Theater-Pfeile (1850)

ein Deiblatt

zum Münchener Punsch III. Band.

Sonntag. 38. 22. Sept. t850.

Königliches Hos- und Blatronal-Theater.

Sonntag, 15. Sept. Freischütz. „Ja, im deutschen Gesang,
da leistet Frln. Hesner gcwiß Vortrefstiches; das ist Etwas für sie, die
deutsche Sängerin;" so raisonnirte eine Parthei, die wir dieKunstdeutsch-
thümler nennen möchten. Nebenher war wohl auch leise Hofsnung da, die
Ehre der versrühten Kränze auf Sonntag hinüberspinnen zu können. Aber zu
srüh am Donnerstag, zu früh amSonntag! — Recht deutlich wurde uns
heute wieder der alte Satz, daß es eben keine deutsche, keine französische
und keine italienische Kunst oder Schule gibt, sondcrn nur eiue, die gute
Schule, die wahre Kunst. Die Agathe will eben so gut gesungen sein
als die Nosine, d. h. man muß gelernt haben; man muß Gefühl
besitzen, da wie dort. Den Eindruck, den Frln. Hefner als Rosine auf
uns machte, haben wir neulich in diesen Blättern niedergelegt; heute
machte sie gar keinen Eindruck; sie wurde sogar von ihrcmOrgan verlas-
sen und die herrliche Arie im zweiten Akt ging spurlos vorüber. „All'
meinePulse schlagen", diesenCulminationspunkt von warmer, durchgreisen-
der Empfindung, scheintFrln.Hefner nicht verstanden zu haben, sonst wäre
der unbefangene Hörer mit ergriffen, mit hingerissen worden; um kurz zu
sein, wir sragten eifrige Hefnerianer nach ihrem Urtheil, und fie antwor-
teten: „Vor der Reise nach Paris hat sie diese Rolle viel besser gesungen."
Hierin liegt gewiß Alles, was sich über das geehrte Mitglied sagen läßt,
ohne jedoch zuzugeben, daß Frln. Hefner diese oder eine andere Parthie je
schon vollends gut gesungen habe. Luetoium eeuseo — und dieß wer-
den wir immer wiederholen —: Man lerne! Am Schluße noch einen
wohlmeinenden Rath: um eine Schauspielerin zu sein, genügt nicht, daß
man hübsche Hände und Augen avzuwenden wisse, man muß sich auch