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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0125

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Eine indische Rätselaufgabe bei Sophokles.

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Doch nun zu der Aufgabe, die Minos stellt. Robert, R.-E. IV
2001 hat bemerkt, daß die Aufgabe unverkennbar mit Beziehung
auf das Labyrinth und den Ariadnefaden gestellt wird.1 Das wird
richtig sein; denn sonst hätte, um die Klugheit und Geschicklich-
keit des Daidalos ans Licht zu bringen und so seinen Aufenthalts-
ort zu ergründen, wohl auch eine andere Aufgabe vorgelegt werden
können, eine von den Aufgaben, die in großer Anzahl bei den
verschiedensten Völkern, in den verschiedensten Literaturen anzu-
treffen sind und sicherlich auch zur Zeit des Sophokles in Griechen-
land umliefen.2 Dennoch scheint die Frage berechtigt: woher
stammt die eigentümliche Aufgabe, durch die Windungen einer
Muschel einen Faden zu ziehen, mit ihrer doch nur scheinbar ein-
fachen Lösung? Hat sie der Dichter, wie Weicker, Gr. Tragödien
S. 436 anzunehmen geneigt ist, aus der (griechischen) Volkssage
geschöpft, oder ist die Aufgabe fremdes, nach Griechenland ein-
geführtes Gut? Nun besteht die bisher nicht beachtete Tatsache,
daß die Aufgabe mitsamt ihrer Lösung, in ganz ähnlicher Form,
auch bei den Indern und Arabern vorkommt. Man kann sich
daher des Gedankens kaum erwehren, daß sie auf einem jetzt nicht
mehr zu ergründenden Wege aus dem Orient über Ionien nach
Griechenland gewandert ist. Oder sollte man den umgekehrten Weg
anzunehraen haben ? Daß "die Aufgabe zu denen gehört, die nur
einmal, an einem Orte, erdacht worden sind, darf wohl als
sicher gelten.
Die der griechischen Muschelaufgabe (um sie kurz so zu be-
zeichnen) entsprechende indische Aufgabe findet sich in dem bud-
dhistischen Jätaka-Buche. Im Mahäummagga-Jätaka (Nr. 546) tritt
Buddha in der Gestalt eines klugen Knaben, namens Mahosadha,
auf. Ein König will ihn zu seinem Ratgeber wählen. Vorher aber
beschließt er, den Knaben durch eine Reihe von Aufgaben (,Fragen4
im Original) auf die Probe zu stellen.3 Bei einer von diesen Auf-
gaben handelt sichs um einen Edelstein, um einen bestimmten
1) Robert zitiert L. Pallat, De tabula Ariadnaea p. 7 (gpparet cochleam,
per quam filum a Daedalo dueitur, imaginem esse labyrinthi). Die vielfach
gewundene Meerschnecke heißt fiWDoj l.aßvqiv&os Anth. Pal. VI 224.
2) Über Rätselaufgaben vgl. z. B. Benfey, Kleinere Schriften III 165ff.
R. Köhler, Kleinere Schriften I 170f. 445ff. II 338. 401 f. 647ff. Bolte und
Polivka in der Neubearbeitung der Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen
der Brüder Grimm II (1915) S. 349 ff.
3) Näheres in meinen beiden Abhandlungen .Zur Geschichte vom weisen
Haikar1 und ,Rätsel der Königin von Saha in Indien1, Zeitschrift des Vereins für
 
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