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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 1
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Schmidtbonn, Wilhelm: Ein Wintertag im Odenwald
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0048

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Cm Wintertag im Odenwald.

Ich klettere in den Wagen. Vor mir, hoch auf
dem Bock, sitzt daö Leben: der junge Kutscher mit seinen
breiten Schultern. Er hat den Hut auf die Seite ge-
rückt, singt ein Lied und schlägt mit der Peitsche in die
Luft. Die Rosse, deren Atem in die kalte blaue Lust
verdampft, lassen die Hufe flink über die abschüssige
Straße schlagen. Aus dem Schulhaus in Höchst schießt
die rotbäckige, augenleuchtende Jugend in die Sonne
hinaus, und auf den Telegraphcndrähten lärmen noch
die Vögel.
Das rasche laute Leben überall! Nur auö den
dunkelwerdenden Tannen zur Wegseite scheint noch ein-
mal die Stille, der Tod hinauvzuschauen.
verhängnisvolle Jahresbericht
möchte man jene hitzige Komödie nennen, die kürzlich
von Stuttgart aus in Szene gesetzt wurde unter einem so erheb-
lichen Aufwand von Druckerschwärze, wie wenn die Kunst im
Schwabenland vor einer leibhaftigen Höllenfahrt stände. Es war
aber weiter nichts geschehen, als daß der Tübinger Professor
Konrad von Lange nach einer öhs jährigen provisorischen Ver-
waltung der Stuttgarter Galerie im Nebenamt zurückgetreten
war und daß ein Nachfolger gewählt werden sollte, für den der
von der Künstlerschaft am meisten befürwortete Herr Professor
Diez in Vorschlag kam und unterdessen auch gewählt wurde.
Dieser Mann hatte aber das Unglück gehabt, im „Jahrbuch der
bildenden Kunst" lö0ö/I?O7 einen Stuttgarter Kunstbericht zu
haben, der kurzerhand als sein Programm einer Galerie-Verwaltung
aufgegriffen und mit einer Heftigkeit bekämpft wurde, die aus der
Sache allein kaum erklärt werden konnte. Selbst bis in die
„Werkstatt der Kunst", bekanntlich ein Fachblatt für die Inter-
essen der Künstler, zog sich der heftige Streit. Auch eine Broschüre
wurde in auffälliger Weise geschrieben. Wer die Persönlichkeit
nicht kannte, hätte meinen müssen, die Stuttgarter Galerie solle
einem Scharlatan ausgeliefert werden; und auch, wer da wußte,
daß Professor Diez seit Jahren als Dozent in Stuttgart tätig ist,
mußte zweifeln, wenn er immer wieder hörte, er habe sich ge-
schmackloserweise in einem Programm selber als Direktor aus-
posaunt.
Das war in der Tat kein schöner Kunstgriff, einen über-
jährigen Jahresbericht als Ausgangspunkt einer Hetze aufzugreifen,
in der augenscheinlich die Stuttgarter durch auswärtiges Ge-
räusch erschreckt werden sollten. Nun die Sache nicht den ge-
wünschten Eindruck gehabt hat, möchte man sie begraben. Da
es aber in Jahresfrist die zweite Kunst-Affäre in Württemberg
war, könnten wir draußen leicht vergessen, daß der Untergrund
zu beiden der außerordentliche Einfluß ist, den die Künstler in
Stuttgart gewonnen haben. Cs tut nicht wohl, zu sehen, daß
sich den protestierenden Fabrikanten nun protestierende Kunsthistoriker
zugesellten, diesen Einfluß als bedenklich zu bekämpfen.
Denn selbst wenn Professor Diez (nebenbei bemerkt, zwar
ursprünglich Theologe, doch schon seit Jahren als Dozent in
Stuttgart ausschließlich im Dienst der Kunst tätig) nur ein Stroh-
mann der Künstler wäre, als welche» man ihn darzustellen suchte,
und wenn es als ein ausgemachtes Unglück zu betrachten wäre,
wenn ein Galerieleiter der modernen Kunst näher stände, als der
alten (hier liegt noch eine besondere Komik darin, daß sein Vor-
gänger Professor von Lange sich durch sein Hauptwerk selber auf
den Boden der Ästhetik begeben hat, die seinem Nachfolger so
grimmig vorgeworfen wird), und wenn cs wirklich eine aus-
gemachte Sache wäre, daß auch im Museumswesen nur der von
der Pike an gediente Soldat brauchbar sei (das unausrottbare
Übel alles Berufsdünkels): so hätte noch immer kein Grund Vor-
gelegen, in einer so auffälligen Weise die, Öffentlichkeit in An-
spruch zu nehmen. Diese Flucht in die Öffentlichkeit wäre nur
verständlich, wenn ihre Veranstalter bei den maßgebenden Fach-
genossen keine Unterstützung gefunden hätten, was wir um der
Güte ihrer Sache willen nicht annehmen wollen.
Im übrigen möchte ich wohl raten, den fraglichen Jahres-
bericht des neuen Direktors (Jahrbuch der bildenden Kunst
I90ö/l?07, Seite 47 u. f.) und die Broschüre gegen diesen Jahres-
bericht von vr. Heyfelder nachträglich in aller Ruhe zu lesen.
Es wird keinem Menschen von Geschmack zweifelhaft sein, wem

