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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Sonderheft
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Lübke, Wilhelm: Westfälische Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0274

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Seitenaltar in der evangelischen Kirche zu Schwerte.
Aufnahme Baurat Ludorsf.
kapelle zu Ober-Marsberg. Welch gewaltiger
Fortschritt in diesen Leistungen der Frühzeit
des XIII. Jahrhunderts sich kundgibt gegen die
Arbeiten der Mitte des XII. Jahrhunderts, erkennt
man bei einer Vergleichung derselben mit den
äußerst befangenen, mehr gezeichneten als skul-
pierten Kapitäl-Ornamenten in der Marienkirche
zu Dortmund. Andere Orte, wie Soest, bleiben
dagegen in dieser Beziehung zurück, entschädigen
jedoch dafür durch große Originalität und Mannig-
faltigkeit der Gesamt-Konzeptionen.
Noch einige Worte müssen wir der Chor-
anlage widmen. Hatte der Chor der hieratisch
bedingten Basilika sich als Sitz der Geistlichkeit
auch durch die Kryptenanlage hoch über den
übrigen Teil der Kirche erhoben, so fiel jetzt
mit der Krypta diese Erhöhung fort und redu-
zierte sich auf wenige Stufen. Der Chor trat
in nähere Beziehung zum Schiffe, die Geistlich-
keit in innigere Wechselverbindung mit der Ge-
meinde. Da man überhaupt in höherem Grade
auf die Laien Rücksicht nehmen mußte, mochte
nun ein Kapitel bauen, oder eine Gemeinde sich
selber ein Gotteshaus errichten, so mußte auch
die Krypta, deren Dunkelheit und geringe Aus-
dehnung sie für den Kultus der Gemeinde un-
brauchbar machte, als unnötig wegfallen. Schon
in romanischer Zeit bereitete sich diese Um-
wandlung vor; die Leiber der Heiligen wurden
der Gruft enthoben und in kostbaren sarkophag-
ähnlichen Schreinen auf hohem Altar der Ver-
ehrung der Gläubigen ausgestellt.
Teilt Westfalen dies Verhältnis mit allen
andern Ländern, so zeichnet sich dagegen sein

Chorbau dadurch vor dem anderer Gegenden
aus, daß der rechtwinklige Abschluß wieder auf-
genommen und mit wenigen Ausnahmen an
allen Kirchen der Übergangszeit durchgeführt
wird. Wie es scheint, wollte man hierin der
Tradition treu bleiben; denn so einfach an sich
solche Choranlagen sind, so erhalten sie doch
in dieser Zeit durch Wandarkaden, Blendbogen,
die auf Säulchen mit zierlich reichem Kapitäl
sich erheben, sowohl nach innen als nach außen
reizvolle Belebung.
Das Äußere überhaupt liebt man in dieser
Epoche durch Lisenen, Säulchen, Bogenfriese,
durch Säulen an Fenster- und Portalwänden,
durch prächtige Radfenster zu höherer Ausbil-
dung zu entfalten. Dennoch sind alle west-
fälischen Gebäude auch in dieser Zeit weit ent-
fernt von dem prachtvollen Glanze rheinischer
Kirchen mit ihren gleich dunklen Kränzen die
Stirn des Baues umgebenden Galerien und der
vieltürmigen malerischen Gruppierung. Ja, der
Turmbau, analog der Entwicklung des Lang-
hauses selbst, wird auf ähnliche Vereinfachung
zurückgeführt. Bei der Basilikenanlage waren
die beiden westlichen Türme nicht minder als
der Kuppelturm der Kreuzung bedingt durch den
Plan der Kirche. Jene legten sich vor die nie-
drigen Seitenschiffe und schlossen gleich diesen,
kräftiger jedoch, den Mittelbau ein; dieser be-
zeichnete weithin die bedeutsame Kreuzform des


Das Osthofentor zu Soest.
Der ganze Bau imponiert durch seine Grösse und zierliche
Anlage, und beweist, wie jene mächtigen mittelalterlichen
Städte schon dem Nahenden durch den Eindruck eines
imposanten Torgebäudes das Ansehen und die Blüte ihres
Gemeindelebens entgegenzuwinken liebten. (Lübke.)

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