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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Westermann, Charlotte: Knabenbriefe, [1]: der fünfzehnjährige Astorre Manfredi an den siebzehnjährigen Francesco Gonzaga
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0033

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nabenbriefe.*
Der fünfzehnjährige Astorre Manfred, an den
siebzehnjährigen Francesco Gonzaga.
Von Charlotte Westermann.
Dem erlauchten Herrn Francesco Gonzaga
Prinzen von Mantua.
Eure Herrlichkeit haben nur durch Herrn Niccolö
Novelli, Euren Sekretär, zwei goldene Münzen init dein
Bildnisse des großen Alexander überreichen lassen. Ge-
stattet, daß icb mir die Freude mache. Euch mit andrer
Seltsamkeit ein Zeichen der Achtung und Liebe zu geben,
die ich für Euch im Sinne trage.
Don Alfonso d'Aragon, dessen Freundschaft für mich
Euch wohlbekannt, hat in der Nähe des Kastells zu
Neapel Skulpturen und Bronzen ausgraben lassen. Er
hat mir zwei Bronzen gesandt, deren eine ich mich
glücklich schätzen werde, sie bald in Euren Händen zu
wissen. Es kann nicht fehlen, daß Ihr dies kleine Werk
Eurer schönen Sammlung cinvcrleibt, denn es ist eine köst-
liche Arbeit voll feinsten Maßes und Eurer Achtung wert.
Herr Niccolö hat mir auch Nachrichten Eurer Herr-
lichkeit gebracht, die mich minder crfrcntcn. Daß Seine
Heiligkeit den Frieden dringend wünscht, hat er mir
selbst zu Forli versichert; ich aber habe nicht Lust, nur
das kleinste meiner Rechte dem Papste oder König
Ferrante, seinem neuen Freunde, zu opfern. Es beun-
ruhigt mich, daß Bologna und Ferrara sich an Festlich-
keiten übcrbictcn und Gismondo Malatcsta sich vor
Piccinino vorzeitig zurückgezogen hat. Bekommt der
Papst in den Marken durch die Unterstützung der erlauch-
ten Republik Florenz freie Hand und weiß die Romagna
wieder ohne venezianische Einmischung, so bin ich über-
zeugt, daß er sich gegen mich und die Barone wenden
wird. Deshalb gebe ich Euch, mein geliebter Vetter,
anheim, Herrn Lodovico, Euren erlauchten Vater, zu
veranlassen, daß er Seiner Heiligkeit meine Versicherungen
der Ehrfurcht überdüngen möge und dem Papste zur
Erwägung geben, daß die Stadt Rom in seiner Ab-
wesenheit sich durchaus frei fühle und daß die Colonna
unter den jungen Söhnen der edlen Geschlechter einen
starken Zulauf hätten. Ich weiß auch wohl, daß in
den Kastellen, die meinem Staate zunächst liegen, die
Vögte der Borgia noch unumschränkte Gewalt besitzen.
Es scheint mir, daß wenn dem Herrn der Rücken
gestreichelt wird, andere ihn gerne an den Schenkeln
zwicken. Ich erwarte mit Begier neue Mitteilungen

'' Cs handelt sich hier nicht etwa um historische Briefe, sondern
um eine Novelle in Briefform und zwar — wie man sehen wird —
um eine Novelle von großer Prägnanz. Keine Kulturschilderung
aus der italienischen Renaissance, sondern das tragische Schicksal
eines herrischen Jünglings dieser Zeit. Das erste Werk einer
jungen Dichterin und als solches erstaunlich; sowohl im Stolz der
Handlung, die sich aus der spielerischen Kunstschwärmerei der
ersten Briefe rasch aufbäumt , wie im klaren Gang ihrer Sähe.
Bis gegen die Mitte der Novelle glaubt man die Tändeleien und
Liebesabenteuer zweier Jünglinge zu lesen, bis plötzlich der un-
unheimlich verborgene Kampf offen ausbricht und dem fünfzehn-
jährigen Astorre Manfredi zu einem jungen Heldentum verhilft.
Wir sind stolz, der jungen Dichterin für ihren ersten Schritt
den Weg bereiten zu können. Die Red.

