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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Hille, Peter: Zwei Szenen aus: "Der Sohn des Platonikers"
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0295

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einem Weibe und den Kindern, die sie dir
gebar, weil dir die Ehe zu sseischlich er-
schien. Und als das Unrecht geschehen, da
fühltest du das Verkehrte und — verstießest
dein Weib, und deine Kinder wuchsen auf
in so einer Art Willkürliebe, ohne Hegung.
Deine Empfindungen zu ihnen waren falsch,
wie ihre Zeugung falsch gewesen, falsch
geworden durch die innere Lüge. Beson-
ders dein Sohn mußte leiden, weil der
Vater eitel war, Gelehrtenerbe von ihm
verlangte und ihn enterbte, weil er das nicht
bekam. Und so durch eigene Schuld Fried-
loser des Geistes, ward er ungerecht gegen
seine Mitschuldigen, die mißratenen Kloster-
seelen, und will sie mit Stumpf und Stiel ver-
nichten, mit Feuer
und Schwert ihnen
zu Leibe. Nicht also,
lieber Bruder! Suche
selbst Frieden, und
du wirst Mitgefühl
haben mit dem Streit
und dem unseligen
Erliegen der Brüder
in Christo. Die The-
baide ist in uns, das
Paradies — kein
Kloster.
II.
Alhard von Donop:
Ehrwürdiger Vater,
der hochwürdige Abt
schickt mich, daß du
mich unterweisest
(sieht auf Petrarca).
Bruno: Mein Bruder
Franzesco Petrarca.
Donop: Ach die Leuchte
des Jahrhunderts, die
Glut, die Freiheit,
der neue Geist. Aber — ich bin ein Donop,
hieß Alhard. Mein Vetter — auch Rechte
in Bologna — stichelte, Wein glüht, Lachen
scheint, grelle, tanzende Lichter — mein
Fechten höhnte er und ich stach. Nun
steht er in der Nacht und steht im Wein.
Hier muß ich ihn bannen, oder mein Degen
sendet auch mich zur Hölle. Nehmt den
Kain, Ehrwürdiger, gebt ihm die Freistatt
wie Iphigenie dem Orestes.
Bruno: Bleib in unserm Lager. Du magst
dir eine Zelle bauen. Bis dahin zieh in
den Kelterraum. Und hast du sie fertig
gebaut deine Zelle, dann entscheide sie sich
für dich oder für deinen fester vernichteten
Nachfolger. Also geh zum Abt, mein sühnen-
der Bruder, um dein Gebet, und laß nicht ab
vom Vaterunser und gehe zum Pförtner um
den Schlüssel. Mein Gebet umschließt dich.

Donop: O, da kommt er wieder (hält sich an
Brunos Arm).
Bruno (sehr stark): In nomine Patris et Filii et
Spiritus Sancti apage Phantasia! (Dann schlägt
er über ihn das Kreuz.) So kreuzige dich, wenn
es wiederkommt, und sage: „Christi Blut!“
So geschieht nichts. Und nun geh!
Petrarca: Ihn nimmst du, und mich wirfst —
Bruno: Ja, ganz gebrochen wie er ist, wird
Welt nie wieder auf ihm wachsen. Seine
Leidenschaft hat alles mit versengt. Du,
mit fertiger, Nahrung heischender Bildung,
du mit deiner Vorsicht und deinem Ver-
standesweh und all dem einzelnen, das du
sühnen möchtest, hast die Welt nötig, daß
du dich in ihr ärgerst, an ihr dich vollendest.
Ein ernster Rückschritt
gar führt manchmal am
weitesten. So sage ich
dir, glaube ich, dein
Wesen recht. Man muß
sich wegwerfen, leiden-
schaftlich sein in Gott,
und das kannst du nicht.
Dazu bist du zu fein
und zu klug. Deine un —,
aber darum noch nicht
überirdischen Rime sind
deinesLebens künstliches
Herz und halten im
irdischen dich zurück.
Weltmann bist und mußt
du bleiben, weil du ein-
mal zu früh Geist wer-
den wolltest, bist Laie,
weil du zu viel Kleriker
immer wärest. O die Mitte
du, sie ist so gefährlich, da
zerbricht man dir alles.
Aber auch dein Gang,
Bruder, führt zu deinem
und unser aller Gotte.
Petrarca: Warum bist du eigentlich Kar-
täuser geworden? Ich war damals, wie du
weißt, noch Knabe.
Bruno: Ja, wenn man das wüßte. Damals
dachte ich es Beruf. Ich fühlte den Drang.
Wie körperlich! Nun hab ich’s mir zurecht-
legen können. Um die Menschheit lieb
behalten zu können, durfte ich sie nicht
unter den Augen behalten, mußte von ihnen
gehen. Sieh, das ist gerade, wie jemand
wohl in die Fremde geht, seine Heimat
desto inniger zu lieben. Dann freilich, aber
in schwächerer Weise, trieb’s mich, der
blühenden Unordnung der Sinne zu ent-
gehen, die man fälschlich auch wohl Liebe
nennt. Und dann lernt man sich hier in
der Stille wohl besser kennen. Da außen
vergreift man sich leicht, hält die ver-
kehrteste Eigenschaft gar für die beste, weil


Johannisteller in der Kirche zu Gimbte.
Aufnahme Baurat Ludorff.

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