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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 3
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Westermann, Charlotte: Knabenbriefe, [3]: der fünfzehnjährige Astorre Manfredi an den siebzehnjährigen Francesco Gonzaga
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0099

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nabenbriefe.
Der fünfzehnjährige Astorre Manfred, an den
siebzehnjährigen Francesco Gonzaga.
Von Charlotte Weftermann. (Fortsetzung.)
Don Astorre Manfred«,
Herrn von Faenza und Grafen von Jmola.
Mit großer Genugtuung habe ich Euer Exzellenz
Bericht von der Aufklärung jenes Ereignisses gelesen,
das zu vernehmen uns betrübt hatte. Im Herzen freut
es mich, zu finden, daß Eure Gedanken, vielgeliebter
Vetter, von jenem Gebiete abgelenkt worden sind, daS
sie eifrig spürend durchliefen. Ich weiß nicht und ver-
mag auch nicht zu sagen, ob meine Vermutungen mit
den Euren Zusammentreffen.
Man spricht hier zu Ferrara davon, daß Don
Ferrante seine natürliche Tochter, Donna Leonora d'Ara-
gon, dem Sohn des erlauchten Herzogs von Modena,
meines Gastfreundes, zu vermählen gedenke. Auch
ist hier die Rede von der Freundschaft des Don
Alfonso, erlauchten Sohnes Seiner Königlichen Majestät
von Neapel, mit Euch. Das HauS Aragon zeigt
das Bestreben, zu den edlen Geschlechtern unsres
Landes in Beziehungen zu treten. Nach dem, waS ich
durch Euer Exzellenz und andere von Don Alfonso
gehört habe, ist er ein schöner und gewandter junger
Mann, der die Künste liebt und schützt und auch in der
Regierung seines Herzogtums nicht ungeschickt erscheint.
Der Prinz Ercole, dein genannte Dame zugedacht
sein wird, spricht in angenehmen« Ton von ihm; doch
ist er Euch so ergeben, daß es ihm peinlich leid wäre,
wenn Donna Leonora um seinetwillen ein Versprechen
lösen müßte, das man Euer Exzellenz dem Anscheine
nach bereitwillig gegeben hat. Seine Herrlichkeit wird
Euch eigenhändig einige Zeilen zukommen lassen. Herr
Borso bemerkte mir, daß das Haus Este nicht Unfrieden
um einer nicht sehr erwünschten Verbindung willen, die
vielleicht Rechte oder Ansprüche eines edlen und erlauchten
Herrn verletze, in das Land tragen wolle. Überdies
soll die Prinzessin von olivcnsarbcncm Gesicht und kurzer
Figur sein. Es ist mir leid, daß Euer Erzellenz mir
in einem früheren Briefe nicht ausführlicher von einem
derartigen Projekte, wie es hier behauptet wird, ge-
sprochen haben. Doch ist eö immer gut, unausgereifte
Pläne und besonders, wenn sie mit dem Hose von
Neapel zu tun haben, nicht in Worte zu kleiden.
Hier in Ferrara ist eö sehr heiß, so daß man erst
in später Stunde tafelt, und am Tage, soweit es die
Geschäfte erlauben, viel badet oder in den Gärten, die
deö erlauchten Herzogs besondere Achtung haben, sich
ergeht. Ich schlüpfe wo ich kann in mein Florentiner-
Kleid, das ich mir in blau und weißer Seide kommen
ließ, denn auf den Wegen, die Prinz Ercole und ich
gehen, ist der Purpur nicht nur lästig, sondern über-
flüssig. Ich bin noch immer etwas matt von meiner
Wunde und andern Dingen, so daß ich viel Lust zum
Lesen habe. Das Buch des Panormita, das Eure
Liebenswürdigkeit mir gesandt, ist von wirklich göttlicher
Frechheit, so daß es alle Grillen vertreibt, die in diesen

