von Gelehrsamkeit. Schwer kracht des
Wanderers Schritt in den sohlestechenden
Staub, die Mühsal fremder Wege. Schlimm
ist es, wenn eine Zeit verbildet und ver-
zogen ist und steif von früherem Zwange.
Das Eigene fehlt, das Fremde muß sie
tragen. (Sieht empor) Sieh mal die Sterne,
wie sie ihre blitzenden Grüße niedersenden!
Giovanni: „Blitzende Grüße“ ist sehr gut.
Walter: Sieh, so müssen auch die Sterne der
Stirn leuchten, die großen Gedanken führen-
der Geister, die müssen wiederkommen.
Wir selbst haben ja keine mehr, aber so
als Schulmeister guckt man in alle Köpfe
wie in Töpfe der Zukunft, und da findet
man vielleicht etwas. Hei, wollen wir das
aber ’rausholen, und mag der Junge noch
so vernagelt sein, und sei’s auch so ringend
und mühsam, wie das Wort des Trotzes.
Und sei es unbeholfen, wie ein Faß, ein
volles Faß die Treppe herniederrollt, als
sei’s selbst betrunken, so voller Rausch, so
voller Anschauungsrausch. Parieren sollen
dir die Jungen, besonders wenn sie Schlaf-
mützen sind, aber lernen sollen sie selbst
— nur mal ein Fingerzeig. Mit dem Willen
hapert’s, da kann man was besseres bieten,
aber die Ausfassung, die ist so frisch und
quellend, da kann der Magister von Glück
sagen, wenn er’s nur versteht. Beschränkt-
heit, dein Name ist Professor. Was küm-
mern uns Disputationen, Reden und Donat,
wo neue Dichtung herauffiebert und ein
feingeädert starkes Gefühl die Welt er-
wartet, um sie ganz zu durchdringen und
sie zu künden mit unerhörten Weisen. Bei
uns am Rhein sind sie zu leichtfertig und
leben so dahin wie — nun eben wie ich
und der Benno. Da aber im Lande der
westlichen Falen sollen sie zähe sein und
hart und fest. Und was sie mal angefangen
haben, das setzen sie durch, und ob auch
der Geier ihnen die Leber zerhackt, sie
geben nicht nach. So ein Westfale muß
auch der Prometheus gewesen sein. Nun,
gute Nacht! (Reicht Hand.) Morgen, bei Tau
und Tag geht’s zu Vater Boreas.
Giovanni: Gute Nacht, Bruder!
Walter (umarmt ihn): Gute Nacht Bruderherz
— es gehe dir wohl!
Giovanni: Gute Nacht! (Walter geht.) Aber
wo? Soll ich nach — nein, ich fiele nur
zur Last.
(Vorhang fällt.)
Mein Heimatland.
Nun blüht der Ginster auf den Heiden,
Nun blüht der Weissdorn in den Hecken,
Und aus des Kolkes Grunde strecken
Sich Schilf und Rohr und blühende Weiden.
Vom Frühlingshimmel blau umspannt.
Wie schön bist du, mein Heimatland!
In hundertjähriger Eichen Schatten
Die Hütten, stillen Höse träumen,
Umkränzt von blühenden Apfelbäumen,
Von blühenden Gärten, grünen Matten;
Und grünend wogt an Waldes Rand
Ein weites Meer, dein Ährenland!
Fern über Heide, Wald und Hügel
Ziehn leise, leise Glockenklänge,
Der Lerchen selige Lustgesänge
Still auf des Morgenwindes Flügel.
Weltabgeschieden, kaum genannt,
Wie bist du friedvoll, einsam Land!
In deinem Grunde ruht ein Feuer,
Das, sanft erweckt und treu genährt,
Erwärmt und leuchtet, — nie verheert;
Vom Sturm erfasst, ein Ungeheuer,
In stillem, ungehemmtem Brand
Dich selbst zerstört, Westfalenland!
Ein tief geheimnisvolles Wesen:
Dieselbe heiss verhaltene Glut
In deiner Kinder Herzen ruht.
Und darf sie dort zum Licht genesen,
Dann, — sei die Welt in Nacht gebannt, —
Dein ist der Tag, mein Heimatland!
L. Rasael (Hedwig Kiesekamp), Münster.
Zwischen den Halmen.
Durch reife Felder voller Dust
Ging Gott aus stillen Wegen,
Die Halme neigten körnerschwer
Sich tief im goldnen Segen.
Stand die Kapelle ganz im Korn,
Gott ist hineingegangen ....
Und über die goldene, wogende Saat
Die Sonntagsglocken klangen.
