Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
[Buchbesprechungen]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0111

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Werk, das von Gertrud von Sanken nach der zehnten Auflage
ins Deutsche übersetzt wurde und mit 71 Abbildungen (aus-
schließlich Aufnahmen aus dem eigenen Garten) im Verlag von
Julius Baedeker in Leipzig herausgekommen ist. Das ist nun
ein dicker Band von rund 270 Seiten; und wenn von den beiden
anderen Büchern gesagt werden mußte, daß sie jedem Garten-
besitzer empfohlen seien! so gibt es bei diesem Buch gar keine
Wahl, man muß es haben, wenn man einen eigenen Garten
und Freude daran hat; denn das Buch ist eine wahrhafte Garten-
bibel, darin uns — nach Monaten geordnet — die wunderbaren
Möglichkeiten der Blumen- und Pflanzenzucht im Freien in die
Hand gegeben werden. Gertruds Jekyll ist keine Gartenbau-
künstlerin; sie hat nur 15 Morgen Landes besessen und ihre
Lebensaufgabe darin gefunden, hierauf alle Zauberkünste der
Flora spielen zu lassen; immer aber in dem natürlichen Gefühl,
nichts als einen Garten mit einem Stück Wald daran zu be-
sitzen, dessen Reiz nur in der Hervorbringung heimischer Gewächse
bestehen kann. Nachdem sie 50 Jahre lang darin gearbeitet, ge-
probt, gehofft, geirrt und gelernt hatte, schrieb sic ohne irgend
welche Prätention in einer bescheidenen und schonen Weise auf,
was sie nun wußte.
Das ist dann kein Buch geworden, das einer machen kann,
weil er ein guter Schriftsteller oder guter Botaniker ist: das ist
eine Niederschrift von Gärtner-Weisheiten, gesammelt und erprobt
in so langer liebevoller Erfahrung. Ein Führer, nicht in der
architektonischen Anlage, aber in allen Einzelheiten, wo die Natur
der Pflanzenwelt in jHage kommt, mit unerschöpflichen Rat-
schlägen. Der billigste und zuverlässigste Gärtner der Welt.
Jedes Exemplar, das durch die gute Uebersetzung auch in ein
deutsches Haus kommt, ist ein Gewinn an Schönheit für unser Volk.
K. Be in er.
Zeichen der Kulturästhetik.
Wenn eine spätere Zeit der unsrigen ein Spottwort an-
heften wollte, so würde wahrscheinlich das Wort Kultur dann in
einer lustigen Verbindung erscheinen. Genau wie in der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die Bildung überhand nahm,
in Bildungsvercinen und Bildungsschriften: so heute die Kultur
und zwar gleich die ästhetische. Die Prediger zur Buße aller-
orten, die Schriften, Publikationen, Vorträge und Gesellschaften
sind unermüdlich, ästhetische Kultur zu pflegen; und eins wird
jedenfalls dabei ersichtlich, daß uns das Ding noch selber fehlt.
Ob man nun später diesen wilden Bemühungen mehr als ein
scherzhaftes Interesse abgewinnt, das wird von den tatsächlichen
Erscheinungen abhängen, die übrig bleiben, und von der würdigen
Art der Publikationen.
Daß wir mit unseren Werken vor der Nachwelt bestehen
werden, darf doch allmählich der ärgste Griesgram hoffen. Schon
gibt es allenthalben Bauten, die für uns sprechen können, und die
Gegenstände guter Haltung (Möbel, Gläser, Metallarbciten usw.)
sind längst aus der persönlichen Behandlung in die Fabriken
übergegangen. Wer heute gut wohnen und sich mit guten Dingen
umgeben will, braucht keinen Reformator mehr herbeizuholen.
Und wer es nicht tut, hat keine andere Entschuldigung mehr als
einen schlechten Geschmack, der allerdings nach unserer Art zu
wohnen immer noch bas verbreitetste Übel in Deutschland ist.
Darum auch jener Übereifer der ästhetischen Kulturprediger, der
ein bedenkliches Zeichen unserer Zeit darstellt. Denn ob die Nach-
welt aus ihren Publikationen auch jenen konsequenten und klaren
Geist erkennen wird, der unser Kunstgewcrbe allmählich beherrschen
lernt, scheint nicht fo sicher. Von den Kultur-Enthusiasten
sprach ich schon im Märzhcft des vergangenen Jahres; von denen,
bic uns mit Schriften geschwätziger Art Kultur cinpredigcn wollen;
sie sind ganz ungefährlich, weil sie nur von ihresgleichen gelesen
werden und für die Nachwelt doch vergessen sind. Verfänglicher
schon sind einige Versuche, unsere Kulturabsichtcn in Prachtwerkcn
festzulcgen wie in diesem, das den Anfang unseres heutigen
Reigens bildet:
Moderne Kultur,
ein Handbuch der Lebensbildung und des guten
Geschmacks,
herausgegeben von Prof. Or. Cd. Heyck in der Deutschen Verlags-
Anstalt, Stuttgart. Zwei dicke Bände mit rund 850 Seiten Text
und >7? Seiten Abbildungen. Der erste Band angeblich der

