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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0193

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Zum Schwank vom zögernden Dieb. 1 I 9
23. Zum Schwank vom zögernden Dieb.
(Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte 9, 284 — 287. 1909.)
Im VI. Bande der ,Studien4 S. 364f. erwähnte ich beiläufig
eine Geschichte, die Tendlau in seinem Buche ,Fellmeiers Abende4
S. 151 erzählt hat. Tendlaus Quelle für diesen ,Schwank vom zögern-
den Dieb4 vermochte ich nicht anzugeben. Ludwig Katona hat
nun festgestellt (oben VII, 192f.), daß der Schwank in der Disci-
plina clericalis des Petrus Alfonsi vorkommt, und zwar im 28. Kapitel
der Pariser Ausgabe ( = Migne, Patrologia Latina 157, 704) oder
im 35. Kapitel von Schmidts Ausgabe (wo man experrecti statt et
perrecti lese. Eine neue Ausgabe der arg vernachlässigten Disci-
plina ist ein dringendes Bedürfnis). Weiter hat Katona gezeigt, daß
der Schwank in den Tractatus de diuersis hystoriis Romanorum
sowie in die Scala celi übergegangen ist. In beiden Schriften wird
Petrus Alfonsi als Quelle angegeben. Ich gestatte mir noch drei
Varianten unseres Schwankes aufzuführen. Da ist zunächst das
,bispel‘ im Renner1 des Hugo von Trimberg zu nennen (Vers
21901 — 909), wo der Dieb in einen Kramladen2 einbricht:
Ein diep sich durch ein venster want
in ein Krame, in dem er vant
eines nahtes vil dinges, zu dem er saz.
nu wolde er ditz, nu wolde er daz
uzweln, des gar vil bi im lac,
do kom uf in der liehte tac,
mit dem der kromer auch ein gink,
der in der wal mit leide in vienk,
und im auch an gewan sin leben.
Ein naher Verwandter des ,fur moratorius4 findet sich ferner
im Kathäsaritsägara des Somadeva (64, 28 — 31; in Tawneys eng-
lischer Übersetzung II, 92). Ein armer Mann findet einen mit Gold
gefüllten Sack, den ein Karawanenführer verloren hat. Anstatt sich
mit seinem Funde auf und davon zu machen, bleibt der törichte
Mann stehen und beginnt die Goldstücke zu zählen. Inzwischen
bemerkt der Handelsherr seinen Verlust; er kehrt schleunigst um
und nimmt sein Eigentum wieder in Besitz. Jener zieht klagend
und gesenkten Hauptes von dannen.
1) Siehe K. Janicke im Archiv für das Studium der neueren Sprachen 32,
173. Das Zitat entnehme ich der Bibliographie des ouvrages Arabes von Victor
Chauvin (IX, 36, Liege 1905).
2) Vgl. Scala celi (oben VII, 193): Quidam latro ingressus est opertori um
cuiüsdam mercatoris.

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