W. Lennemann, Iserlohn.
Winterlied.
Nun liegt der Schnee auf unserm Haus
Und hebt sich an unsern Türen,
Schon geht in seinem dicksten Flaus
Der alte Herr Pfarrer spazieren.
Da sind in unsern Hof geschneit
Des Sommers Abgesandten,
Ihr Antlitz blass, gessickt ihr Kleid,
Verfrorne Musikanten.
Der eine bläst die Klarinett,
Das klingt, als wollt es klagen:
Ach, wenn ich doch einen Mantel hätt,
Mich durch den Winter zu schlagen!
Die andern geigen weich und lind,
Als träumten sie von Lenzen,
Zuweilen raubt der Winterwind
Die schluchzenden Kadenzen.
Es ist mit ihrer Melodei,
Wie meines Herzens Minnen,
Längst zog mein Sommer ja vorbei
Und immer noch klingt es drinnen.
Levin Ludwig Schücking, Münster.
Mittag auf westfälischer Heide.
Die Sonne steht auf der Heide still,
Wie wenn sie nimmer gehen will.
Mittagsgluten wie Seide wehn,
So heiss, dass alle Blumen vergehn. —
Schwehlen knistern, es glüht der Sand,
Und Fingerhut brennt überm Heideland.
Am rauhen Pfad, der jäh sich verliert,
Ein Hirtenknabe die Herdssamme schürt.
Er singt ein Lied, so traurig und schwer,
Als wär sein Leben kein Leben mehr . . .
Im Ginster schnarcht der Holzhackermann,
Fliegen umsummen ihn, singen ihn an;
Herdenglocken mengen sich drein —
Bald schläft die ganze Heide ein . . .
Erlen schatten den Moorteich zu:
Hier halten die Winde Mittagsruh.
Ein Kahn, der sich in Schlamm verlor,
Äugt scheu aus schweigender Flut hervor.
Ein Christusbild in letzter Not:
Hier trank ein müder Mensch den Tod.
In duftenden Lüften verirrt ein Laut,
Der quillt aus dem Tal, wo Nebel braut.
Verschlafen stöhnt bald ein Unkenrus,
Dumpf dröhnt es bang, wie Rossehuf.
Und Birken rauschen zum Schlafen müd
Vom Leben, vom Sterben ein seltsam Lied.
Fritz Stöber, Berlin.
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Wanderers Schritt in den sohlestechenden
Staub, die Mühsal fremder Wege. Schlimm
ist es, wenn eine Zeit verbildet und ver-
zogen ist und steif von früherem Zwange.
Das Eigene fehlt, das Fremde muß sie
tragen. (Sieht empor) Sieh mal die Sterne,
wie sie ihre blitzenden Grüße niedersenden!
Giovanni: „Blitzende Grüße“ ist sehr gut.
Walter: Sieh, so müssen auch die Sterne der
Stirn leuchten, die großen Gedanken führen-
der Geister, die müssen wiederkommen.
Wir selbst haben ja keine mehr, aber so
als Schulmeister guckt man in alle Köpfe
wie in Töpfe der Zukunft, und da findet
man vielleicht etwas. Hei, wollen wir das
aber ’rausholen, und mag der Junge noch
so vernagelt sein, und sei’s auch so ringend
und mühsam, wie das Wort des Trotzes.
Und sei es unbeholfen, wie ein Faß, ein
volles Faß die Treppe herniederrollt, als
sei’s selbst betrunken, so voller Rausch, so
voller Anschauungsrausch. Parieren sollen
dir die Jungen, besonders wenn sie Schlaf-
mützen sind, aber lernen sollen sie selbst
— nur mal ein Fingerzeig. Mit dem Willen
hapert’s, da kann man was besseres bieten,
aber die Ausfassung, die ist so frisch und
quellend, da kann der Magister von Glück
sagen, wenn er’s nur versteht. Beschränkt-
heit, dein Name ist Professor. Was küm-
mern uns Disputationen, Reden und Donat,
wo neue Dichtung herauffiebert und ein
feingeädert starkes Gefühl die Welt er-
wartet, um sie ganz zu durchdringen und
sie zu künden mit unerhörten Weisen. Bei
uns am Rhein sind sie zu leichtfertig und
leben so dahin wie — nun eben wie ich
und der Benno. Da aber im Lande der
westlichen Falen sollen sie zähe sein und
hart und fest. Und was sie mal angefangen
haben, das setzen sie durch, und ob auch
der Geier ihnen die Leber zerhackt, sie
geben nicht nach. So ein Westfale muß
auch der Prometheus gewesen sein. Nun,
gute Nacht! (Reicht Hand.) Morgen, bei Tau
und Tag geht’s zu Vater Boreas.
