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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 5
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Kisa, Anton Carel: Die Altertumsfexerei
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Gors, L.: Daß Goethes Prosa langweilig ist
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0172

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Die Altertumsfexerei.

nur zu einer Verstärkung des antiquarischen Charakters
der Sammlungen geführt. Man sammelt jetzt, um zu
sammeln. Die meisten Leiter von Kunstgewerbemuseen
beschränken sich auf die Sammeltätigkeit und machen
den Privatliebhabern Konkurrenz, indem sie aus die
teuersten und seltensten Stücke ohne Rücksicht auf deren
Provenienz Jagd machen. Bringt bei den kleinen Privat-
sammlern der Entdeckerstolz ein wenig Romantik in die
Antiquitätenjagd, die Freude, bei bescheidenen Trödlern,
bei Bauern und kleinen Leuten, durch allerlei Tünchen
und Zusätze mit scharfein Kennerauge den edlen Kern
entdeckt zu haben, so fallen derartige Imponderabilien
bei den vielbeschäftigten Museumsleitern ganz fort. Mit
vollgespickter Geldtasche von einer Auktion zur andern
wandernd, genießt er dabei höchstens etwas der Auf-
regung des Hazardspielers ähnliches. Kenntnisse und
Kennerschaft werden wenig in Anspruch genommen,
denn die feilgebotcnen Stücke sind bereits von einem
Forum von Kennern diskutiert und bis in die kleinsten
Einzelheiten geprüft. Fälschungen kommen gewöhnlich
nur bei Einzelkäufen, sowohl von Händlern wie von
Privaten, selbst von schlichten Bauern in entlegenen
Orten vor, aber einer solchen Praxis des Erwerbes geht
der nicht ganz Sattelfeste gerne aus dem Wege. Übrigens
werden die zu Fälschungen nötigen künstlerischen Quali-
täten gewöhnlich arg überschätzt. Wenn beispielsweise
behauptet wird, daß ein tüchtiger Kunstgewerbler mehr
Geld verdiene, wenn er sich auf Imitationen und
Fälschungen alter Kunstwerke verlegt, so gilt dies
höchstens für den Möbelschreiner und den Holzschnitzer.
Einer, der gute Kopien guter Originale zustande bringt,
versagt bei selbständigen Arbeiten oft gänzlich. Die
Fälschungen von Goldschmiedearbeiten, wie z. B. die
vielbesprochene Tiara des Saitapherneö und andere Nach-
bildungen antiken Schmuckes, verdienen durchaus nicht
die übertriebene Bewunderung, welche die Technik ihrer
Urheber gefunden hat. Die Reliefs sind zumeist
mechanisch, durch Ausdrücken dünner Goldplättchen auf
Originalreliefs hergestellt, in anderen Fällen galvano-
plastisch, im besten Falle durch geistloses Kopieren alter
Originalftücke. Ein bekannter Goldschmied, der für den
verstorbenen Händler Spitzer arbeitete, brachte öfter
Originale, die ihm nicht ganz gelungen waren, als alte
Arbeiten in den Handel, nachdem er sie auf chemischem
Wege mit der nötigen Patina, durch Hämmern, Drücken
und Feilen mit den nötigen Schäden des Alters ver-
sehen hatte. Eine Monstranz in spätgotischem Stile,
die nicht nach Wunsch der Besteller ausgefallen war —
tatsächlich war es ein minderwertiges Stück — wurde
rasch in ein Altertümchen verwandelt. Der erste Schritt
hierzu war, sie mit Vehemenz in eine Ecke der Werk-
statt zu schleudern, wobei sich die Phialen malerisch ver-
bogen und die Cabochons ihre Edelsteine fahren ließen.
Überhaupt ist eö vorwiegend die kirchliche Goldschmiede-
kunft, die am raschesten die schiefe Ebene der „Trusage"
hinabgeglitten ist, und zwar nicht etwa, wie man meinen
könnte, in ihren geschicktesten und raffiniertesten Leistungen,
sondern gerade in solchen, bei denen etwas Unvoll-
kommenes zu verbergen war. So pflegte ein bekannter
rheinischer Emailleur die ihm mißlungene Gruben-
schmelze, nachdem er sie am Feuer noch weiter ver-

