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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 2
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Lur, Joseph August: Wie ich Töpfer wurde
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0064

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Wie ich Töpfer wurde.

läge bringen wollen, so können wir sogen, daß sich
alle warmen Farbcntönc, rot bis gelb, gegen die kalten
Farbentöne, alle Arten von blau, als ihren komple-
mentären Gegensatz gut verhalten. Wenn nun ein
Raum, etwa durch die Möbclbezüge, Vorhänge usw.,
auf blau gestimmt ist, so werden alle cremefarbenen,
weißen und gelben Blumen, Rosen, Primeln, Sonnen-
blumen, Narzissen eine schöne Wirkling Hervorbringen
und umgekehrt werden blaue Blumen, wie Rittersporn,
Enziane, Eisenhut, Veilchen, Klematis, blauvioletter
Flieder und ähnliche in einem auf gelb oder elfenbein-
weiß gestimmten Raum Wunder tun. Ein Raum, wo
rot vorherrscht, wird ebensogut blau, weiß und grün,
als die ganz starken und höher gefärbten gelben und
scharlachroten Blumen ausnehmen können, wie Dahlien,
Feuerlilien und Sonnenblumen. Weiße Räume können
nicht genug herrliche bunte Blumensarben enthalten.
Hieraus ergeben sich für unsere Kunstpflege im Hause
bedeutungsvolle Winke in bezug
aus die Keramik. Wir werden,
um Ruhe und Einheit in unser»
Wohnräumen ausrecht zu erhalteil
und zugleich starke Blumenwir-
kungen zu erzielen, gelegentlich
Blumen von einer Farbe je nach
der Gunst der Jahreszeit allsstellen
und zu dieser jeweilig herrschenden
Farbe Steingutvasen suchen, die
ebenfalls einfarbig sind, leuchtend
lind schön, gleichsam heraldisch und
einen komplementären Gegensatz
bilden. Dadurch steigern wir die
Wirkung der Blumen, und durch
die Blumen die Wirkung der
bunten Keramik. Hier ist ein
weites Feld für die keramische
Kunst offen. Was wir für den
Hausbrauch benötigen, sind Vasen-
sormen, die in bezug aus ihre Ge-
stalt sachlich von der Beschaffenheit
der Schnittblumen abgeleitet sind.
Wir bemerken, daß bestimmte
Jahreszeiten ganz bestimmte Arten voll Schnittblumen
ergeben. Im Frühjahr, wo die VorsrühlingSblumen
erscheinen, kurzftengelig und in weiten Ständen, ist
Bedarf an niederen, breiten Schalen; für die Treib-
hausblnmen und später für die im Garten gezogenen
hochstengeligen Blüten bedarf man schmaler lind
hoher zylindrischer Röhren in verschiedenen Größen
und, um einen großen Strauß Feldblumen zu fassen,
großer bauchiger Töpfe von angemessener Weite und
Höhe mit entsprechender Standfestigkeit. Diese Formen,
sechs bis sieben an der Zahl, genügen für den Jahres-
bedars. Der Wunsch ist berechtigt, daß solche Töpfe
zu sehr billigen Preisen aus den Markt kommen und
unter Umständen gleichzeitig mit den Schnittblumen
auf den Blumenmärkten zu erstehen sind. Als Töpfer
denken wir an das, was das Leben braucht. Dagegen
ist an den sogenannten künstlerischen Vasen, die den
Hauptreiz im Dekor suchen und als Iierstücke anzu-
sprechen sind, kein Bedarf. Das Wesen einer guten

Blumenkeramik liegt nicht im Ornament. Dieses ist
in den meisten Fällen überflüssig und beeinträchtigt die
gute, aus Farbe berechnete Wirkung, die wir anstreben.
Dagegen finden wir auch aus den alten Töpsermärkten,
wo die leider in Bedrängnis gebrachte volkstümliche
Bauerntöpserei zu haben ist, für billiges Geld ganz
sachliche Formen mit entzückend schöllen kräftigen
farbigen Glasuren, die unseren Wünschen vollkommen
entsprechen. Laßt uns die Töpsermärkte besuchen! Laßt
uns die alte volkstümliche Bauernkeramik, soweit sie
noch unverfälscht aus dem Markt erscheint, mit Vor-
liebe ergreifen und durch unsere Nachfrage einem wirt-
schaftlich bedrängten heimischen Kunstzweig zu neuer
Lebenskraft verhelfen! Hier finden wir, soweit nicht
verderbliche Einflüsse von der Stadt her geltend geworden
sind, schlichte, zweckmäßige Formen und Farben, die
jenen unserer Bauernblumen gleichen! Denn die
Farben der Bauernblumen brauchen wir auch an unseren
Blumenvasen und Töpfen; heral-
dische Farben, darin an nebelfreien
«Lommersonnentagen die Natur ge-
kleidet ist; heraldische Farben, die
wir an dem köstlichen Gefieder
vieler unserer Vögel entdeckten, an
leuchtenden Insekten und Käsern,
an dem Flügelkleid der Schmetter-
linge, an den Mineralien, den
Edelsteinen und Halbedelsteinen
und nicht zuletzt an dem Volk
und seinen schönen alten, bunten
Trachten. Das Volk hat immer
die heraldische Farbe geliebt. Nicht
nur an seinen Gewändern und
Stoffen und an dem bäurischen,
buntbemalten Hausrat, sondern
auch an seinen Architekturen, an
den Bauernhäusern, die heute uoch
in vielen Gegenden an den Holz-
tcilcn bunt bemalt sind, rot, blau
oder grün an Fensterrahmen lind
Türen, die an der milchweißen
Hauswand mit verdoppelter Leucht-
kraft wirken. Von dieser Farbensreude des Volkes bieten
uns da lind dort noch aus den alten Töpsermärkten die
bunten Bauernkeramiken einen herzhaften Sommergruß
und eine freundliche Aufforderung. Es betrifft die Farbe,
sobald, wie angedeutet, die Form in Ordnung ist. Wir
suchen die komplementäre Wirkung, um die Blumen-
schönheit dekorativ zur höchsten Schönheit zu bringen. Ein
Zweig weißlicher Heckenrosen, einige Narzissen oder Chry-
santhemen sehen niemals so wundersam aus, als wenn
wir sie in schwarze oder schwarzgrüne, hohe zylindrische
Vasen stellen. Dagegen kommen die Primeln, die
Ringelblumen, Sonnenblumen, die gelben Margariten,
Immortellen, Mimosen und Dahlien in blauen Gesäßen
zur ausdrucksvollsten Geltung. Umgekehrt werden
gelbe Geschirre am besten ihren Zweck für blaue Astern,
Klematis, Veilchen, Kornblumen, Rittersporn und ähnliche
erfüllen. Lichtgrünes Steinzeug ist gnadenvoll mit
Hellen, weißlichen Blüten, wie Rosen, Maiglöckchen,
weißem Flieder, Anemonen, weißen Margariten. Möwen-


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