Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Theater-Pfeile — 1850

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25047#0118

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-18

,,Deutschland hat vi'el trunken und g'schmaust sederzei't,

Jch heff' nicht, daß Jemand mir das nech bestrei't.

Man hat ni'cht nur 'nunter g'schluckt, daß' einem schmeckt,

Sondern höh're Bedeutung ind' Schüsseln gelegt:

Wir effen für Vaterlands Ehre und Glück,

Ni'cht se sehr aus Hunger als aus Pelitik.

Die prächtige Erstndung macht Ehr unserm Land,

Uud wuroe ganz paffend Zweckessen genannt.

Mancher Freßpatriet kann sich vft nünmer bieg'n,

Und wird einen Zweckkatzenjammer noch krieg'n."

„Da fällt mir das arme Schleswig-Holstein ein. Jch möcht'S nicht
ausrechnen, um wie viel schon mehr Fässer Wein als Fäffer Pulver für
Schleswig-Holstcin verbraucht wordeu ffnd. Man sagt jetzt, der Frieden
mit Dänemark sieht vor der Thür; bis aber ein solcher Frieden kommt,
mit welchem die Schleswig-Holsteiner auch zufrieden sind, dcrweil wird
noch viel Champagner hinablaufen.

,,Jm Herzen muß Friedeu sein, sonst nimmt's kein Eud —

Das Ehrg'sühl ist nit so zäh wie's Pergament. —

Auf Eselshäut laßt stch nicht bau'« meiner Sir,

Ein neuer Boden muß g'legt wer'n, sonst hilft alles nir."

So paffend z. B. diese Strophe im jetzigen Moment wäre — fie
würde die Münchener Censur gewiß nicht passiren.

Äönigliches Huf- und Rntirinal-Theater.

Müuchen, 21. Juli. „Die Jungfrau von Orleans" ro-
mantische Tragödie von Schiller. — Fräulein Damböck: Johanna.
Eine Jungfrau durch göttlicheViffonen, wie sie nur vor Zeiten vorkamen,
entflammt, steht an der Spitze eines Heeres , häuft Sieg auf Sieg, ohne
daß ihr eine Diplomatie im Wege stünde, rettet und befreit, ein weibli-
cher Mvses, ihrVelk; unbegreifliche Donnerschläge fidimiren das Zeugniß
der llebernatürlichkeit, welches ihr die gläubige Nation längst ausgestellt
hat, ste wird als Repräsentantin der höllischeu Macht verftoßen und
kehrt wieder in himmlischer Glorie — der einfältige Wahn ift zerstoben
unb die Anbetung verdoppelt und verdreifacht sich — sie legt das wunder-
bare Schwert nicht nieder, bis nicht alles vollendet ist, endlich dringt
ibr ein rödtliches Schwert geraden Weg's in's Herz, nachdem schon vor-
her Amors sanfter Pfeil auf dem Filialweg der Poesie dahin gelangt war.
Sie selbst glaubt an ihren göttlichen Beruf, und wird dadurch zur Heldin;
das Volk glaubt an ste, und wird dadurch zum Sieger — ein großer
Stoff, eine mächtige Verherrlichung des alten Sprüchworts : Der Glaube
macht selig! Es ist keine Tragödie, in der irgend eine moralische Wahr-
heit zum höchsten entwickelt, iu der das dunkelwaltende Schicksal oder die
dramatische Gerechtigkeit irgend einen Triumph erringen, es ist eine Le-
genbe, ein dramatisirtes 'l's l)6»m, weil Gott da, wo der König zu
einer „rettenden That" selbst zu feig und zu schwach war, eine Jungfrau
schickte, ihm aus der Verlegenheit zu helfen, welcheö Wunder in diesem
Fall wirktich als eine „ftaatsrechtliche Liothw endigkeit" erscheinen
mußte. So ein Lobgesang aus Gott, König und Vaterland ist herrlich
zu lesen — so wie ja überhaupt die Poesie Alles verherrlichen kann —
(Verrath, Dummheit, Undank und gemeine Verbrechen ausgenommen) —
es gab auch einst eine Zeit, wo diese herrlichen Personen herrlich darge-
steür wurden — und eben weil unsere Jugend sich an jener Lektüre er-
 
Annotationen