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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Heinrich Otto
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0118

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kunft, die Sicherheit seines Striches in malerisch weichen Blättern zeigen konnte, die wie die hier
abgebildeten „Zimmerleute" und „Vor dem Schafftall" graphische Meisterwerke sind. Erst da, wo
die Nadel mit solcher Sicherheit geführt wird, beginnt der Vorrang der Radierung gegen die andern
graphischen Künste. Und erst, als er mit diesen Blättern herauskam, erkannte man in Düsseldorf,
daß dieser vermeintliche Basteler als Künstler den meisten überlegen war.
Da diesen Zeilen Abbildungen beigegeben sind, braucht der Stostkreis seiner Blätter kaum be-
sonders dargelegt zu werden. Heinrich Otto stammt ans einer bäuerlichen Gegend und ist stets im
bäuerlichen Empfinden geblieben: säen und ernten, pflügen, mähen und melken, das sind seine Vor-
gänge; Dorfgassen und Dorfbrücken, Felder und Wiesen ihr Schauplatz. Meist im bäuerlichen Be-
hagen und nur selten dem sentimentalen Pathos von Millet so genähert wie in dem „Sonnenunter-
gang". Wir sind heute glücklicherweise empfindlich geworden gegen jede Art von Bauernromantik, die
dem Bauern und seiner Arbeit vom Städter anempfunden wird; es war eine Art von Protest gegen
die blöde Historienmalerei, als die „Schönheit des Arbeiters" auf dem Feld und in der Grube
entdeckt wurde. Nun können wir schon sachlicher auf diese Welten blicken und sehen, daß eine
Schafherde vor dem Stall oder im Wald auch ohne lyrische Gedanken sehr malerisch ist, und daß
ein Mäher im Garbenfeld kein Angelus braucht, daß er manchmal am Hellen Mittag in einer Land-
schaft steht, die größer als alle Historien ist. Vor Sentimentalitäten ist Otto durch seine derbe
bäuerliche Empfindung geschützt, wohl aber mit dem besonnenen Blick des einsamen Künstlers für jede
Art von Schönheit begabt wie sie am Wege liegt; und weil er in der Darstellung sachlich bleibt,
keine Mittel zu einer auffälligen Wirkung treibt, so gelingt ihm, was hundert poetischen Zeichnern
nicht gelingt: er zwingt nicht nur die Schönheit, sondern manchmal auch die Größe in seine Blätter
hinein, wie in seinem prachtvollen „Sommer". Jedem Auge muß daran auffallen, wie klar sich der
breite Blick ins Land hinweitet, wie er jede Baumgruppe und Hügelkette deutlich macht, nichts
malerisch verschleiert und keine Silhouette groß in den Himmel treibt, alles sich bescheiden darunter
ausbreiten läßt: und trotzdem den vollkommenen Eindruck seiner Größe nicht beeinträchtigt; so daß
in diesem sachlichen Blatt eine größere Poesie liegt, als mit Romantik daraus zu holen wäre.
Dieses Gefühl für klare Sachlichkeit mag dann den Künstler zum Holzschnitt geführt haben:
hier, wo alles fertig gemacht werden muß, wo mit malerischen und auch zeichnerischen Kunstftückchen
nichts vorzutäuschen ist: kommt seine solide Kunst am klarsten zum Ziel. Dieser hessische Weber ist
ein Musterstück graphischer Kunst. Ohne Manier, ohne Vallotonsche Bravour, ohne stilistische
Erinnerungen, schlicht und treu aus der Anschauung gebildet: und dennoch nicht kleinlich, überzeugend
in jedem Strich.
Die Düsseldorfer haben an Heinrich Otto ein Unrecht gutzumachen. Nicht, daß sie ihm irgendwie im
Weg gestanden hätten, dazu ist der Mensch zu schlicht und liebenswürdig. Aber sie haben ihn wohl
etwas leicht genommen, weil sie zuviel nur an Ölbilder denken, wenn sie von einem Künstler hören.
Nun ist er seinen bescheidenen Weg nebenher gegangen, ist fünfzig Jahre alt geworden: und es wäre
fast an der Zeit, daß sich die Neider meldeten; denn er ist mit seinen langsamen Schritten ganz
vorn in die Sonne geraten, die nur auf wenige seiner Kollegen scheint. In der dickbändigen „Ge-
schichte der Düsseldorfer Kunft" von Schaarscbmidt ist er noch mit drei Zeilen abgefertigt; es wird wohl
nicht lange mehr dauern, daß eine Betrachtung der Kunft in Düsseldorf um die Jahrhundertwende
ihn als Entschuldigung für manche leere Seite gern ausgreifen wird. S.

so
 
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