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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 3
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Gischler, W.: Fritz Boehle und seine Ausstellung im Städelschen Institut
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Bodman, Emanuel von: Der Zweifel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0110

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Fritz Boehle.

alles vollkommen ist. Nur wenn man nach diesen
Bildern vor die beiden Bauern in der Stube tritt, fliegt
einem etwas durch den Sinn, wie wenn man fremde
Paradiesvögel betrachtet hätte und nun auf einmal
wieder eine Amsel sähe oder ein Ackcrpferd. Ein Gefühl
schlägt in uns auf, daß die Kunst und die große Kunst
erst recht auS tiefstem Wesen kommt und daß diese
farbige Kirchenfensterwelt da hinten gegen dieses kleine
Bild trotz größerer Vollkommenheit doch oberflächlich
wirkt. Man weiß auf einmal genau, daß sie ohne
Mantegna, Marses, Hildebrand gar nicht vorhanden wäre,
während die stille Größe dieses kleinen Bildes souverän
ist. Man versteht, wie es ein solch formales Talent
wie Boehle reizen kann, in einer Radierung ganz im
alten Geist diesen selber zu vollenden und eines Tages
mit einer wahren Flut von Bildern der deutschen Leiden-
schaft zur Größe im antiken Sinn einen anscheinenden
Abschluß zu geben. Aber man erkennt auch die Leicht-
fertigkeit darin, weil dieser selbe Künstler an den eigenen
Dingen viel schwerer gräbt. Eins von den Bildern des
Schleißheimer Meisters dazwischen gehängt und eins
z. B. die Empfindung von Hobler: sie würden ihm
strenge Richter sein, daß er die au alten Werken
erkannten Gesetze einer großen dekorativen Kunst vielfach
auch mit Mitteln dieser Werke demonstrierte, mit
Anschauungen, die er aus fremden Werken nicht aus
der Natur gewann, wie es Hobler vermochte und Marses
selbstquälerisch erstrebte.
Der Geist von Adolf Hildebrand liegt deutlich aus
dieser Episode, der gleich vollkommen und gleich
gebunden in alten Formen ist. Es ist kein Zufall, daß
sich die deutsche Jugend von diesem Einfluß leidenschaft-
lich zu Rodin wendet; der Instinkt läßt sie fühlen, daß
hier daö Formproblcm mehr mit dem Leben ringt, statt
sich im Alten vielfach zu beruhigen. Wie es kein Zufall
ist, daß Boehle diesem Einfluß so verfiel, der selbe
Boehle, der Diez-Schüler war und stets den Geist davon
behielt, der sich zu Frankfurt in daö deutsche Haus
vergrub und stets altmeisterlich gesonnen blieb.
So falsch es wäre, das übrige Werk des Künstlers
unterschlagend nun diese Episode als seine Vollendung
zu betrachten: so wenig läßt sie sich aus seinem Werk
ausscheiden. Sie wird unö nun bestehen bleiben als
ein Bedenken, ob hier nicht wahrhaft große Gaben im
Rückenmark gelähmt sind, so daß es Schwäche nicht
Stärke war, die ihn sich wie ein Dachs vor seiner Zeit
verstecken ließ. W. Gischler.

Zweifel.
Der Zweifel ist der kleine Hammer,
den hole ich von Zeit zu Zeit
mit leisem Schritt aus meiner Kammer.
Wie liegt mein Haus im Schlaf so breit!
Ich klopfe an die bunte Hülle
und horche hier und dort am Stein,
ob ich mit neuen Steinen fülle.
Und klingt es hart, dann laß ichs sein
und stecke meinen Hammer ein.
Emanuel von Bodman.

