Dinge, bie ihre Säste oerhanbelten.
So ging es fort. War ber eine ober ber anbere
ber Söhne allein mit ihr, so wußte er siel) liebe-
ooll mit ber Blutter zu beschäftigen; waren sie
aber mehrere zusammen, so ging bas Gespräd]
über ihr fjaupt unb bas bes Jüngsten hinweg. Unb
als bie alte Frau bas erkannte, ba kam eine tiefe
Bitternis in ihre Seele. Wäljrenb bie Unterhaltung
hoch ging unb bie Scherzworte flogen, saß sie zu-
sammengekauert im Kreise ber Ihren unb bachte
mit tiefem Weh, wie es möglich sei, baß bie, bie
sie mit Schmerzen geboren, benen sie mit unsäg-
lieber Blühe ben sebensweg geebnet hatte, baß
bie nun non ihr abgekehrt waren, ihre Wünsche
nicht mehr oerstanben unb sie ihrem Fühlen ent-
frembet hatten.
Tiber mit ber unenblidjen Gebulb, bie ber
fjimmel ihr oerliehen hatte, fügte sie siel] auch in
biesen Perlust, ben herbsten, ber sie je betroffen,
unb warf einen Blick voll unsäglidjer Hebe auf
ihren Rrnolb, bessen Buge in blöber Bewunberung
am Blunbe ber großen Brüber hing.
Um Hbenb bes Geburtstages hatte ber Professor
alle Freunbe unb Bekannten ber Familie gelaben,
auch ben Pastor fjolzer, ber gleidjfalls alt unb grau
geworben war. Bis man nun in vergnügter Stim-
mung beim Weine saß, ba stanb ber greise 6eist-
liehe auf unb sprad] fast mit benselben Worten
wie oor mehr als breißig Jahren, welche zwar
große unb sdjwere, aber bodj Jctjöne unb ertjebenbe
Bufgabe ber Dater im ljimmel ber Jubilarin fürs
Ceben gestellt habe, sieben Söhne zu seiner Cljre
zu erziehen 1 Unb ein großer unb sdjöner Cohn
sei ihr aud] bcsdjieben: Im Blitgenusse bes Glückes
aller ihrer Kinber einen reinen unb ungetrübten
Eebensabenb zu genießen! -
Da aber brückte bie alte Frau ihr kummer-
burchfurdjtes Bngesictjt in bie Fjänbe unb weinte
bitterlich. —
437
Adolf Schönnenbeck.
Schlafender Bauer.