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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

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Nr. 8
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Selig, Theodor: Die Bruderschaften des Dekanats Riedlingen, [9]
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125

Existenz der Bruderschaft ums Jahr
1500 außer allem Zweifel.
In dem erwähnten Bruderschaftsbuch
(Liber corllratermtatis 8llb Uatrocinio
O. LebaRiani IVt.) berichtet Pfr. Renner
zunächst über die Entstehung der Se-
bastiansbruderschast im allgemeinen und
bringt einen Auszug „c libello cllctas
Lonfraternitati8 apuä U.U. ?.?. ?ranci8-
cano8 convcntuale8 lüderIin^LNO8 ereclae
(cum gua nv8tra dlLukkracen8i8 in
omnidu8 kerc concorclat) excerptam
atguc etiam in antiguo Lonkratrum
nostrorum Latllaln^o 8imilit>u8 kerc
verbi8 relatum." Den wesentlichen In-
halt dieses alten Neufraer Mitglieder-
katalogs, welcher nicht mehr vorhanden
zu sein scheint, hat Pfarrer Renner in
das von ihm angelegte Bruderschaftsbuch
ausgenommen. Es folgt die Geschichte
von der Pest zu Rom a. 680 und der
wirksamen Anrufung des hl. Sebastians,
eines Patrons gegen Seuchen und
Krankheiten. Dein alten Bruderschafts-
bnch entnahm Pfr. Renner auch den
Wortlaut einer Bnlle des Papstes
Klemens VIII. vom 3. Jan. 1603, worin
der Papst der gleichnamigen Bruderschaft
zn Speier Privilegien erteilte. Es wird
dann beigefügt, daß der Neufraer Bruder-
schaft eine gleichlautende Bnlle erteilt
wurde, welche in den Kriegszeiten ver-
loren gegangen sei. Auch die Bruder-
schaft selbst war in der ersten Hälfte des
17. Jahrh. ziemlich in Verfall geraten.
Als Pfarrer Nenner i. I. 1673 die
Pfarrei Neufra übernahm, fand er die
Bruderschaft „vetu8tatc temporum nota-
biliter collap8am." Bald erwirkte er
eiue neue Bulle des Papstes Innozenz
Xl. vom 28. März 1678, welche er im
Wortlaut mitteilt, desgleichen ein Breve
über das Alterprivileginm vom 28. März
1678, ferner die bischöfliche Konfirmation
vom 10. Dez. 1678.
Nachdem er im Brnderschaftsbuch die-
se Dokumente lateinisch und deutsch an-
geführt und erklärt hat, bespricht er die
alten Statuten der Bruderschaft, deren
Inhalt kurz folgender ist:
1. Wer Aufnahme wünscht, muß der päpstl.
Bulle gemäß leben und versprechen, die Bruder-
schaft zu fördern und die Satzungen zu beobachten
2. Die Mitglieder müssen den Bruderschafts-
gottesdiensten in den Quatemberzeitei:, an: St.

Sebastiansfcst u. Oktav, in welcher Seelcnamt
für die ch Mitglieder war, beiwohnen und zu
Opfer gehen. (Strafe für Abwesenheit: 1 Vier-
ling Wachs).
3. Die Brüder und Schwestern müssen dem
Begräbnis und Leichengvttesdiensten für ch Mit-
glieder beiwohnen und für dieselben beten.
4. Aergerlich Lebende, welche vergeblich brü-
derlich gemahnt worden sind, sollen ausgeschlossen
werden.
5. Neben den: Präses sollen zwei oder drei
Pfleger ausgestellt werden, welche die Bruder-
schaft fördern, Geld, Opfer u. Almosen einnehmen
sollen und jährlich auf Si. Sebastianstag oder 14
Tage vor oder nachher Rechnung abzulegen haben.
6 Geistliche Mitglieder sollen täglich morgens
den Psalm ,,Oe prokuncii8", abends ,,1)eus
misereatur nv8tri" beten, die Laien täglich 3
Vaterunser und Ave Maria mit dem Glauben.
7. Jährlich sollen nach alter Gewohnheit die
Toten und Lebendigen von der Kanzel verkündet
werden.
Um nötige Geldmittel zu verschaffen,
war es nach uraltem Herkommen üblich,
daß jeder Brnder und Schwester sich mit
wenigstens 20 Kr. einkanfe oder ablöse
oder unterdessen, bis die Ablösung ge-
schehe, jährlich 1 Kr. bezahle; das früher
gebräuchliche „Anlobcn mit handgegebener
Treu" fiel später weg.
Pfr. Renner berichtet noch über die
hergebrachten Gedächtnistage nnd Bru-
derschafts-Feierlichkeiten. Außer den
schon bei den Statuten genannteil Gottes-
diensten fand jeden Dienstag eine Votiv-
messe statt.
Durch die Bemühungen des genannten
Pfarrers nahm die Bruderschaft einen
neuen Aufschwung. Auch die neue Mit-
gliederliste enthält Namen aus ver-
schiedenen adeligen Geschlechtern und
aus etwa 30 Ortschaften; gegen 30
Geistliche aus der Umgegend waren Mit-
glieder. Es würde zuweit führen, auf
der: neuen Katalog näher einzugehen;
dagegen ist der alte Katalog einer näheren
Beachtung wert. Er enthält die Namen
voll 65 Adeligen von ca. 1500—1660,
voll mehr als 50 Geistlichen aus jener
Zeit nnd vielen anderen angesehenen
Persönlichkeiten — ein Beweis für das
hohe Ansehen der Bruderschaft. Aus
verschiedenen Gründen werden hier die
adeligen Mitglieder in der Reihenfolge
des Nekrologs vollzählig aufgeführt und
wo dies dem Verfasser zufällig möglich
ist, Jahreszahlen beigefügt.
 
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