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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 5
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Schäfer, Wilhelm: Brautausstattungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0161

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rautausstattungen.
Wenn man bedenkt, daß ziemlich jedes Hoch-
zeitspärchen heutzutage auch sein eigenes Möbel-
neft bekommt, so könnte man trugschließen, daß demnach
in einer Generation, also in ZO Jahren, die Erneuerung
der Möbel auch eine Erneuerung der Vernunft zu
wohnen gewesen wäre. Danach käme den Möbelhand-
lungcn und den sogenannten „Ausstattungsgcschäftcn"
so etwas wie eine kulturelle Bedeutung zu; denn weil
das Leben heute so viel Tagesstunden in Anspruch nimmt,
haben weder Brautleute noch Brautmutter Zeit, an die
Herstellung des Möbelnestes zu denken: die Rolle des
Tischlers will noch nicht größer werden und die der
Möbelmusterlager noch nicht kleiner. So müssen also,
bevor jene Erneuerung der Vernunft beginnen kann,
erst die Ausstattungsgeschäfte dafür erobert werden; und
so sah ich ein gutes Zeichen darin, als ich dieser Tage
eingeladen wurde, eine bürgerliche Mufterwohnung zu
besichtigen, die das Möbelgeschäft von Stock in Koblenz
gemeinsam mit dem Architekten Lichtenhahn ausgestellt
hatte.
Ich fand denn auch tatsächlich eine Küche und vier
Zimmer, wie die Abbildungen zeigen, mit guten Möbel-
formen, und hätte eigentlich zufrieden sein müssen, daß
ein so bekanntes und führendes Geschäft nun auch in
Koblenz für eine vernünftige Einrichtung tätig sein wolle.
Aber als ich die Küche, das Eßzimmer, das Schlaf-
zimmer, das gemeinsame Wohnzimmer und den Salon
gesehen hatte, immer wieder mit Vergnügen an den
klaren Formen und der schönen Holzbehandlung: schlug
mir plötzlich die Verlegenheit einer solchen Hotelwohnung
ein, darin man weder Kinder haben noch wohnen, nur
Gesellschaften geben kann. Und ich sah die Leute, die
so wohnen: Koblenz ist eine Militär- und Regierungs-
beamtenstadt, also eine Stadt der sogenannten „besseren
Kreise", die natürlich nicht alle die dazu nötigen besseren
Einnahmen haben, sich also in der Vierzimmerwohnung
behelfen müssen. Jeden Tag einer Versetzung gewärtig
im Interesse der Karriere, können sie nur in seltenen
Fällen daran denken, sich ein eigenes Heim zu bauen,
müssen sich in den gemieteten Schachteln behelfen
mit transportabelst Möbeln. Natürlich müssen die
mietbaren Nistkästen, um möglich viel zu passen, so
unoriginell wie möglich sein und möglichst dieselbe
Höhe und Ausbildung haben; so daß z. B. in der vor-
geführten Wohnung künstlich Nischen und Deckenver-
schiebungen gemacht waren, um annehmbare Räume zu
erhalten, was natürlich dem Einzelnen unmöglich ist.
Die Nomadenwohnung bedingt ein Schema für die
Räume wie für die Möbel. Das Traurigste aber ist das
Schema selbst, indem es aus Lebensgewohnheiten be-
ruht, die alles Häusliche dem Gesellschaftlichen opfern.
Solch eine Etagen-Wohnung enthält von einer herrschaft-
lichen die Repräsentationöräume ohne die anderen Gelasse,
die zu einer Häuslichkeit gehören. Sie ist durchaus
als Hotelwohnung und nur für zwei Menschen ein-
gerichtet, um darin zu schlafen (wenn auch meist
enger als im Hotel) und Gesellschaft zu empfangen,
die nach einigen Stunden wieder geht. Daher auch
der traurige Zustand, wenn nach zehn Jahren aus

Arch. Lichtenhahn- Ecke aus einem Herrenzimmer.
(H. Stock, Koblenz.)

Arch. Lichtenhahn: Sekretär für eine Dame.
(H. Stock, Koblenz.)
 
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