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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 5
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Schäfer, Wilhelm: Nach Darmstadt
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Schur, Ernst: Abendlied
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0175

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Nach Darmstadt.

nehmen die drei außerordentlich gut gebildeten und an-
einandcrgefügtcn Räume sehr für sich eilt, die, wie
einiges andere, den Vergleich mit dein Messelschen
Museumsbau herauöfordcrn, wovon noch die Rede
sein soll.
Zu dem Hauptausstellungsgcbäudc von Albin Müller
steigt inan von den Olbrichschen Bauten, die nun die
Mathildenhöhe krönen, in einer gedrungenen Treppen-
anlage hinab. Es gruppiert sich charaktervoll tim einen
keramischen Ehrenhof, in dem die schönen Glasuren vrn
Scharvogel sich als ein neues Baumaterial für die
Außenarchitektur verführen sollen, haltbarer als es die
Steine in unseren Großstadtlüften sind. Die ganze An-
lage ist sympathisch durch die geschickte Ausnutzung eines
ungeschickten Terrains; trotzdem sie nicht groß ist, wirkt
sie weitläufig durch die gute Gruppierung und sticht mit
ihrer ruhigen Bedachung — die sich übrigens auch gut
dem Olbrichscheu Gebäude anordnet — angenehm von
den gewohnten AusstcllungSbauten ab. Sie wird so
ziemlich alles enthalten, was in Hessen kunstgewerbliche
Tätigkeit vertreten kann, als Kern einen Teil der Neu-
einrichtung für Bad Nauheim und anschließend eine
Flucht von Zimmern einer großen herrschaftlichen Woh-
nung. Glücklicherweise werden die Verkaufsstellen, die
aus der zweiten Darmstädter Ausstellung den Eindruck
der Drcihäusergruppe störten, in besonderen Läden untcr-
qcbracht sein.
Natürlich gibt es auch diesmal „Musterhäuser",
immer noch nicht das bescheidene Bürgerhaus, sondern
drei herrschaftliche, von denen eins merkwürdigerweise
durch Professor Sutter gegen den Protest der Jury
gebaut wird, und sechs Arbeiterhäuser. Wer sich er-
innert, welchen Zulaus auf der ersten Düsseldorfer Aus-
stellung (I9O2) das Kruppsche Arbeiterhaus und das
vom Bcrgischen Verein für Gemeinwohl hatten, wird
diesem Teil der Ausstellung den populären Erfolg
prophezeien. Zwar sind wir unterdessen weitergekommen
in Deutschland, Th. Fischer z. B. bat sein Fabrikdorf
bei Reutlingen bauen dürfen; aber das Problem bleibt
eins der wichtigsten für unser Volksleben, ob es uns
gelingt, die Arbeiter aus den Kasernen in gute Woh-
nungen zu bringen. Billigkeit ist hier der Grund, aus
dem die Schönheit bauen muß.
* *
*
Unterdessen ist in Darmstadt auch das neue Museum
von Messel eingelebt, das mit seinem schönen Portal
so würdig zum Schloß hinüber sieht. Ich war bis vor
einigen Tagen nicht hincingckommen und sah nun,
daß es als Bauwerk den Gruudfehler des Kaiscr-
Fricdrich-Muscums in Berlin wiederholt: durch eine -
auch hier überflüssige — Halle den Raum inwendig
aufzufreffen und die Ausstellungösäle als Nebensache
beiseite zu schieben. Die oberen Bildersäle sind nicht
sehr ansprechende viereckige Räume, in denen man sich
versenkt vorkommt. Dagegen wirkt die Raumlösung bei
Olbrich glücklicher, namentlich in den beiden Seiten-
hallen mit ihrer lebendigen Decke.
Mit alter Kunst ist das Museum besser bestellt
als mit moderner; wenn auch die Holbeinsche Madonna
im Schloß geblieben ist, so hängt doch die wunder-

bare Früharbeit von ihm dort, der rotgekleidete junge
Mann vor dem grünblauen Grund. Von modernen
Bildern ist daö schönste der Trübner: Im Heidelberger
Schloß, daö einzige, daö man neben den Holbein
hängen könnte.
Seit kurzem gibt cö zwei Zimmer mit den 74 Zeich-
nungen von Böcklin, die das Ehepaar v. Heyl jüngst
mit einem Selbstporträt des Meisters dem Museum
schenkte. Sowohl bei Schick wie bei Floerke erfährt
man von seinen sorgfältigen Überlegungen im Ausbau
der Bilder, trotzdem es keine Kartons mit Modell-
gruppcn bei ihm gab, sondern nur probeweise Nieder-
schriften in kleinstem Format. Solcher Skizzen, eigent-
lich meist nur Notizen, enthält diese Sammlung von
einem halben Hundert Böcklinscher Bilder. Sie sind
mit flüchtigen Strichen hingesetzt und meist mit pein-
licher Sorgfalt durch bestimmte Linien umrahmt, wie
wenn diese Einrahmung allein fraglich gewesen wäre.
Ein paarmal hat er sie — Bestellern zuliebe — farbig
auögesührt, wodurch drei seine selbständig wirkende
Bildchen entstanden sind; wertvoller, aber nicht so inter-
essant wie die anderen Blätter. Von irgendwelchen
Dctailstudicn kommt natürlich kaum etwas vor, nur
etwa, wenn er sich aus dem Entwurf zur „Cholera" die
hingeworfene Gruppe vor dem Rüssel klarmachen will.
Dagegen sind aus seiner Frühzeit Naturstudien da; auch
sic zeigen meist mehr eine Auseinandersetzung mit dein
Wesentlichen, als eine dem Detail nachgehende Sorgfalt.
Wenn man hierbei an die minuziöse Ausführung denkt,
mit der gerade daö kleine Leben der Natur, Moose usw.
aus seinen Bildern behandelt sind, muß man aufs neue
daö Gedächtnis des Künstlers bewundern. So gibt
die Sammlung eine Vorstellung künstlerischer Arbeits-
weise, die natürlich bei einem romantischen Künstler
besonders interessant ist. Man muß es den Stiftern
hoch anrechnen, daß sie diesen Schatz aus ihren Mappen
anö Licht ließen, mehr noch, daß sic die Sorgfalt
hatten, ihn zu sammeln, in Zeiten, als es noch keine
Mode war, für Böcklin zu schwärmen. S.
bendlied.
Wenn ich dann sterbe, tragt mich in die Ferne,
tragt mich zur Einsamkeit der Berge,
wo niemand klagt, und wo die hohe Stille
in Melodieen schweigt, unendlich einsam.
Dann will ich den Gesängen lauschen,
die immer leiser abendlich verklingen.
Der große Rhythmus fliegt mit tiefen Schwingen
über die Zweige, die verhalten rauschen.
Dann wird das Herz sich nur noch sachte regen,
seltsam verschwindet das Bewegen
wie hinter Schleiern .... und so schlaf ich ein.
Die Töne schweigen vor den letzten Winden . .
und immer stiller wird die Seele werden . .
Wenn dann ein Vogel auffliegt, fliegt sie mit davon ....
Ernst Schur.
 
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