schwülen Tagen nicht draußen auf den Wiesen, sondern
in meinem Hirne summen. Sonst ist es ziemlich lang-
weilig: der Herzog ärgert sich über die Kühle der aus
Mantua eintreffenden Briefe, und ich habe die schöne
Ausgabe, durch meine Anwesenheit das herzliche Ver-
hältnis zwischen dem Papst und dem Haus Este zu
personifizieren.
Edle Damen sind nicht hier im Kastell: waö diesen
Namen tragen will, weilt im Lustschloß Belriguardo,
wo die erlauchte Frau Herzogin ihrer Stunde entgegen-
sieht. Prinz Ercole, der zuerst in Konflikte mit seinem
erlauchten Vater über diese zweite Heirat geraten war,
ist jetzt damit einverstanden, da die Herzogin keine
Neigung zeigt, sich in die lausenden Geschäfte einzu-
mischen, und ihre Beschäftigung zwischen der mit ihrem
Gemahl und dem Veredeln von Rosen teilt. Sie und
ihr Hofstaat sind mir bis jetzt unsichtbar geblieben —
obgleich sie sich weder an mir verschauen würde noch ihre
Damen bei der großen Hitze von der meinen zu fürchten
hätten — so daß ich aufrichtig den Kardinal Borgia be-
neiden kann, der sich zu seiner Erholung das reizende
Siena auögewählt und sich dort in keiner Weise zu
beklagen hat.
Der einzige Mensch, der mir hier einigermaßen Ver-
gnügen macht, ist der Gesandte der Republik Venedig,
Herr Panfilo Loredan, von dem der Ruf geht, daß er
seinem Vornamen Ehre bereitet. Er ist ein so schöner,
kluger uird wohlgesetzter Mann, daß ich Prinz Ercole
wohl verstehe, der heftig in ihn verliebt ist. Schweig-
sam und höflich wie alle zu Venedig hat er doch in
seinen Mienen und in seinen mandelförmigen Augen
etwas, das tiefer in eine glühende Seele blicken läßt.
Er weckt in mir die Erinnerung an Euch, daß mir des
Nachts vor Sehnsucht nach seiner der Euren so ähnlichen
Stimme die Tränen in die Augen kommen. Ich preise
es als eine Fügung des Himmels, daß mir dieser
Nobile jetzt in den Weg kommt, der ein Sohn jener
Stadt ist, in deren Dienste Ihr, mein teurer Astorre,
Euch Ruhm zu erwerben hofft. Obgleich inan eher
der Sonne gebieten kann, nicht mehr zu scheinen, als
aus dem Sohn eines venezianischen Prokurators etwas
herauszuholen, soll eö mir doch gelingen, zu erfahren,
ob die Zeiten für Euch günstig sind.
Ich kenne Eure große und leidenschaftliche Seele,
Astorre, und weiß genau, wie sehr Euch, die Ihr im
Lager geboren seid. Eure Vorliebe für das Kriegswesen
in diese Laufbahn treibt. Aber die Grillen, die ich im
Kopfe habe, zirpen mir von Gefahren, die dieser Schritt
Euch vielleicht bringen wird. Daß die Republik ein
Gegner Don Ferrantes ist und dieser jetzt mit dem
Allerheiligsten Vater in eine Art Schutzverhältnis, das
leicht die ziemlich geringen Ansprüche Seiner Heiligkeit
steigern kann, getreten, wißt Ihr wohl. Mag Euer
Exzellenz Eintritt in Venedigs Dienste als persönliches
Mißtrauen in die Politik der beiden Verbündeten ge-
deutet werden! Was ich tun kann, um mir zu Ohren
kommenden Gerüchten entgegenzutreten, soll geschehen.
Hätte eö die Vorsehung nicht anders mit mir beschlossen,
so würde ich sofort an Eurer Seite stehen. Doch sind
mir andere Ziele gesteckt, die ich ernstlich zu verfolgen
mich anschicke.
 
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