von beiden die Vertretung einseitiger Berufsintereffen zugeschrieben
werden muß, und wohin sich das Vertrauen des ruhigen Lesers
von selber wendet. S.
er Städcl und die Pfungstsche Stiftung.
Seitdem die Pfungstsche Millionenstiftung zur Gründung
einer modernen Galerie Frankfurt zugefallen ist, steht das Kunst-
leben dieser Stadt im Zeichen der Verheißung. Zwar schon ge-
raume Zeit, so daß die Üngeduld zu murren beginnen möchte,
weil sie vergißt, daß die Stiftung der Stadt und nicht dem
Städcl zugefallen ist, wodurch unlösbare Schwierigkeiten entstanden
sind. Wenn cs keine Stiftungsbriefe und Administrationen gäbe,
wäre eine glatte Verschmelzung gewiß das Nichtigste, wobei dem
„alten Museum" der Name Städel und dem neuen der Name
Pfungst angeheftet werden könnte. Da aber weder der Städel
seine Selbständigkeit aufgeben darf laut Stiftungsbrief, noch die
Stadt ihre Galerie einfach dem Städel schenken kann: so treten
die beiden Stiftungen eigentlich in eine Konkurrenz, die selbst für
eine größere Stadt, als es Frankfurt ist, eine Zersplitterung be-
deuten würde.
So wird es sich hier wie leider meist im Leben um einen
Kompromiß handeln müssen; und die einzige Sorge der Beteiligten
darf sein, daß er sich der idealen Vereinigung beider Einrichtungen
möglichst nähert. Von dieser Seite aus muß der ausführliche Plan
gewürdigt werden, für den der Direktor Swarzenski kürzlich die
grundsätzliche Zustimmung von Magistrat und Stadtverordneten
fand. Nach ihm soll das Gebäude der städtischen Galerie auf
dem Grundstück des Städel selbständig, aber in Verbindung mit
dem Jnstitutsgebäude errichtet werden. Beide Sammlungen be-
halten ihre besondere Verwaltung, stehen aber unter einer Direktion,
damit ihre Sammlertätigkeit sich ergänzt. Die Mittel des Städel
sollen fortab für alte Kunst, und die der städtischen Galerie, der
Pfungststiftung also, für moderne aufgewandt werden. Eine Kon-
sequenz dieser Arbeitsteilung wäre freilich, daß die modernen
Bilder im Städel, besonders die Leihgaben des Städelschen
Museums-Vereins, der städtischen Galerie als Leihgaben über-
wiesen würden; denn für den späteren Besucher wird es un-
begreiflich bleiben, weshalb er den einen Trübner hier und den
andern drüben suchen soll.
Jedenfalls kann man nur wünschen, daß dis „verwaltungs-
technische" und „baukünstlerischc" Trennung so unauffällig wird,
daß sich die beiden Hälften doch als etwas Ganzes zeigen. Das
wird um so mehr nötig sein, als der städtischen Galerie noch drei
besondere Aufgaben gestellt werden, die eigentlich dem Städel
gehören: nämlich I. eine kunsthistorische Sammlung von Nach-
bildungen, 2. eine Skulpturen-Sammlung, deren Anfang schon
im Städel liegt. Diese beiden Abteilungen würden in der „mo-
dernen" Galerie völlig als Inseln stehen, während die dritte: eine
Sammlung von Frankfurter Kunst, wenigstens aus der einen in
die andere hinübcrragen würde.
Genau genommen gibt es nur zwei konsequente Möglichkeiten:
entweder die städtische Galerie geht völlig in den Städel als in
die ältere Gründung auf, wobei die Eigentumsrechte gewahrt
bleiben können, dann läßt sich die Aufteilung in eine alte und
neue Abteilung unter einer Direktion säuberlich machen; oder aber
die Direktion zieht die Konsequenz aus der verzwickten vage und gibt
bei der Aufstellung den kunsthistorischen Standpunkt auf. Dieser un-
geheuerliche Gedanke hat, wie man weiß, in Adolf Hildebrand einen
energischen Vertreter gefunden; er stände einer Zeit, in der die Kunst-
wissenschaft unter Wölfflins Führung so energisch von der historischen
Forschung zur ästhetischen Betrachtung hinüberschwenkt, nicht übel an.
Vorläufig aber kommt, um mit einem Scherzwort des allzeit
launigen S. v. Halle zu schließen, der Architekt, der auch vor
die Pfungstsche Stiftung, will sagen städtische Galerie, eine Fassade
bauen will. Hoffen wir, daß hierin der Geist der Baukunst-
ausstellung im Turn- und Taxisschen Palais zur Geltung komme.
S.
ine Bochle-AuSstellung
wurde im Städelschen Institut zu Frankiurt a. M. eröffnet.
Sie zeigt außer einigen frühen Porträts hauptsächlich Bilder der
letzten Jahre in jener Wendung zum Monumentalen, wie sie in
dem kleinen Bild der Jahresausstellung im Kunstverein zum Aus-
druck kam. Sie verdient in verschiedener Beziehung eine ein-
gehendere Betrachtung, womit wir ihr in der nächsten Nummer
nachzukommen gedenken. Die Red.



Herausgeber W. Schäfer, Verlag der Rhcinlande G. m. b. H., Druck A. Bagel, Düsseldorf.
 
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