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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Schröder, Ludwig: Die westfälische Dialektdichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0280

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Rittergut des Grafen Galen, Assen, Kreis Beckum.
Aufnahme Baurat Ludorff.

bisweilen derb, breit und weich, gegenüber dem
Hochdeutschen um einen Schatten phlegmatisch-
melancholischer, während jenes wiederum san-
guinisch-cholerischer erscheint. Mit breitem, saf-
tigem Pinsel malt die Sprache das Gedanken-
bild, die Farben sind gedämpfter als beim Hoch-
deutschen, spitze scharfe Töne fehlen, die Konso-
nanten r, s, t sind seltener, vollends der Vokal i.
Die Sprache versetzt uns aus den süd- und
mitteldeutschen Bergländern in die norddeutsche
Ebene. Da rauscht die Linde im Winde, aber
auch die Eiche im Sturme, und so ist der Ton
der Sprache traulich und anheimelnd, ohne zu
seiner Zeit die erhabenen Laute vermissen zu
lassen.
Den westfälischen Dialektschriststellern ist
im allgemeinen nachzurühmen, daß sie bemüht
waren, den Dialekt möglichst rein zu halten von
hochdeutschen Ausdrücken und Wendungen,
auch haben fast alle ihren besonderen heimischen
Dialekt mit großer Treue wiederzugeben ver-
sucht. Infolgedessen bietet die Lektüre ihrer
Werke aber auch größere Schwierigkeiten, und
darauf ist es wohl zurückzuführen, daß man
außerhalb Westfalens nur wenig weiß von dem
großen Schatze westfälisch-niederdeutscher Dich-
tung.
Von den älteren Dichtern sei hier nur Frie-
drich Wilhelm Grimme erwähnt, weil der Inhalt
seiner zahlreichen Bücher heute noch so frisch
ist wie zur Zeit ihres ersten Erscheinens vor
mehreren Jahrzehnten. In den Sammlungen
„Schwänke und Gedichte in sauerländischer
Mundart“, „Grain Tuig“, „Galanterey-Waar“
usw. lernt der Leser einen heiteren Sauer-
länder kennen, dem die Zunge recht lose im
Munde liegt, der mit schnellem Blick die Blöße
des Gegners entdeckt und ihm ein treffendes
Scherzwort anhängt. Grimme ist ein Meister

der Charakteristik. Lebendig stehen sie vor uns,
die Klugen und die Törichten, der Einfältige
und der Überlegene, der Ärgerliche, der Schalk-
hafte, der Gefoppte. Der Dichter ist schon
lange tot, aber er lebt in seinen Schriften.
Den Typus des westfälischen Pfahlbürgers
von echtem Schrot und Korn hat Hermann
Landois in seinem vielbändigen „Frans Essink“
festgehalten. Diese Philister, diese Originale,
an denen die alten westfälischen Städte so reich
waren, sind heute fast ganz ausgestorben. Frans
Essink ist ein wahres Prachtexemplar. Landois
zeichnet in grober Holzschnittmanier und schwingt
recht oft unerbittlich die satirische Geißel. Sein
Werk ist ein nach allen Seiten hin ausgeführtes
Kultur- und Sittenbild aus der Hauptstadt der
Provinz geworden, befriedigt anspruchsvollere
Leser aber nur in den beiden ersten Bänden,
von denen wiederum der erste in jeder Beziehung
am höchsten steht und den reinsten Genuß ge-
währt. Hier ist freilich, wie Robert Hamerling
schrieb, ein Humor, eine Frische und Wahrheit
der Lebensdarstellung, die keinen Vergleich
herausfordern, sondern in ihrer Art selbst ein
Eigenstes und Bestes sind.
Eine Würdigung Ferdinand Krügers, des
größten westfälischen Dialektdichters, soll diese
kurze Übersicht abschließen; “deshalb sei hier
nur sein Name genannt. — Augustin Wibbelt
ist der Naturalist unter den westfälischen Dialekt-
dichtern, aber ein Naturalist mit gesundem
Humor, und das ist etwas Seltenes. Sein Humor
liegt wie lachender Sonnenschein über den Bil-
dern menschlicher Erbärmlichkeit und Torheit,
die mit kräftigen, klaren Strichen gezeichnet
sind, freilich, wie das seine Stoffe erheischen,
auch oft mit dem Stift des Satirikers. Mit
lachendem Munde recht bittere Wahrheiten
sagen, das versteht Wibbelt aus dem ff. Er
schildert Zustände, die wohl jeder kennt, er
sagt Wahrheiten, die jeder weiß; aber wie er
sie sagt, das ist’s. Sein Humor ist derb wie
das Brot der Westfalen; aber er ist auch so
gesund wie der Pumpernickel. Diese kurze
Charakteristik bezieht sich in erster Linie auf
Wibbelts Erstlingswerk „Drüke-Möhne“; in den
folgenden, von denen ich nur „Wildrups Hoff“
nenne, ist ein neuer Zug, ergreifender Ernst,
hinzugekommen, und der Humor ist tiefer ge-
worden. Es soll nicht verschwiegen werden,
daß Wibbelt seinen katholischen Standpunkt
manchmal zu scharf betont und dann, statt den
Nagel auf den Kopf zu treffen, tüchtig daneben-
haut; aber ehrlich ist er immer und auch wahr-
haftig nicht blind für Fehler im eigenen Lager,
die er unerbittlich bloßlegt. Von ihm ist jeden-
falls noch manches Gute zu erwarten.
Ähnlichem Humor wie in Wibbelts „Drüke-
Möhne“ begegnen wir in den zahlreichen Büchern
Karl Prümers. Sein erstes Werk „De west-
fälische Ulenspeigel“ ist auch sein bestes. Von

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