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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Monumenta artis Germaniae
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0145

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N

ormmertta arti8 OermLniae.

Nun endlich ist auch in der Kunstwissenschaft
das deutsche Gewissen erwacht. Am 7. März wurde zu
Frankfurt a. M. der „Deutsche Verein für Kunstwissen-
schaft" gegründet, um eine grundsätzliche Ausnahme und
Bearbeitung der deutschen Kunstdenkmäler durchzuführen.
Daß diese Gründung zu Frankfurt stattsand, war die
stille Huldigung an eine andere Tagung, die dort vor
89 Jahren abgehalten wurde, um die Gesellschaft für
ältere deutsche Geschichtskunde zu gründen. Damals war
der Anreger Freiherr von Stein, als Jimmcrmann der
neuen deutschen Geschichte mit seiner Idee des deutschen
Kaisertums (einschließlich Elsaß) seit dem September 1815
in unfreiwillige» Ruhestand versetzt. Er hatte seine
Gründe nachzudcnken, warum aus dem Holz der deutschen
Stämme noch kein gemeinsames Haus zu zimmern war;
er wollte das deutsche Erbübel in der Wurzel beseitigen,
als er die Gründung der Aloiiumentg. Osrirmnins
kiistorioL betrieb.

Heute ist Wilhelm Bode, Generaldirektor der König-
lichen Misten zu Berlin, der Gründer; das deutsche
Kaiserreich ist unterdessen durch das selbe Preußen ge-
kommen, das der rheinländische Staatsmann wieder-
herstellte; seine Hauptstadt ist die politische Hauptstadt
von Deutschland geworden, und keiner arbeitet energischer
daran, sie auch in künstlerischen Dingen dazu zu machen,
als Wilhelm Bode. Wohl niemals ist ein Muscums-
direktor eine solche Macht gewesen, wie dieser zielbewußte
Mann, den allerdings eine besondere Konstellation be-
günstigt: die Abneigung seines Königs, des deutschen
Kaisers, gegen die moderne Kunst. Dadurch sind die
kunstwilligcn Kreise in Preußen, soweit sie nicht durch
ein eigenes Verhältnis zur Kunst in eine Art von
Opposition hineingedrängt sind, der alten Kunst zugäng-
licher als der neuen, so daß es ihm möglich war, schon
zur Gründung der neuen Gesellschaft mit hundert-
tausend Mark in Frankfurt anzukommen. Mit einer
Verbindung für moderne Kunst wäre die Zentralisation
nicht so glatt cinzuführen gewesen. Denn daß es ihm
bei der neuen Gründung auch daraus etwas ankam, die
Zentralstelle aller deutschen Sammlerei auf der Muscums-
insel an der Spree endgültig zu etablieren, daran darf
man bei seiner konsequenten Arbeit um diesen Punkt
nicht zweifeln.
Nun soll aber beileibe nicht gesagt werden, daß dies
ein Fehler, oder daß der neue Verein in seinen Absichten
irgendwie zu bcmißtrauen wäre. Er ist um so mehr
zu begrüßen, als eö nach der Gründung des Werdandi-
bundes fast auösah, als sollte das Wiedererwachen
nationaler Gesinnung in der Kunstpslege in unfruchtbare
Schwärmerei zerflattern. Dagegen berührt der einmütige
Entschluß unserer Kunstwissenschaftler, mehr als bisher
die Forschung auf die Kunstschätze unseres eigenen Volkes
zu richten und durch ein großes Sammelwerk diese
Forschung zu einer nationalen Sache zu machen, überaus
wohltätig und ermutigend. Wenn es Bode gelingt, und
die Namen des Vorstandes zeigen die konsequente Absicht,
hierbei jede partikularistische Absonderung zu verhindern,
Preußen, Bayern, Sachsen usw. unter einen Hut zu
bringen: so wäre das eine Art Neugründung des Deut-
schen Reiches, die ihre guten Folgen bald zeigen wird.
Und nichts wird dann selbstverständlicher sein, als daß

