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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 3
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Knorr, Theodor: Der Isenheimer Altar von Mathias Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0093

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Noch bleiben zwei Einzelgestalten, welche die Schmalseiten
des geschlossenen Altars abschlossen, die Heiligen Antonius und
Sebastian. Für das Temperament GrüncwaldS sind sie weniger
charakteristisch, als manches andere am Altar, aber auf das
malerische Können hin betrachtet und auf die Knnstentwicklung,
die sich darin ausspricht, geboren sic zu den bedeutendsten Zeug-
nissen. Auf den Antonius läßt sich anwenden, was Bock von
einer Handzeichnung in Berlin schön sagt: „Die großen belichteten
und beschatteten Flächen werden noch von kleinerem Gckräuscl
unterbrochen, letzten fernen Donnern der abziehenden Gotik; im
ganzen fällt und wallt es schon mächtig und breit, volle Akkorde,
großes Orchester mir Orgel."
Wenn hier, wo von Grünewald die Rede sein soll, bisher
mir vom Iscnheimcr Altar gehandelt wurde, so hat das, wie
schon eingangs erwähnt, seinen Grund in der Bedeutung, welche
dieses Werk für die Kenntnis dieses oberdeutschen Malers hat,
der neben Dürer und Holbein als der größte Meister seiner
Zeit dasteht. Wer die Kolmarer Altartaseln nicht gesehen hat,
kann Grünewalds Kunst überhaupt nur Halb kennen lernen, so
wichtig auch die in anderen Städten zerstreuten Werke von
seiner Hand zur Vervollständigung des künstlerischen Charakter-
bildes GrüncwaldS sind. Und wer Grünewald nicht kennte, der
würde die deutsche Kämst des 16. Jahrhunderts schief beurteilen;
der temperamentvollste deutsche Maler iener Zeit, dessen Leiden-
schaft ilm zu einer, im Rahmen der damaligen deutschen Kunst,
unerhört lebendigen Farbengebung trieb, dessen leidenschaftliches
Empfinden sich auch der Landschaft zu bisher unversuchten Wir-
kungen bemäckrigte, er käme nicht zu seinem Recht. Der Karls-
ruher „Gekreuzigte", die Frankfurter Heiligenbilder, die Basler
„Kreuzigung" und der Münchener „Heilige Mauritius", sowie
manches Stück, das von der Forschung noch umstritten ist, sie
alle werden mit dem Iscnheimcr Altar im deutschen Volke den
Namen GrüncwaldS neben die der größten Meister stellen. Denn
auch wir mußten bis vor kurzem, und können beinahe noch jetzt,
mit Sandrart verwundert fragen, wie „dieser verwunderliche
und hochgestiegene Meister so sehr in Vergessenheit geraten
konnte". Doch das Interesse unserer Tage wird das alte Un-
recht an Grüncwald wieder gut machen: feinsinnige Schriftsteller
und gelehrte Forscher haben Grünewald und seinem Werk Ar-
beiten gewidmet, welche der Ruhm, einen unserer Großen neu
zur Geltung gebracht zu haben, lohnen wird. I. K. Huus-
mans ist begeistert für Grünewald eingetreten, und dieser
Tage har das lange mit Spannung erwartete große Grüne-
waldwerk von H. A. Schund (Prag) zu erscheinen begonnen.
Der Bildcrband liegt vor; der Texrband, dem die Reproduktion eines neucntdccktcn Gemäldes
und zweier Grünewald vielleicht angehörendcr Handzeichmmgcn beigcgcben werden, soll bald Nach-
folgen. Alles was der Herausgeber als Gemälde und Zeichnungen des Meisters anerkennt, ist in
diesem Monumentalwerke in vortrefflichen großen Lichtdrucken enthalten. Einige Detailaufnabmcn,
worunter einige bis zur halben Größe der Originale, machen es möglich, dem Technischen der
Malweise des Künstlers in umfassenderem Maße nahezukommen, als Reproduktionen dies sonst zu-
zulassen Pflegen. Das ist gerade bei Grüncwald kein geringer Vorteil, und somit kein geringes
Verdienst des herrlichen Werkes und seiner Verfertiger. Th. Knorr.

Mathias Grünewald: Der heilige Sebastian.
Seitenstück am Jscnheimer Altar.
 
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