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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Hermann Gattiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0051

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Hermann Gattiker.
4 Witter den Schweizer Künstlern har Hermann Gattiker immer eine besondere Stellung eingenommen;
für die Kunst in Zürich ist er trotzdem seil Jahren der bestimmende Mittelpunkt; nicht wie
Hodler bei den Bernern durch die Gewalt seiner Werke eine wahre Revolution in den jungen Köpfen
entfachend, sondern mehr durch die Unbestechlichkeit seines Geschmacks, durch einen Sinn für edle
Haltung ein Erzieher zur künstlerischen Besonnenheit.
Kein Zweifel: er hat es schwer in dieser Zeit, wo in der Schweiz mit Leidenschaft die Jugend
sich an die Fersen Hodlers heftet und mit Hartnäckigkeit seine neue Farbe zu unerhörten Neuigkeiten
treibt. Da wird man ihm, der aus der Graphik zu einer eigenen Art von Bildern kam, die diese
Herkunft nicht verleugnen, leicht ungerecht. Obwohl gerade die wunderbare Fertigkeit seiner Radie-
rungen zurzeit sich fast allein zu jener Größe gebildet hat, die wir in den monumentalen Schöpfungen
Hodlers bewundern; und obwohl gerade seine Entwicklung von der kupscrstichfcinen Bildung seiner
früheren Blätter zur Lapidarschrift der letzten Jahre ein eigenes Gegenstück zu jenem Siegeslauf
bedeutet, den Hodler von der Unsicherheit seiner ersten Bilder zur Wucht seiner letzten Fresken nahm.
Das Lapidare in einem andern Sinn verstanden, als es henke gebräuchlich ist, um den saloppen
Strich oder bestenfalls die geniale Andeutung zu bezeichnen. Wie in den Fresken Hodlers tatsächlich
nichts mehr Andeutung, sondern alles klare und einfache — für verzärtelte Augen gewaltsame —
Niederschrift des Wesentlichen ist: so zeigt auch ein solches Blatt von Gattiker wie etwa der
„maurische Turm" kein Ätzknnststück und keinen Zufall, auch keinen der beliebten Durcheinanderstrichc
mehr, alles ist wahrhaft in Stein geschrieben, so daß ein solches Blatt in dem bescheidenen Rahmen
seiner wenigen Quadratzenrimerer den Gesetzen der Größe so gerecht wird, wie nur ein Wandbild
sonst es kann. Die Radierung nicht mehr als gelegentliche Notiz rascher Einfälle, als verewigte
Handzeichnung, sondern als Selbstzweck: eine strenge Zucht der graphischen Mittel bis zur letzten
Vollendung.
Gattiker ist ein Schüler der Karlsruher Akademie, als solcher Mitglied des dortigen Künftler-
bundcs und seiner graphischen Hochschule, die freilich weniger in der Akademie als in der Künftler-
druckcrci ihre Stätte hat. Hier mehr gewiß als in der Schule von Krauskopf hat er sich die
Grundlagen jener technischen Meisterschaft gelegt, die seine Radierung „Wolkenschatten" zu einem
der bekanntesten graphischen Blätter unserer Zeit in Deutschland gemacht hat. Vergleicht man heute
dieses Blatt (Rheinlande Jahrgang III, Heft IO, Seite Z79) mit dem vorhin genannten „maurischen
Turm", so erkennt man recht mir einem Blick, wie jene Größe der Naturanschauung, die sich dort
mühsam gegen allznviele Dctailkünsre behauptet, nun Herrin geworden ist, an der kein Fältchen am
Gewand die königliche Haltung vermissen läßt.
Die große Kunst in solchen Blättern wie in jeder andern Kunst ist die, mit der Vereinfachung
nicht leer zu werden, sondern gefüllter, lebendiger zu erscheinen, als die sorgsamste Kleinkunst die
Flächen lebendig machen konnte. Und insofern das Gegenteil jener dekorativen Vereinfachung, die
heute an allen Kunftgewcrbcschulen gelehrt wird und jedem Taperenzeiämcr geläufig ist. Hier darf
man wohl ein Beispiel zur Klärung sagen: Auck, eine historische Notiz, ein Chronikblatt, selbst ein
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