dorben hatte, sorgfältig zu verwahren und gelegentlich
als Arbeiten der Werkstätten von St. Pantaleon, von
Trier oder Stablo, zu verkaufen.
Das Beispiel der Direktoren von Kunstgewerbe-
museen, die sich in erster Linie als Sammler von Alter-
tümern betrachten, hat die private Sammelwut in einer
unerhörten Weise gefördert. Beide wetteifern mit-
einander, die Preise maßlos in die Höhe zu treiben,
namentlich die der Objots ä'art, während Bilder und
Plastiken eher im Preise sinken, weil das Sammeln
von solchen bedeutende Kennerschaft vorauösetzt und daher
einen kleineren Kundenkreis hat. Es sind wahre Tulpen-
preise, die jetzt für Porzellan, alte Bronzen und ge-
schnitzte Möbel bezahlt werden, und ein baldiger Krach ist
unvermeidlich und im allgemeinen gar nicht bedauerns-
wert. Es kommt noch dazu, daß sehr viele Privat-
sammler Stücke nur aus Spekulation aufkaufen, um sie
später mit Profit an öffentliche Museen weiterzugeben.
All diese gewaltigen Summen werden der lebendigen
Kunst entzogen, an die sich manche nicht heranwagen,
weil sie im Urteile unsicher sind. Es ist darum hohe
Zeit, daß sich die Kunstgewerbemuseen wieder der
Forderungen ihres Begründers Eitelberger erinnern.
Ihre Tätigkeit wird dadurch noch komplizierter, aber
auch lohnender werden. Der Ehrgeiz, eine Muster-
sammlung aller hervorragenden Zweige der Kunst-
industrie vergangener Zeiten zu besitzen, ist in den Haupt-
orten wohl berechtigt, während sich Provinzstädte mit
der Unterstützung und Fortentwicklung lokaler Arbeiten
bescheiden können. Ihnen soll sich anschließen, was
einen stilistischen und technischen Fortschritt, was das
Erstarken eines selbständigen Kunstwollens bedeutet.
Neben Ankäufen sorgfältig ausgewählter neuer Arbeiten
müssen allenthalben ständige Ausstellungen von solchen
treten, um das Kunstgewerbe von der Tyrannei der
großen Warenhäuser und Dekorateure zu befreien.
vr. A. Kisa.

aß Goethes Prosa langweilig ist?
Goethes Prosa ist langweilig oder mindestens
ermüdend und die Aufmerksamkeit einschläfernd.
Aber niemand gesteht dies öffentlich ein. Denn man
mag Goethesche Sätze noch so genau ansehen, man
wird keine Unvollkommenheiten in ihnen entdecken können.
Aber sie bleiben deshalb nicht weniger fremd und un-
behaglich.
Äußerlich betrachtet sind Goethes Sätze immer lang,
in langsamem Tempo dahinfließend, ohne starke Akzente,
ohne rhythmische Überraschungen. Er zieht die silbenreichen
Worte den kürzeren gleichen Sinnes vor, er verwendet
sehr reichlich die Hilfszeitwörter und den Konjunktiv,
er gebraucht nur wenig Wörter — sehr viel weniger als
in seinen Versen — und vermeidet die charakteristischen
Wörter mit scharf und eng umschriebener Bedeutung.
In der Wahl seiner Adjektive ist er sorgfältig im höchsten
Grad, er verwendet sie nur in ihrem eigentlichen Sinn,
der häufig im gemeinen Sprachgebrauch schon verwischt
* Aus L. Gorst Kühle Betrachtungen über Kunst, Literatur
und die Menschen. Verlag Franz Deuticke, Leipzig und Wien.
 
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