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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 4
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Ebbinghaus, Carl: Das "Haus" in Westfalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0130

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Haus Hülshoff bei Noxel. (Aufnahme Heinrich Stamm, Münster i. W.)

Schwarzwälder und Schweizer Bauernhäusern sehen
lassen kann.
Mit einer solchen bürgerlichen Ausbildung war aber
den Edelherren, die aus dem Lande ihren Sitz haben
wollten, nicht gedient. Für sie mußte daS Bauernhaus
eine grundsätzlichere Umbildung erfahren, wofür das be-
kannte „Rüschhaus", das Wohnhaus der Annette von
Droste-Hülshoff, ein außerordentliches Beispiel bietet.
Hier ist durch einen Umbau Mitte des 18. Jahrhunderts
ein Musterstück herrschaftlicher Hofanlage geschaffen
worden: indem jene heute meist übliche Teilung des
Hauses querdurch am Ende der Diele gegen die da-
hinter liegenden Wohnräume auch äußerlich sichtbar
gemacht wurde. Der Hintere Giebel zeigt (ebenfalls in
der Mitte) einen herrschaftlichen Eingang mit einer
Treppe und ist durch schlank aufstrebende Pilaster rechts

und links der Tür bis in den Giebel strebend
zu einer Art Landschloßgiebel gemacht worden.
Daß aber auch der Giebel mit dem Einfahrts-
tor eine andere Ausbildung verträgt, als die
übliche mit dem Fachwerk und Holzborten,
zeigt der abgebildete, der, ganz in Ziegelstein
durchgeführt, ein dekoratives Stück ersten
Ranges ist. Wie durch eine eingemauerte
Iiegclstellung das einfache Tor in einen
prachtvollen Rahmen gebracht ist: das ist un-
glaublich schön. Hier zeigt sich glänzend,
daß wir den Engländern gleich wohl in
unseren überkommenen Bauwerken Muster
hatten, uns — wie sie es taten — eine
eigene Bauweise zu entwickeln, daß cs uns
nur an Baukunstlern gefehlt hat, diese Muster
zu sehe».
Immerhin ist das Rüschhaus trotz dieser
seinen Umbildung ein Gehöft, kein Edelsitz.
Es war von den von Droste-Hülshoffö erst
Anfang des 19. Jahrhunderts als Witwensitz erworben
worden. Ihr eigenes Stammhaus sah anders aus und
ist ein vollkommener Typ jener Wasserburgen, von
denen hier gesprochen werden soll. Die Edelsitze hatten
mehr zu schützen als die Gehöfte, und weil sie in
einer teils sandigen, teils sumpfigen Ebene lagen, wo
jeder tiefe Graben Wasser zieht, so nahmen sie das
als ihre natürliche „Umwallung". Hieraus mußte sich
von selbst eine besondere Form entwickeln. Umwehrungen
wie bei den rheinischen Burgen waren überflüssig, so
wuchsen die glatten Wände aus starken Fundamenten
frei aus, und natürlich — weil man dicht aus dem
Wasser nicht wohnen kann — möglichst in die Höhe
mit hochausragenden Giebeln, die im Anklang an
städtische Vorbilder die alte Treppensorm einfach
und wuchtig umbildeten.
Ich gebe hier vier Abbildungen ver-
schiedener Bauten, die aus verschiedenen Zeiten
stammend dennoch von einem Baumeister
gebaut scheinen, und deren wuchtige Schön-
heit ihresgleichen sucht. Nur die eine Seite
am Haus Hülshoff ist in Haustein aufgeführt
und dadurch heiterer, schloßartiger als bei
den düsteren Ziegelburgen. Die klare An-
deutung der Geschosse gibt dem hochstrebenden
Wuchs etwas Massives, das mit der ein-
fachen Bedachung an den Seiten und im
First kantig überragt eine außerordentliche
Silhouette gibt. Hier ist eine Landhausform
gesunden, die von allein historischen Stilkram
frei ohne weiteres heute gebraucht werden
kann, und die sich vollkommcn neben den
berühmten englischen Landhäusern halten kann.
DaS Torhaus BySping ist von 1654, Haus
Hülshoff in der hier gezeigten Form aus
dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts:
Leider hat das neunzehnte Jahrhundert sich
nicht danebengestellt. Es hatte zu viel mit
Stilen zu tun, um diesen „stillosen" Bau-
werken gerecht zu werden. AuS den „Häusern"
von damals wurden Schlösser, die sich nicht


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