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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Bürgerlicher Hausrat
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0031

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B

ürqerlicher Hausrat.

Im vergangenen Jahr erhielt ich von einer
mir unbekannten jungen Dame am Nieder-
rhein eine Anfrage; aus jener Notlage, in der sich unsere
bürgerlichen Kreise trotz dem modernen Kunstgcwerbe
immer noch befinden: sie wolle heiraten und verfüge
über eine bescheidene aber ausreichende Summe, lim sich
in einem der landläufigen Möbelgeschäfte ihre Wohnungs-
einrichtung zu kaufen. Doch habe sie bei einer vor-
läufigen Durchsicht einerseits die Unmöglichkeit erkannt,
auch bei geduldiger Auswahl etwas ihr wirklich Passendes
zu finden; anderseits aber möcbte sie gern etwas davon
profitieren, daß die Künstler unserer Zeit sich mit so viel
Eifer und Erfolg der künstlerischen Ausbildung unserer
Wohnungen angenommen hätten. Sie frage mich also,
ob ich ihr einen Künstler angeben könne, der in dem
bescheidenen Rahmen ihrer bürgerlichen Verhältnisse doch
etwas machen könne, darin ihren eigenen Neigungen
in einer persönlichen Form so entsprochen würde, daß
sic ihren Hausrat als etwas zu ihr Gehöriges besäße,
wie eö unsere Großeltern auch gehabt hätten.
Nun könnte man ja sagen, nichts sei in den Tagen
der Dresdener Maschinenmöbel, der Saalecker-, Stadler-



A. Altherr: Ofennische.
schen- und anderen Werkstätten gerade für bürgerlichen
Hausrat einfacher zu beantworten als diese Frage. Wenn
nicht der deutlich ausgesprochene Wunsch nach persön-
licher Gestaltung durch einen Künstler und also der
Hinweis auf die alten Zustände gewesen wäre, wo es
in allen Orten noch Tischler gab, die nach persönlichen
Angaben Möbel in jeder Ausführung machen konnten!
Schon einmal habe ich in dieser Beziehung aus den
Briefwechsel zwischen Herwegh und seiner Braut Hin-
weisen können, wo sie mit Selbstverständlichkeit von
dem Schreibtisch spricht, den sie für seine Schreib-
gewohnheiten selber entworfen habe. Wie kein ver-
nünftiger Mensch, der sich heute ein Wohnhaus bauen
will, zu einer Baufirma hingeht und sich aus den vor-
handenen Grundrissen und Fassaden ein Ding zusammen-
sucht, sondern — wenn er selber nicht in der Lage dazu
ist — mit einem Baumeister in gemeinsamer Arbeit sich
das HauS gewissermaßen anmessen läßt, wie einen Anzug
oder Stiesel auch: so — oder eigentlich noch vielmehr —
könnte eö bei unfern Möbeln auch sein.
Wenn nicht daS moderne Schreckgespenst da wäre:
daß alles Abweichende schwer bezahlt werden müsse.
Das ist theoretisch richtig, in jedem einzelnen Fall auch
nachweisbar und im Ganzen doch sofort falsch, sowie
es sich nicht um so schematische Dinge wie eiwa schwe-
dische „Fabriktüren" handelt. Jeder, der einen größeren
Betrieb kennt, weiß auch, wie die Spesen sich übermäßig
mehren, wenn auf Vorrat nach vielfachen Mustern ge-
arbeitet werden soll. Ich persönlich habe gerade einen
Hausbau nach meinen eigenen Plänen hinter mir und
kann es aus Dutzenden von Beispielen belegen, daß die
einzelne Anfertigung durch den Handwerker nicht teurer
ist. Wie die ganze nun eingetrocknete materialistische
Weltaufsaffung war auch die — angeblich unaushalt-

l?
 
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