Theater-Pfeile (1850)

ein Veiblatt

zum Münchener Punsch HI. Band.

Sonntag. 4. 27. Jänner t850.

Möniglrches Hos- mid Nationnl-Thr'ater.

München, 25. Iänner 1850 (zum crsten Male) Mazarin, „hifto-
risches" Schauspiel von Ch. Birchpfeifer. Wic so ,,hiftorisches" Schau-
spiel? Warum heißt man das Mazarin? Wozu 4 Akte? Uud je länger
man das Ding ansieht, desto mehr solche ,,Warum" und ,,Wie so" fteigen
einem auf. Eine hcchft glcichgültige Privatnei'gung Louis XlV-, die we-
nig Ursachen und gar leinen Erfolg hat, muß Stoff für 4 Akte geben,

und welchc Zeichnung Louis XlV.! — ein verli'ebter Gelbschnabel, der

mit seiuer Muttcr ganz unverschämt poltert, cin „Fcuerkopf" und „reger
Geift", der aber den ganzen Abend nicht ein bemerkcnswcrthes Wort von
sich gibt, kurz eine Erscheinung, die, so trefflich Herrn RichterS Spicl war,
von Akt zu Akt unausftehlicher wird, wenn man sich auders einen König
von Frankreich aus jcner Zeit, cinen Louis X!V. selbft vorzustellen ver-
mag. Und Mazarin selbft! Er sagt immer, was er Wundcr für scharse
Augen hat, und alles sieht, wenn er auch nicht hinsieht - und das wich-
tigfte waS vorgeht, den heimlichen Vermahlungsplan bes KcnigS mit der
Mancini, so heißt der Gegenstand, sieht er nicht, sondern zu diesem Be-

huf kriecht den ganzen Abend Mazarin's alte Amme wie eine Kreuzspinne

an den Wänren hcrum, und muß ihm bei dcr Gelegenheit ein auf obi-
gen Skanral bezügliches Aktenstück hinterbringen.

Er kauft auf der Bühne cin Gemälbe für 50 Tausend Piafter, dak
bedeutet seincn Kunstsinn, und sucht erst von dem Prcise noch herunter«
zuhandeln, das bedeutet seinen Geiz; — Madame Birchpseifcr ift eine
flinke Malerin—sie wirft nur einenKlecks hin, der bcdeutct das und das,
und ein hiftorisches Schauspiel ist fertig. — Wie schon gesagt, der König
verliebt sich in die Mancini, und in einem unbewachten Augenblick fallt
es ihm gar ein, sie zu heirathen, was aber Mazarin nicht leidet, und wo-
rauf die Mancini, als die „Gescheidtere" nachgibt und entfagt. Er ist