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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Beringer, Joseph August: Über ein bisher unbekanntes Schillerbildnis aus der Mannheimer Zeit
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Hesse, Hermann: Winterglanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0040

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Über ein bisher unbekanntes Schillerbildnis aus der Mannheimer Zeit.

mit dem charakteristischen „rötlichen Haar, der schön ge-
formten Nase und dem tiefen, kühnen Adlerblick,* der
unter einer sehr vollen, breitgcwölbten Stirn hervor-
leuchtete — mit dem kunstlos zurückgelegten Haar, dem
blendend weißen entblößten Hals", d. h. ganz so, wie
ihn Streicher uns beschreibt. Wir vervollständigen dieses
Bild vom Aussehen Schillers nach dem Original der
leider nicht ganz gut gewordenen Photographie noch
weiterhin dadurch, daß auch das schmale, magere Gesicht
die stark vortretenden Backenknochen und das eigentüm-
lich breite und energische Kinn zeigt. Als charakteristisch
darf auch der starke und lange Hals angesprochen werden.
Auf den Wangen liegt eine hektische Röte, die für den
lungenschwachen Schiller ebenfalls bezeichnend ist. Im
Original kommt auch die für ihn charakteristische, etwas
hervortretende Unterlippe besser zur Geltung als in der
Photographie. Die Augen sind bräunlich, soweit sich das
erkennen läßt. Sie sind also von derselben Farbe wie
auf dem Bilde der Ludowika Simanowiz, daö nach dem
Urteil von Lotte Schiller als daö ähnlichste Porträt
gelten muß. Der Hemdkragen ist weit offen und fällt
auf einen roten, schnurverbrämten und pelzbesetzten Rock.
Der ganze Eindruck des Originalbildeö ist der des jugend-
lichen Stürmers.
Wenn nun auch alle ins Gewicht fallenden Merk-
male des Gesichtes und der Tracht für Schiller sprechen,
so sind doch zwei Dinge auf dem Bildchen, die zu dem
Dichter in keiner deutlichen und sinnvollen Beziehung
stehen. Einmal die Mappe, auf der die rechte Hand,
den Jeichenftift haltend, aufliegt, während ihr die linke
Hand ein Blatt Papier entnimmt. Zu erklären wäre
dies Attribut wohl nur mit der Annahme, daß Schiller
im Atelier Fratrels, der Miniaturmaler und hervor-
ragender Kupferstecher war, Mappe und Zeichenstift zur
Hand genommen hätte und so dargestellt worden wäre.
Zur Atelieraufnahme würde dann auch die zweite auf-
fällige und schwer erklärliche Erscheinung passen, nämlich
eine im Hintergrund rechts von Schiller undeutlich sicht-
bar werdende Figur. Oder sollte diese Menschengestalt,
die eine eigentümliche Kopfbedeckung, ein lächelndes
Gesicht und einen Schulterkragen noch deutlich erkennen
läßt, etwa ein Polichinell sein und auf das Theater
Hinweisen?
Wann könnte das Bildnis entstanden sein? Nur im
Jahr 1782 und wahrscheinlich gelegentlich der zweiten
Räuber-Aufführung oder während des Aufenthaltes
Schillers im Herbst 1782. Von der zweiten Reise,
berichtet Streicher, brachte Schiller die Influenza mit,
so daß auch der Freund, nachdem er ihn umarmt hatte,
„nach wenigen Minuten schon von Fieberschauern befallen
wurde". Dieser von Mannheim mitgebrachte Fiebcr-
anfall würde die hektische Röte der Wangen gut erklären.
Der Schöpfer des leider unbezcichncten Porträts ist
zweifellos Josef Fratrel, der „kurfürstliche Hofmaler",
Kupferstecher und Miniaturist. Von Fratrel existieren
noch weitere auf Kupfer gemalte Miniaturen in Mann-
heim, deren malerische Technik und Farbengebung mit
dem vorliegenden Bildnis übereinstimmt. Bei dem
Schillerbildnis sind unter der Farbe in das Kupfer cin-

* der dem Künstler allerdings nicht ganz gelungen ist.

geritzte Linien sichtbar, die sehr wohl auf die Haupt-
tätigkeit Fratrels als Kupferstecher hindcuten.
Josef Fratrel ist 1730 zu Epinal in Lothringen ge-
boren, studierte zuerst Rechtswissenschaft und erhielt in
Besannen die Lizenz, worauf er sich in Nancy als
Advokat niederließ. Allein die bei französischen Rechts-
anwälten übliche forensische Beredsamkeit war nicht seine
Sache. Dies veranlasse ihn, seinen Beruf zu ändern.
Er bildete sich zu Paris in der Kunst weiter aus, wurde
dann an: Hofe des Königs Stanislaus Leszczynski zu
Nancy Miniaturmaler und kam von da 1761 nach
Mannheim, wo er historische und allegorische Bilder und
Miniaturporträts in Wachsfarben malte und eine Reihe
vortrefflicher Blätter in Kupferstich schuf. Er starb am
15. Mai 1783 und hinterließ elf unversorgte Kinder in
bedrängten Vermögensumständen. Von seinen Söhnen
widmete sich einer der Malerei. Ein weiterer Nach-
komme wurde Lithograph und betrieb sein Geschäft in
Heidelberg bis vor wenigen Jahren. Aus dem Nachlaß
dieses Fratrelschen Urenkels stammt die jetzt wieder Vor-
gefundene Miniatur. Sie war in Papier aus dem
18. Jahrhundert eingewickelt und trug den Vermerk:
Von meinem Urgroßvater Josef Fratrel, kurpfälzischcr
Hofmaler. Jos. Aug. Beringcr.

interglanz.
Von Hermann Hesse.
Nun war vier Nächte und drei Tage fast ununter-
brochen Schnee gefallen, ein guter, kleinflockiger, halt-
barer Schnee, und in der letzten Nacht war er glas-
hart festgefroren. Wer nicht täglich vor seiner Tür
gefegt und geschaufelt hatte, war jetzt belagert und
mußte zur Hacke greifen, um Hauseingang, Kellcrtor
und Kellerluken freizulegen. So war cs Vielen im
Dorf ergangen und sic werkelten murrend vor ihren
Häusern, in Schaftstiefeln und Fausthandschuhen und
mit Wollentüchern um Hals und Ohren gewickelt. Die
Ruhigen freuten sich, daß der große Schnee vor dem
Frost gekommen war und ihnen die bedrohten Winter-
saatfeldcr schützte. Aber hier wie anderwärts sind die
Ruhigen sehr in der Minderzahl, und die Meisten
schimpften weinerlich über den allzu harten Winter,
rechneten einander ihren Schaden vor und erzählten
Schauergeschichten von ähnlichen strengen Jahrgängen.
Aber im ganzen Dorfe waren kaum zwei oder drei
Leute, zu denen dieser wunderbare Tag nicht von Sorgen
und Arger, sondern viel mehr von Freude, Glanz und
Gottcö Herrlichkeit sprach. Wer irgend konnte, der blieb
in Haus und Stall, und wer etwa hinaus mußte, der
wickelte Frostlappcn um Kopf und Seele und ließ seine
Sehnsucht keine anderen Wege gehen als zurück zur
verlassenen Ofenbank, wo zwischen den grünen Kacheln
die gegossene eiserne Wärmplatte glühte. Und doch
war cs ein Tag, den die Stadtleute keinem Maler
glauben würden, viel jubelnder, blauer und blendender
als der lachendste Hochsommertag. Der Himmel stand
rein und blau bis in unendliche Fernen offen, die
Wälder schliefen unter dickem Schnee, die Berge blen-


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