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Theater-Pfeile — 1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.25047#0117

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'I'deM-l'IHI«!

ein Veiblatt

zum Münchener Punsch III. Band.

Sonntag. 30. 28. Juli 1850.

München, 26. Juli. Jn Wien ist bekanntlich Velagerungs-
zustand und Militärherrschaft; in München erfreut man stch cines verfas-
sungSmäßigen Zustandes. So weit unsere Combinationsgabe geht, sollten
diese beiden Verhältniße, das belagerungsständische und das versassungs-
mäßige immerhin einen Einfluß auf die Kunst üben, namentlich auf die
des Schauspiels, wo das lebendige Wort in den veischiedenften Situationen
in die Herzen dringt, wo historische Personen austreten und gesellschastliche
Bezichungen nicht zu vermeiden sind. Ueben aber die politischen Verhält-
nisse einen Einfluß auf die Kunst, so muß sich dieselbe unter dem ver-
saffungsmaßi'gen Zustand frei, unter dem Belagerungszustand aber gedrückt
fühlen. Man sollte meinen, auch dieser Schluß sei richtig, weil natürlich,

— dcch nein — in Wien ist die theatralische Rebefreiheit größer, als in
München; wir hörten aus den dortigen Theatern unzählige politische
Couplets, die nicht nur liberal, sonrern so radikal waren, daß unsere
Verwunderung kein Cnde flnden wollte. Man wird sreilich einwenden,
„das geschieht auf den Wiener Volkstheatern, bei uns hanrelt stch's um
das Hoftheater." Darauf erwidern wir: Auf dcm Wiener Burgtheater
werden keine Possen gegeben; aber auch in der Tragövie „Cäsar" wurde
dort so mancher Passus gesprochen und beapplaudirt, der dem scharfen
Auge der Müuchener Censur hätte weichen müssen. Nun steht aber fest,
daß zu Poffen auch Couplets nöthig sind, unv zwar frische, wirksame und
zeitgemäße. So lange man aber aus dcm Münchener Hostheater Possen
gibt, muß auch den Couplets der nöthige Spielraum eingeräumt werden;
über die Gränzen des Anstanvs und selbst der zartesten Rückstcht gegen
den Charakter des H ostheaters verlangen wir ja ohnedem nicht hinaus.

— Jn Berlin wurde ein Rescript erlaffen, daß Schauspieler bci Strafe
augenblicklicher Cntlassung weder den König noch Mitgliedcr der Königl.
Familie ccpiren, noch Neligion oder Staat angreisen dürfen. Ein solches
Rescript wird bei uns niemals nothwenvig werven; um so ungerechter ist
der politische Druck, dem auch die harmloseffen, und lediglich auf die Cr-
heiterung der Zuhörer berechnetcn Gevanken unterliegen müssen. Um
wieder auf das belagerte Wicn zu kommen, als den Gegensatz des con-
stitutionellen Münchens, so theilen wir hier ein Couplet mit, welches vor
ein paar Monaten auf dem Theater an der Wien gesungen wurde. Von
den radikaleren besitzen wir leiver keine Abschrift, und müssen dieses als
eines der gemäßigtsten bezeichncn.
 
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