Eurer Herrlichkeit, denn Herr Niccolö hat mir viel vo»
den Vorbereitungen zum Empfang des Papstes in Eurer
Stadt erzählt.
Daß meine älteste Schwester gestern por xroouratio
dem edlen Gianctino Savelli vermählt worden, sei Euch
hicmit auch bekannt gegeben. Meine zweite Schwester ist
ein schönes Mädchen und hat das goldfarbene Haar und
die stolzen Augen ihrer Mutter. Doch ist Madonna
Jppolitä jetzt in dem Alter, da die Weiber anfangen,
mehr von den Männern zu sehen, als sich ihrem Stand
verträgt. Zwar ist sie noch häufig bei ihrem Beichtvater
in San Martino zu finden, doch hat der würdige Herr
nicht mehr die Augen, um einer schönen Dame auf die
Füße zu sehen und sie zu lenken. Wollt Ihr mir einen
tüchtigen Meister sagen, der dem Fräulein die Laute zu
schlagen lehrte? In den Dienst der heiteren Musik
hoffe ich ihren raschen Sinn zu bannen.
Wenn Ihr die edle Madonna Jsotta, unsre Base,
sehet, so vergcßt nicht zu melden, daß ich stets ihrer
Dienste gewärtig und bereit bin, für einen Druck ihrer
zarten Finger zu sterben.
Eurer Herrlichkeit geliebter Vetter
Astorre.
Gegeben Faenza, den 7. April des Jahres 1459 —
äi propria wauo.
Don Astorre Manfredi
Herrn von Faenza.
Eure Exzellenz haben mir mit den letzten Nachrichten
ein großes Vergnügen bereitet und als Dank darf Euch
vielleicht erscheinen, daß Euch Madonna Barbara, meine
erlauchte Mutter, den schönen und wohlgesitteten Signor
von Faenza nennt. Daß ich seit Ankunft Eurer Bronze
mein Antikenkabinctt mit Entzücken betrete, möge Euch
gesagt sein. Ein Genueser Sammet, der an rauch-
sarbcnem Glanze mit dein Topas wetteifert, soll Euch
an mich erinnern.
In diesen Tagen hat die würdige Signorie von
Venedig meinem Vater, Herrn Lodovico, ein griechisches
Manuskript übersandt, wobei den erlauchten Herrn bitter
betrübt, daß der Scriptor Poggio, der es mustergültig
übersetzt hätte, im vorigen Jahr gestorben ist. Aller-
dings hat sich dieser gelehrte und seingebildete Mann
an vierzig Florenen für eine kleine Übertragung zahlen
lassen — doch ich pflege keinen Goldgulden anzuschauen,
wenn er mir die Schätze der Antike einbringt. Dabei
will ich noch mein Versprechen an Euch einlösen und
Euch des Herrn Poggio Facetten senden, woran Ihr
großen Gefallen finden werdet. Herr Poggio hat sie
sich des Abends mit den andern Sekretären Seiner-
Heiligkeit Martins dcS Fünften einst in der „Lügcnstube"
der Kanzlei zu Sankt Peter erzählt und sich oftmals
dabei über die Maßen vergnügt. Sie sind jetzt aller-
orts berühmt; doch befehlt dem Lautenmeister, den ich
mit Erlaubnis meiner erlauchten Tante, der Frau Herzogin
von Ferrara, in deren Diensten er bisher gestanden, für
Madonna Jppolitä zu Euch sende, daß er keinesfalls
Eure süße Schwester damit ergötzen möge. Wenn nicht
in drei Tagen der Papst in meines Vaters Stadt ein-
zöge, würde ich mich in den Sattel werfen, um nach


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