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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Rüttenauer, Benno: Herbstwanderung im Elsaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0029

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dem Aufwand eines wissenschaftlichen Apparats, gegen
den die Gelehrsamkeit der Kirchenväter und Scholastiker
ein Spautz ist, beweist dieser Mann, beweist es haar-
klein, daß bei der Hochzeit zu Kana und dem hl. Abend-
mahl nicht eigentlich von Wein, sondern nur von un-
vergorenem Traubensast die Rede ist. Er hat mir
diese Broschüren mit Widmung zugeschickt.

sein, das darf peinlichste
Rücksichtnahme verlangen.
Ihr meint, eine Reli-
gion sei das doch eigentlich
nicht? Na, ich bitte. Um
nichts anders handelt es sich,
als um eine neue religiöse
Sekte. Und zwar muß sic,
scheint mir, unter die ohne-
dies schon zahlreichen pro-
testantischen gezählt werden.
Daruin ist es interessant,
um nicht zu sagen pikant,
zu sehen, wie die neue Sekte
sich mit der Bibel abfindet,
wo doch der Wein wieder-
holt eine sehr heilige Rolle
spielt. Ein Herr Doktor
W. Winsch in Berlin bei
Halensee - Ooctoi- inoäioinas,
nota bsno — hat bereits
verschiedene Male mit Glück
den Versuch gemacht, über
diesen Haken hinwegzukom-
men. In mehreren gelehr-
ten Broschüren und mit

Jeder baut seinen Wein und hat ihn im Keller. So
trinkt der Mann das Beste zu Haus. In der Kneipe
trinkt er nur, gleichsam im Vorübergehen, ein Glas
Bier oder einen kleinen Likör. Oder einen Kaffee zum
gemeinschaftlichen Spiel. Es ist dies französische Art,
die inan offenbar, wie alles Französische, für vornehmer
empfunden hat, als die ursprünglich eigene. Doch hat
speziell in dieser Richtung, wie bemerkt, das Bier bereits
stark germanisierend gewirkt!

Eins muß ich von dem Weinland Elsaß vermerken,
was auch den Verwandten der genannten Sekte an-
genehm zu hören sein wird: es gibt hier viel weniger
Wirtshäuser als bei uns. Orte, die in Baden wenigstens
ein Dutzend und mehr ausweisen, haben hier keine drei
oder vier. Sogar in einer größeren Stadt, wie Kolmar,
ist der Unterschied sofort ausfallend. Noch mehr natürlich
aus Landorten. Vor fünfzehn Jahren gab es übrigens
noch beträchtlich weniger. Seither hat, leider, das dumme
Biertrinken infolge altdeutschen Einflusses zugenommen
und damit die Wirtschaften. Die lang herausgestreckten
einladenden Wirtshausschilder der fränkischen und schwä-
bischen Lande sind dagegen im Elsaß längst verschwunden.
Auch das Innere hat stark abweichenden Charakter.
Während sonst in Süddeutschland, besonders aber im
gegenüberliegenden Baden, die Wirtöräume die volle
Behäbigkeit und Behaglichkeit einer besseren Familien-
stube darbieten, was sie meistens auch sind, sehen diese
elsäffer Kneipen — vom Hotel ist natürlich hier nicht
die Rede — kahl und ungemütlich aus. An langen
sehr schmalen Tischen stehen meistens nur Schrannen
oder lehnenlose Hockerstühle. DaS Ganze lädt kaum
zum behaglichen Verweilen ein. Wohl sind die Elsässer,
wie sie selber gern versichern, ebenso mannbare Trinker
wie ihre andern deutschen Brüder; aber sie scheinen
nicht in dem gleichen Grade Wirtöhauöhocker zu sein.

Am andern Tag wanderte ich über Rappolsweiler,
St. Pilt und Keftenholz nach Dambach. Man sieht, ich
ging der Rebe nach. Die hohen Vogesen mit ihren
Tannen ließ ich links liegen. Mir ging es wie dem
Riesensräulein aus dem benachbarten Niedeck; ich fand
unten, besonders an diesen Tagen der Weinlese, so viel
Zappeliges und Krabbeliges, das mir alles viel inter-
essanter vorkam als die Felsen und Burgen aus den
Bergen, wo ohnedies die Riesenfräulein längst auS-
gestorben sind, also daß ich auch nicht einsehe, wozu
man ihre zerfallenen Schlösser wieder ausbauen will
mit großen Kosten und Getue, was doch, wie der
Pfälzer sagt, „keim Menschen nix batt'".
Mit Gewalt kann man natürlich Allem künstlich
einen Zweck unterschieben. In einem der genannten
Orte zeigte mir der stattliche Wirt, ein guter alter
Elsässer, seine Weinkeller. Es waren drei an Zahl. Und
jedesmal waren es größere Fässer. Das größte darunter
war nicht nur durch seinen Bau und seine schöne Fugung,
sondern auch durch kunstreiches Schnitzwerk ausfallend.
Es trug die Jahreszahl 1679. Stammte also aus dem
Jahre vor der Einnahme Straßburgs durch Ludwig XIV.
Was doch so eine Tonne erlebt! Ich pochte mit dem
Fingerknöchel, sie war wirklich voll. In solchem Alter

Aus
Dorlisheim.

IZ
 
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