Häuslichkeit, der zweite der Persönlichkeit gewidmet, obwohl dies
ganz natürlich durcheinanderfallen 'muß; warum z. B. die Lieb-
haberei des Sammelns zur Häuslichkeit, der Umgang mit Büchern
zur Persönlichkeit gehört, das nähert sich schon ber Spitzfindigkeit.
Ich habe diese dicken Bände manchmal vorgenommen, in der
Entschlossenheit, das Geheimnis ihrer Existenz zu entwirren. Ich
muß gestehen, daß ich zu keinem Ende gekommen bin. Daß
Hermann Hesse behaglich von Büchern spricht, ist fein und man
liest cs gern, nur nicht in diesen Bänden, man hätte das lieber
in einem Buch für sich. Aber was dies mit einer Geschichte der
Musik von Karl Storck zu tun hat, oder die wieder mit den Be-
trachtungen von Marie Diers über Glück und Leiden: das ent-
zieht sich mir zunächst. Je länger ich in den Bänden lese, desto
weniger kann ich mich dem Eindruck entziehen, daß hier jemand
eine der beliebten modernen Monographien - Sammlungen vor-
hatte und sich schließlich auf diese äußerliche Einheit in zwei
Bänden einigen mußte.
Zwar versucht der Herausgeber, durch eine nicht besonders
gelungene Einleitung eine Einheit herzustellen; er glaubt sie auch
dadurch gesichert zu haben, daß die einzelnen Autoren ihm per-
sönlich lagen: aber was haben Marie Diers und Hesse, Storck
und Scheffler miteinander zu tun? Es ist ein unhandliches
Prachtwerk entstanden, das man wahrscheinlich in den nächsten
Jahren hier und da im Salon liegen sehen wird, das aber,
scheint mir, uns vor der Nachwelt als recht geschwätzige Leute
zeigen kann.
Denn — und dies ist der Grundirrtum — nach einem solchen
Plan drauflosreden müssen, wie es die meisten Mitarbeiter tun,
nur achtend, daß alles auch hübsch erledigt wird (das Reisen,
Trinken, die Frauenfrage, Barttracht und Toilettenmittel, alles findet
seinen Platz): das führt gradaus zur Langeweile. Ich bezweifele,
ob mancher sich durch die 850 Seiten hindurchliest. Hat er
Interesse für den Gegenstand, so findet er zu oft Gesagtes, und
nimmt er es als „Laie" — wie einer sich ehemals den Knigge
nahm — um Lebensbildung zu erlernen: er fürchte, er entschließt
sich nach den ersten hundert Seiten zur Unkultur zurück. Ein
großer Aufwand ist nutzlos vertan und ein paar gute Schrift-
steller sind einem aufdringlich vorgeritten worden.
Dabei hatten diese beiden Bände als Warnung schon einen
mißglückten Vorläufer:
Da6 deutsche Volkstum,
das ebenfalls in zwei Bänden von Professor Or. Hans Meyer
im Bibliographischen Institut Leipzig vor einigen Jahren in zweiter
Auflage herauskam und worin von deutschen Professoren die
deutsche Sprache, Tonkunst, Dichtung, bildende Kunst, Recht, Wissen-
schaft und Erziehung usw. abgehandclt wurden, die in diesem
Nebeneinander — ziemlich jeder fängt mit den Tiefen der Mensch-
heit aufs gründlichste an und hört in der Neuzeit mit den ge-
wagtesten Ürteilen und einer manchmal bedenklichen Flüchtigkeit
auf — keinen glücklichen Eindruck machen.
Äußerlich sieht man solchen Werken zu sehr an, daß sich in
ihnen das Prachtwerk der Verleger fortsetzen möchte, und innerlich
erkennt man etwas von dem konfusen Sinn des Deutschen, der
so etwas gründlich machen will; für einen Geist zu viel, drum
jedem Geist sein Gebiet. Im Grunde aber doch nur, weil der
Geist fehlt, der umfassende, der tatsächlich einen Kulturdurch-
schnitt geben könnte, wie ihn das bis heute darin unerreichte
Vorbild, der Engländer Chamberlain, in seinen „Grundlagen des
neunzehnten Jahrhunderts" originell und darum mit Erfolg ge-
wagt hat.
Für eine vernünftige Publikation gibt cs da nur zwei Wege:
entweder die berufene Darstellung eines einzelnen Gebietes, wofür
z. B. die
Moderne Baukunst
von Karl Scheffler (Verlag Julius Bard, Berlin) ein gutes Bei-
spiel ist. Ein solches Buch nimmt man zuversichtlich in die
Hand, um an der Hand eines klugen und sachverständigen
Führers ein Gebiet der „modernen Kultur" zu durchschreiten; das
mag dann so scharf zugehen wie es will, es steht für sich selbst
und hat nach niemand zu fragen.
Oder die lokale Darstellung, der Versuch, der einzelnen
Stadt oder Landschaft ein Berater und Warner zu sein, wofür
in der letzteren Zeit mit Glück das Jahrbuch immer mehr in
Aufnahme kommt, nach dem Muster der Jahrbücher für Dresden

85
 
Annotationen