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Theater-Pfeile — 1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.25047#0184

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— 184

Münchener Zuschauer.

Es sind der Redaktion mehrere Aussatze zugekommen, wekche gegen
das im Werk sein sollcndeEngagement der Frau Viala-Mittermaier
gerichtet sind. Jn diescn Blättern sind die Verdienste der genannten
Sängerin stets als sehr bedeutend anerkannt worden, namentlich zur jetzi-
gen Zeit, wo der thatsächliche Mangel einer Prima-Donna eingetreten ist,
und unsere ohnehin aus sandigen Boden vcrsetzte Oper ohne Frau Viala,
die si e wie milder Thau ersrischt, einer momentanen Verdorrung entgegen-
gehen müßte. Gcgen ein definitivcs Engagement dieser Dame werden
indeß triftige Gründe geltend gemacht. Den artisiischen Aequator hat sie
bereits Passirt, es ist an kein Aufnehmen, scndern nur mehr an ein Ab-
nehme n ihrer Mittel zu denken; auch dcm Nichtkenner wird in Gesang
und Spiel ihre stellenweise Anftrengung bemerkbar; unserPublikum pflegt
ab er gerade mit Anstrengung hervorgebrachte Töne sehr hestig zu applau-
diren, wodurch ein der Selbsttäuschung zugänglicher Künstler leicht falsche
Vorstellungcn von seinenKräftenbekommcn kann, was sreilich bei FrauViala
als einer denkenden Künstlerin, nicht zu befürchten ift. Deßhalb wird sie
auch die Meinung eines allzu sreundlichcn Rczensenten nicht theilen, der
in einer süngst veröffentlichtcn Besprechung des Propheten behauptete,
vor ihren Leistungen müsse „jede Kritelei verstummen". Wenn bezüglich
der Frau Viala keine Kritik, sondern nur „Kritelei" möglich wäre, so müßte
sie ja ein über alle Kritik erhabenes, das ist vollkommenes Wesen
sein, deren es bekanntlich unter der Sonne niemals gegeben hat. Wenn
aber derselbe warme Nczensent nur in ihrcm Engagement die Rettung der
Oper erblickt, so müssen sich diejcnigen, welche sich eben so aufrichtig für
unsere Kunstanstalt interessiren, aber anlererMeinung sind, gedrungen süh-
len, dieselbe auszusprechen. Frau Viala, die bereits in Meiningen eine
äufferst vortheilhafte Stellung hat, wird di'ese nur gegen ein zehnjähri-
ges Engagement an hiesiger Bühne, das ihr Zeit Lebens eine gute Pen-
sion sichert, vertauschen wollen. Geqcnwärtig süllt sie den Platz einer
Primadonna aus, und der ihr zu stipulirende Gehalt würde dieser Eigenschaft
entsprechen müssen. Nun entsteht die Frage: wird Frau Viala, von
zehen Jahren gar nicht zu reden, auch nur nach 3 oder 4 Jahren noch
als Primadonna stguriren können? — Wir machen daraus der Gefeierten
keinen Vorwurf, denn ausser den Göttern stehen alle Wesen unter dem
Einstuß der Zeit; übrigens kann man sich des schönsten Lebenssommers
erfreuen, während man als Primadonna herbstliche Düfte einathmet. Die
Casse müßte also Frau Viala um 6Jahre länger als Primadonna aner-
kennen, als das Publikum, und ihr lebenslänglich diePension einer solchen
verabfolgen laffen, während sie doch verhältnißmässig nur kurze Zeit als
solche gewirkt haben würde. Es wird wohl niemanden einsallen, zu
g lauben, daß wir Frau Viala diese pekuniären Ergebniffe mißgönnen: aber
 
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