der Hut da ist, wo der Kopf sich befindet, und wo aus
die Dauer doch der einzige Ort für die deutschen Samm-
lungen großen Stils sein kann.
Wenn wir hierin ein gutes Vertrauen haben, so
spielt darin der Name Messel cigcntümllich mit. Seit-
dem wir wissen, daß diesem Mann die Neubauten aus
der .Museumsinsel übertragen werden, sodaß uns ein
zweites Kaiser-Friedrich-Museum erspart bleibt, haben
unsere Vorstellungen einen angenehmen Rahmen, in
den wir die neuen Sammlungen gern hinein denken.
Um so peinlicher berührt gerade in diesen Zeiten der ein-
jährige Urlaub des Herrn von Tschudi, der natürlich auch
mit dem Generaldirektor in Beziehung gebracht wird.
Man weiß, welchen Anfeindungen der Direktor der
Nationalgalerie seit Jahren ausgesetzt war und daß die
Vorwürfe immer im Nationalen ihre Begründung suchten.
So könnte ein naives Gemüt aus die Idee verfallen:
in die nationalen Pläne des Generaldirektors passe der
internationale Herr von Tschudi nicht hinein. Nun, wo der
Deutsche Kaiser das Protektorat des „Deutschen Vereins
für Kunstwissenschaft" übernehmen wolle, sei es an der
Zeit, mit dem Franzosen- und Jmpressionistenfreund
aufzuräumen. WaS natürlich bei der Art und Neigung
Bodes ein kompletter Unsinn wäre. Immerhin ist es
schade, daß die kleinen Nörgler gegen Tschudi gerade
jetzt recht behalten. Das Dementi Bodes in der „Nordd.
Allgcm. Ztg." klang nicht gut. Man könnte doch zweifeln,
ob hier nicht ein vortrefflicher Mann größeren Plänen
geopfert wurde, und es gibt in Dingen unserer modernen
deutschen Kunst aus einmal keine bangere Frage als die:
wer wird der Nachfolger Tschudis sein? Soll jetzt nach
so viel frischen Jahren, nach der Jahrhundert-Ausstellung
doch wieder Stubenluft in die Nationalgalcrie cinzichen?
Denn daß die paar geschenkten Franzosen in dieser
„der deutschen Kunst" gewidmeten Sammlung immer
nur der Vorwand waren für eine geschäftige Partei, der
die deutschen Anschaffungen nicht paßten, wird niemand
ernstlich bestreiten. Tschudi war kein Mann, der auf
zwei Schultern trug. Seine Umwandlung der National-
galcrie wird sich trotz der großen gleichzeitigen Verdienste
Bodes immer als die stärkere Tat behaupten, weil er
sie unter den Augen eines Monarchen bewerkstelligte,
dem die Gesinnung darin zuwider war. Gerade für
die deutsche Kunst im 19. Jahrhundert war Tschudi ein
Sammler von seltenem Blick: wer sich durch einige Über-
treibungen die Bewunderung seiner Jahrhundert-Aus-
stellung mit ihren wohltätigen Folgen wollte trüben lassen,
würde sich damit den gekränkten Interessenten anschließen.
Im „Tag" wurde sein „Abgang" durch ein Scherz-
gedicht von Göttlich begleitet, das mit diesen kurios
gereimten Worten schloß:
Die wahre Leitung, wer kann die?
Nur einer vom Werdandi.
Ob damit etwas abgewehrt oder nur ein Witz gemacht
werden sollte: jedenfalls erhellte das Wort wie ein Blitz
die Situation. Nichts wäre bedenklicher, als nun das Kind
mit dem Bade auözuschüttcn. Wer die dunklen Mächte
kennt, die gegen Tschudi Sturm liefen — Bode schickte
einen Neugierigen zu Meyerheim -, wird wissen, wie-
viel Gefahr hier abzuwehren ist. Jedenfalls sieht sich
der Generaldirektor der Königlichen Museen vor eine
wichtige Entscheidung gestellt, die auch etwas bedeutet
für die Nonumsirbs, gwtls Kkrmunins. S.
 
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