Giovanni: Gute Nacht, Bruder!
Walter (umarmt ihn): Gute Nacht Bruderherz
— es gehe dir wohl!
Giovanni: Gute Nacht! (Walter geht.) Aber
wo? Soll ich nach — nein, ich fiele nur
zur Last.
(Vorhang fällt.)
Mein Heimatland.
Nun blüht der Ginster auf den Heiden,
Nun blüht der Weissdorn in den Hecken,
Und aus des Kolkes Grunde strecken
Sich Schilf und Rohr und blühende Weiden.
Vom Frühlingshimmel blau umspannt.
Wie schön bist du, mein Heimatland!
In hundertjähriger Eichen Schatten
Die Hütten, stillen Höse träumen,
Umkränzt von blühenden Apfelbäumen,
Von blühenden Gärten, grünen Matten;
Und grünend wogt an Waldes Rand
Ein weites Meer, dein Ährenland!
Fern über Heide, Wald und Hügel
Ziehn leise, leise Glockenklänge,
Der Lerchen selige Lustgesänge
Still auf des Morgenwindes Flügel.
Weltabgeschieden, kaum genannt,
Wie bist du friedvoll, einsam Land!
In deinem Grunde ruht ein Feuer,
Das, sanft erweckt und treu genährt,
Erwärmt und leuchtet, — nie verheert;
Vom Sturm erfasst, ein Ungeheuer,
In stillem, ungehemmtem Brand
Dich selbst zerstört, Westfalenland!
Ein tief geheimnisvolles Wesen:
Dieselbe heiss verhaltene Glut
In deiner Kinder Herzen ruht.
Und darf sie dort zum Licht genesen,
Dann, — sei die Welt in Nacht gebannt, —
Dein ist der Tag, mein Heimatland!
L. Rasael (Hedwig Kiesekamp), Münster.
Zwischen den Halmen.
Durch reife Felder voller Dust
Ging Gott aus stillen Wegen,
Die Halme neigten körnerschwer
Sich tief im goldnen Segen.
Stand die Kapelle ganz im Korn,
Gott ist hineingegangen ....
Und über die goldene, wogende Saat
Die Sonntagsglocken klangen.
W. Lennemann, Iserlohn.
Winterlied.
Nun liegt der Schnee auf unserm Haus
Und hebt sich an unsern Türen,
Schon geht in seinem dicksten Flaus
Der alte Herr Pfarrer spazieren.
Da sind in unsern Hof geschneit
Des Sommers Abgesandten,
Ihr Antlitz blass, gessickt ihr Kleid,
Verfrorne Musikanten.
Der eine bläst die Klarinett,
Das klingt, als wollt es klagen:
Ach, wenn ich doch einen Mantel hätt,
Mich durch den Winter zu schlagen!
Die andern geigen weich und lind,
Als träumten sie von Lenzen,
Zuweilen raubt der Winterwind
Die schluchzenden Kadenzen.
Es ist mit ihrer Melodei,
Wie meines Herzens Minnen,
Längst zog mein Sommer ja vorbei
Und immer noch klingt es drinnen.
Levin Ludwig Schücking, Münster.
Mittag auf westfälischer Heide.
Die Sonne steht auf der Heide still,
Wie wenn sie nimmer gehen will.
Mittagsgluten wie Seide wehn,
So heiss, dass alle Blumen vergehn. —
Schwehlen knistern, es glüht der Sand,
Und Fingerhut brennt überm Heideland.
Am rauhen Pfad, der jäh sich verliert,
Ein Hirtenknabe die Herdssamme schürt.
Er singt ein Lied, so traurig und schwer,
Als wär sein Leben kein Leben mehr . . .
Im Ginster schnarcht der Holzhackermann,
Fliegen umsummen ihn, singen ihn an;
Herdenglocken mengen sich drein —
Bald schläft die ganze Heide ein . . .
Erlen schatten den Moorteich zu:
Hier halten die Winde Mittagsruh.
Ein Kahn, der sich in Schlamm verlor,
Äugt scheu aus schweigender Flut hervor.
Ein Christusbild in letzter Not:
Hier trank ein müder Mensch den Tod.
In duftenden Lüften verirrt ein Laut,
Der quillt aus dem Tal, wo Nebel braut.
Verschlafen stöhnt bald ein Unkenrus,
Dumpf dröhnt es bang, wie Rossehuf.
Und Birken rauschen zum Schlafen müd
Vom Leben, vom Sterben ein seltsam Lied.
Fritz Stöber, Berlin.
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