artenbücher.
Jetzt, wo der lange Schnee vergangen ist, Regenstürme
das Land braun fegen und auch schon trockene Tage kamen, wo
die Bauern anfingen, das Gras abzubrcnnen und überall die
Gärtner aus ihren Treibhäusern hervorkamen: wird sich mancher
nach einem Ratgeber umschauen, was er mit seinem neuen oder
alten Garten nun für den Sommer anfangen soll. Wir wissen
ja, daß wir im Zeichen der umwälzenden Gartenbau-Ausstellungen
stehen und daß manches, was noch vor einigen Jahren die Ge-
wohnheit in Gärten hinnahm, uns heule unerträglich geworden
ist, auch daß wir dem edlen Handwerkerstand der Gärtner uns
darin nicht mehr anvertrauen können, indem er die unausrottbare
Neigung hat, im Stil der kleinen Bauunternehmer Garten-Archi-
tektur zu treiben mit fabelhaft verzwickten Beeten zwischen end-
los gewundenen Weglinien und exotischen Wunderpflanzen.
Nun gibt es bei der Gartenkunst drei Wege: entweder man
kommt ihr theoretisch bei aus einem klaren und modernen Gefühl
für vernünftige Ausgestaltung (der Fall des Künstlers), oder man
ist vom Fach, kennt alle Schliche der Praxis und die Dumm-
heiten der vergangenen Periode und möchte in ernster Besserung
die Anerkennung der braven Menschen wieder erobern (der Fall
des Gartendirektors), oder man kümmert sich den Teufel um
krumme oder gerade Wege, man liebt vor allem die Blumen und
höchstens noch ihre Gruppcnwirkung (der Fall des eigentlichen
Gärtners als Pflanzenzüchter). Auf jedem dieser Wege gibt es
vortreffliche Führer, von denen hier je einer genannt und aufrichtig
empfohlen werden soll, je nachdem die Wünsche sich neigen.
Der erste ist Viktor Zobel, zwar kein Künstler von Haus
aus, doch, ein künstlerischer Mensch von Bildung. Sein Buch
heißt: „Über Gärten und Gartengestaltung" und ist bei Georg
D. W. Callwey in München erschienen. Cs hat nur 86 kleine
Seiten; denn Zobel ist kein Schriftsteller, der in die Breite geht;
er hat etwas zu sagen und sagt cs knapp und deutlich. Er ist
natürlich für den streng gegliederten Garten und gegen jenes
„natürliche" Lachkabinett im Freien, wo man immer seitlich
geneigt wie ein Zirkuspferd gewagte Bogen zu passieren hat.
Cr begnügt sich aber mit einigen abweisenden Bemerkungen und
führt uns die drei guten Vorbilder eines guten Gartens in seinem
Sinn vor! die alten bürgerlichen Gartenanlagen in Deutschland,
die Villa der italienischen Renaissance und den englischen Garten:
Hieraus gewinnt er den Begriff eines klar gegliederten Gartens
gegenüber dem freien Park, um dann im einzelnen seine Lehren
über den Hausgarten, den großen Garten, den städtischen Vor-
garten und die Umgestaltung älterer Anlagen zu geben. Cr
vergißt auch nicht, zum Schluß seine Forderungen in knappen
Leitsätzen aufzustellen, so daß sein Büchlein auch in der Anlage
vollkommen zu einem Katechismus der Gartenbaukunst wird,
den jeder Gartenbesitzer gelesen haben sollte.
Der zweite Führer ist Fritz Encke, Gartendircktor der Stadt
Köln a. Rh. Sein Buch heißt „Der Hausgarten" und ist mit
ll5 Illustrationen bei Eugen Dcderichs in Jena erschienen.
Dieser Mann hat das Glück gehabt, aus einem Pfarrgarten zu
kommen, der in einer regelmäßigen Anlage und ländlichen Be-
haglichkeit alles andere eher als ein Landschaftsgarten war. Cr
bildet ihn als Muster im Grundriß und einigen Ansichten, auch
mit den Gebäuden ab, und wir erkennen bald, wie einer, der
dies im Herzen behielt, als Gartenbauer nachher nicht in das
klägliche Schema seiner Kollegen verfallen konnte.
Die Beispiele, die er mit Grundrissen und Ansichten gibt
und erläutert, entstammen meist seiner eigenen Praxis; sie zeigen
die Schwierigkeiten, die gegenüber den Zobelschen Forderungen
der tatsächliche Fall aufrollt, aber auch, wie gerade in der kon-
sequenten Lösung dieser Schwierigkeiten die reizvollsten Dinge
entstehen können. Leider sind die Architekturen, an die er seine
Gärten bauen mußte, zum Teil recht unglücklich, was dem Ein-
druck der abgebildeten Gärten natürlich schadet; auch ist wohl
sein künstlerischer Geschmack nicht so diskret wie der von Zobel,
wie sich in abgebildeten Einfriedigungen und dergleichen zeigt.
(So sieht sein „netter" Lattcnzaun Abb. >08 wirklich nicht „lustig
und gemütlich" aus.) Dafür ist er als Fachmann von Grund
auf aber im Leben der Pflanzen heimisch und hat die Wirksam-
keit voraus, die praktischen Beispielen immer vor der theoretischen
Lehre zugesprochen werden muß.
Die dritte im Bunde ist Gertrudc Jekyll, eine Eng-
länderin, und ihr Buch („Wald und Garten") ein klassisches


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