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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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[Heft 6]
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Langhoff, Gustav: Die Gefilde der Seligen, [2]: Kleinstadtszenen
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Jeckyll, Gertrude: Blumenfarben
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0199

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Blumenfarben.

Vorkommnisse in der Havelburger Gesellschaft waren
ein weit ergiebigeres Feld. Die Jugend hörte scheinbar
wohlerzogen und ehrfurchtsvoll den weisen und nicht-
weisen Reden der Alten zu. Leider nur scheinbar.
Cordes hatte eine Nichte vom Oberstleutnant als
Tischdame, ein ältliches, hellblondes Geschöpf, mit dem
er nicht viel anzufangen wußte. Im Grunde ihres
Herzens affektiert und einfältig, hatte eine adlige
Freundin ihr mit ihrem derben, luftigen Wesen derartig
imponiert, daß sie den Ton nachzuahmen versuchte,
ohne ihn jemals zu treffen.
„F. F., viel Vergnügen, Herr Amtsrichter," sagte
sie möglichst burschikos, als sie Platz genommen hatten.
„Aber Kläre!" rief ihre Freundin, die das hörte,
boshaft. „Jetzt nimmst du mir meinen besten Witz
fort, waS soll ich nun anfangen?"
I Da wurde Kläre sehr verlegen, und Cordes gab sich
in wirklichem Mitgefühl redliche Mühe, sie wieder ins
Gleichgewicht zu bringen. Und bald hatte er ein liebes
und nettes Thema gefunden, das sich mit einigen
Variationen bis ans Ende der Tafel fortspinnen ließ.
So ging auch dieser Abend bei Helbigs vorüber, der
die Äußerlichkeiten der großen Welt krampfhaft beibehielt
und darum für Cordes kleinstädtischer war als alles
andere. Als er schon früh nach Hause ging, verließ
ihn die fatale Empfindung nicht, aus einem Irrenhaus
zu kommen, so verzerrt schien alles in dieser Kleinstadt-
luft, waS in der Großstadt selbstverständlich war.
(Schluß im nächsten Heft.)
lumenfarben?
Ich bin immer erstaunt über die nachlässige,
um nicht zu sagen leichtfertige Art, mit der
Gartenvolk zu Werke geht, wenn cS sich um die Be-
schreibung von Blumenfarben handelt, und über die Art,
in welcher den Blumen ganz falsche Farben bcigelegt
werden. Es geschieht in vollster Harmlosigkeit und ohne
jede Absicht, falsch zu beschreiben. In vielen Fällen
kommt es wohl daher, daß die Namen gewisser Dinge
gebraucht wurden, um in hergebrachter oder poetischer
Weise den Eindruck gewisser Farben hervorzurufen. Und
ein paar dieser Jrrtümer sind so alt, daß sie eine Art
Ehrwürdigkeit bekommen haben, und man sic sozusagen
ohne Anruf passieren läßt. Wenn sie auf allbekannte
Blumen angewendet werden, so fällt es uns nicht ein
sie aufzudecken, weil wir die Blume und ihre wirkliche
Farbe kennen; aber wenn derselbe alte Irrtum bei der
Beschreibung einer neuen Blume gebraucht wird, ist es
entschieden irreleitend. Hört man z. B. von goldenen
Butterblumen, so weiß man, daß leuchtendgelb gemeint
ist; aber bei einer neuen Blume, oder einer, die nicht
allgemein bekannt ist, ist cs doch gewiß besser und ge-
nauer, man sagt von Anfang an leuchtendgelb. Nichts
findet sich häufiger in Pflanzenkatalogen als „leuchtend
* Um noch einmal, zu Beginn der Blurnenzcit, auf das
wundervolle Buch der Gertrude Jekyll „Wald und Garten" auf-
merksam zu machen und einen Begriff von ihrer Schreibart zu
geben, sei unter Hinweis auf die Besprechung im Märzhcft mit
Erlaubnis des Verlags Julius Baedeker, Leipzig, dieses Kapitel
hier abgcdruckl. Wer einen Garten hat, muß das Buch
haben. Die Red.

