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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Heinrich Otto
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0117

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Heinrich Otto.
^^eitdem durch rührige Verleger und eifrige Pädagogen die farbige Steinzeichnung eine Massenware
geworden ist, sicherlich nicht zum Schaden unseres Volkes, das dadurch einen bürgerlichen
Wandschmuck erhalten hat, wie wir ihn vor fünfzehn Jahren kaum für möglich gehalten hätten: hat
sich das Interesse der Künstler und Kunstfreunde wieder mehr der Radierung zugewandt und neuer-
dings auch dem künstlerischen Holzschnitt. Dem künstlerischen Instinkt liegt das Pädagogische aus die
Dauer nicht, er liebt das Aparte mehr als das Allgemeine. Dies ist auch die Entwicklung von
Heinrich Otto gewesen, obgleich er mit seinen Steinzeichnungen eigentlich immer in der Verborgenheit
seltener Handpressendrucke blieb. Seiner Kunst fehlte die robuste Handfertigkeit, die für jene Massenware
doch nötig ist; außerdem war er in Düsseldorf, wo die Ölmalerei ihre herkömmliche Vorherrschaft
zäher behauptete als an andern Orten, und wo keine „Künstlerdruckerei" wie in Karlsruhe Anregung
zur graphischen Kunftübung gab, bis in die letzten Jahre ohne Genossen, so daß er mehr im Ansehn
eines sonderbaren Bastelers stand und auf eigene Hand beim Probieren blieb. Dadurch behielten
seine Blätter etwas EigenbrödlerischeS, was ihnen heute sehr zum Vorteil gereicht, wo wir der
Vcrlegerware ein wenig überdrüssig geworden sind und stillere Dinge suchen als glänzende Technik
und auf Stein übertragene Bilder.
Heinrich Otto, der im Jahre 1858 zu Wernswig im damaligen Kurfürstentum Hessen geboren
wurde, in Kassel studierte und schon früh nach Düsseldorf kam, wo er bis heute blieb: begann zu
lithographieren, bevor es Verleger gab, die sich daraus ein Geschäft versprachen. So sind seine ersten
Blätter, in wenigen Handpresscndrucken hergeftellt, zumeist schon Seltenheiten und im festen Besitz
von privaten und öffentlichen Sammlungen. Er begann wie alle lithographierenden Künstler mit
gezeichneten Blättern, die durch eine oder mehrere Farbenplatten koloriert wurden. Solcher Art ist
auch noch die „Mondnacht", die ihm im Jahre I9OI in Dresden die goldene Medaille einbrachte,
sowie das abgebildete „Am Niederrhein" mit dem Blick auf Kaiserswerth. Dann ging er zu farbigen
Versuchen über, worin er seine überlegene Meisterschaft erreichte. Zarte und kühne Farbenstellungen
wurden ihm geläufig wie — Gustav Kampmann ausgenommen — keinem andern. Nicht nach dem Rezept
des Dreifarbendrucks mir gelb, rot und blau, sondern meist mit zwei aparten Tönen erreicht, wobei
die besondere Farbe des Papiers eine sorglich erwogene Grundlage gibt. So sehr, daß sein schönstes
Blatt, ein Bauernhof vor einem grünglasigen Abendhimmel in tief violetten Schatten, nur in zwei
oder drei Abdrücken existiert, weil die Papierprobe nicht mehr aufzutreiben war.
Der äußerliche Grund, warum Otto trotzdem die Steinzeichnung in den letzten Jahren fast aufgab,
wurde schon in der Einleitung dieser Zeilen angedeutet. In Wirklichkeit lag ihm die Farbenftein-
zeichnung gar nicht so sehr, wie es seine schönen Blätter vermuten ließen: wer z. B. die hier ab-
gebildete „Mondnacht" im einzelnen betrachtet, wird überall einen weichen malerischen Strich fühlen,
der von aller flächigen Behandlung abdrängt und den geborenen Zeichner verrät. Man könnte bei
dieser Abbildung fast zweifeln, ob sie nicht nach einer Radierung gemacht sei. So war es nicht zu
verwundern, daß er — als er vor einigen Jahren ansing zu radieren — gleich mit einem Mcisterblatt
herauskam: „Aus harter Scholle"; Schafe in der Hürde vor einem rauh bewölkten Himmel. Und
noch weniger, daß er von der Ätztechnik bald zur Kaltnadelarbeit überging, wo er seine große Zeichen-

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