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Theater-Pfeile — 1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.25047#0114

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genügscimen Wunsche wärm wir bei der Sache, das heißt bei unserer
hos- und nationaltheatralischen Redefreiheit angelangt. Der Umschwung
eder wenigstens die Bewegung der Dinge ist von der Rauchfreiheit und
der städtischen Beleuchtung angefangen, bis hinaus zur Staats- und Bun-
desverfaffung, überall wenigstens bemerkbar geworden, nur unsere Hosbühne
genoß allein das zweideuttge Glück, vom Sturm der Zeit gar nicht be-
rührt zu werden; es ist bei ihr keine Reaktion möglich, denn wohin sollte
das Theater noch zurückgehen? Leider bcsitzt München kein zurechnungs-
fähiges Volkstheater und so sieht sich die heitere Muse wider Willen ge-
zwungen, beim Herrn Baron von Frays abzusteigen. Was ist nun heut
zu Tag noch im Stand, alte Singspiele und Possen — (neue bekommen
wir ja nicht) — noch aufzufrischen, zu würzen und genießbar zu machen,
als hie und da ein Anklang der Zeit, eine witzige Beziehung auf die Ge-
genwart? Niemand aus dem Publikum wird verlangen, daß Staat oder
Kirche bespöttelt oder überhaupt würdevolle Gegenstände travestirt werden,
und kein Künstler würde seinen Mund zu einem Erzesse herleihen — aber
selbst den arglosesten Humor in Ketten zu legen, und nicht einmal Anspie-
lungen auf lokale Vorkommnisse zu erlauben, und dadurch dem Publikum
wesentliche Unterhaltung zu entziehen — das ist eine Engbrüstigkeit, über
die wir gelinde gesagt, nur unser tiesstes Bedauern aussprechen können. —
Der Grund hierin liegt leider sehr tief, und indem wir weder den Regis-
seuren noch dem Jntendanten die volle Schuld zuschreiben, müssen wir sie
vielmehr in dem ganzen fortschrittsfeindlichen Charakter, in der parteilichen,
abhängigen und servilen Stellung finden, die unser Hoftheater einnimmt,
ohne consequenter Weise den Namen Nationaltheater abzulegen. Eine
Kunstanstalt, welche sich gewiß bei weitem zum größten Theil aus dem
Säckel des Publikums unterhält, sollte doch den Launen der Aristokratie
und der Willkür der Bureaukratie nicht gar so auffallend unterworfen
sein. Wir wollen die Bühne zu keiner politischen Propaganda machen,
aber auch in ihr keine furchtsame Sklavin der herrschendenMacht erblicken,
die Servilität läuft der Kunst eben so zuwider wie die Frivolität. — Jn
dem aus der Vergangenheit hervorgezogenen Singspiel von Lortzing, die
„beiden Schützen" legte Herr Hoppe ein paar neue Couplets ein, darunter
auch eines auf den Marseillaise-Tumult im Frühlingsgarten. Der stürmi-
sche Applaus bewies, daß sich das Publikum hiedurch auf das höchste er-
götzt fühlte; bei einem alten, überdieß nicht fehr werthvollen Machwerk
ist ja der Darsteller fast moralisch gezwungcn, durch einige Neuerungen,
wenn solche anders passen, den Zuhörern die Langeweile zu vertreiben.
Doch die Anerkennung, die das erheiterte Publikum einer solchen Auf-
merksamkeit zollt, wird von unserer Theaterverwaltung nicht getheilt. Je-
der Darsteller hat jede Silbe, die er einzulegen wünscht, seinem einschlägi-
gen Negisseur zur Censur vorzulegen; auch Herr Hoppe erfüllte diese
Pflicht gegenüber Herrn Lenz, dem Regisseur der Oper, der, weil er diese
 
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