goldgelb", wo leuchtend gelb gemeint ist. Gold ist nicht
leuchtend gelb. Ich finde, daß ein Goldstück, auf einen
Kiesweg oder gegen einen sandigen Abhang gelegt, in
Farbe fast genau damit übereinftimmt, und ich kann
mich keiner Blume erinnern, deren Farbe der echten
Goldfarbe gleich oder selbst nahe kommt, obwohl etwas
Derartiges in den blütcnstaubbedcckten Staubfäden vieler
Blumen gesehen werden kann. Etwas Goldartigcs findet
sich eher in den sterbenden Buchenblättern und in ein
paar dunklen Tönen von Stroh oder trockenen Gras-
büscheln, aber nichts von alledem ist leuchtcndgelb, wenn
es goldig ist. In der Literatur ist es etwas ganz
anderes; wenn der Dichter sagt „ein Feld goldener
Butterblumen" oder „ein goldener Sonnenuntergang",
so hat er ganz recht; denn er wendet sich an unsere
künstlerische Empfindung, und braucht in diesem Falle
das Wort nur als ein Bild von etwas, das üppig und
farbenprächtig ist.
Dasselbe unachtsame Vergleichen scheint durch alle
Farben zu gehen. Blumen mit vollem, strahlendem
Blau werden oft beschrieben als „leuchtend amethyst-
blau". Warum amethystblau? Der Amethyst, wie wir
ihn gewöhnlich sehen, ist ein Stein von wässeriger
Purpurfarbe, und obgleich es einige von schönem Purpur
gibt, sind sie doch seltener als die blasse Sorte, und
ich kenne keinen der nur im entferntesten einem wirklich
guten Blau glcichkäme. Was hat cs daher für einen
Sinn, eine Blume, wie z. B. Rittersporn, die in Wirk-
lichkeit ein herrliches, reines Blau aufweiscn kann, mit
der schwächeren und ganz anderen Farbe eines dritt-
klassigen Edelsteins zu vergleichen?
Ein anderes Beispiel derselben Nachlässigkeit ist der
Ausdruck flammendrot. Damit ist meistens leuchtendes
Scharlachrot gemeint. Wenn ich eine Flamme betrachte,
sei es im offenen Feuer oder in einer Kerze, so sehe
ich, daß die Farbe ein ziemlich blasses Gelb ist, mit
einem rötlichen Glanz um die oberen Gabelungen, und
an den Rändern oft bläulichweiß — von Scharlach keine
Spur; die dem Scharlach ähnlichste Farbe ist in den
Kohlen, nicht in der Flamme. In einer Kerze ist die
Spitze des Dochts schwach rötlich im Vergleich zur
Flamme, aber in der Flamme selbst ist nicht das
mindeste Rot. Ein fernes Freudenfeuer sieht bei Nacht
rot aus, aber ich nehme an, daß die scheinbare Röte
daher kommt, daß wir die Flamme durch feuchten
Dunst sehen, gerade wie der Erntemond rot aussieht,
wenn er aufgeht.
Und das Sonderbare ist, daß die Ähnlichkeit mit der
unähnlichen und viel schwächeren Farbe der Blume bei-
gelcgt wird, als wolle man ihr damit die größte
Schmeichelei sagen; als ob man eine Blume von be-
sonders schönem Blau dadurch preisen wollte, daß man
ihre Farbe ein strahlendes Schieferdachblau nennt. Dies
klingt verrückt, weil eö ungebräuchlich ist, aber die Un-
geeignetheit des Vergleichs ist kaum größer als in den
eben angeführten Beispielen.
Es scheint am vernünftigsten, zum Beschreiben von
Blumenfarben solche Substanzen zu wählen, deren nor-
male Farbe wenig oder gar keine Veränderung auf-
wcist, — wie z. B. Schwefel. Die Farbe von Schwefel
ist fast immer dieselbe. Zitronengelb und kanariengelb


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