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Zachariae, Theodor
Kleine Schriften zur indischen Philologie, zur vergleichenden Literaturgeschichte, zur vergleichenden Volkskunde — Bonn, Leipzig, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.50105#0257

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Durchkriechen als Mittel zur Erleichterung der Geburt. 243
kommt, nimmt man den Vorder - und Hinterwagen auseinander und
führt sie dazwischen durch, so wird sie tragend.1 Vgl. dazu Lieb-
recht, Zur Volkskunde S. 349 f.
Wir sehn aus diesen Beispielen, daß der Grund, aus dem die
persischen Frauen bei Della Valle die Handlung des Durchkriechens
ausführen, auch anderwärts für dieselbe Handlung angegeben wird.
Nur das ist bemerkenswert, daß die persischen Frauen unter einem
lebenden Wesen, einem Kameel, durchkriechen, während das Durch-
kriechen sonst in der Regel , durch ein Loch oder eine Öffnung in
der Erde, in Felsen oder Bäumen, oder durch eine künstlich ge-
bildete Höhlung4 stattfindet (Weinhold, Zur Geschichte des heid-
nischen Ritus 37; diese Zeitschrift 2, 50). Doch lassen sich Ana-
logien zu dem persischen Gebrauch beibringen.
Wenn ein Kind am Keuchhusten leidet, so kann man es heilen,
wenn man es mehrere Male unter einem Esel durchkriechen läßt
(vgl. die Literatur bei Frazer, The golden bough2 * 3, 405, n. 5).
Läßt ein Kind den Speichel fließen, so läßt man es mit dem
Munde das Maul eines Esels berühren, steckt es dann dreimal unter
seinem Leibe durch und läßt es dann auf ihm reiten (Wuttke § 486:
aus Waldeck).
Leidet ein Kindlein von Husten oder Schleim in der Brust, so
muß dasselbe dreimal unter einem Hengste oder Widder durchgeführt
werden (H. F. Feilberg in dieser Zeitschrift 7, 53: aus Schweden).
W. Crooke, An introduction to the populär religion and folk-
lore of Northern India, Allahabad 1894, p. 334f. teilt unter der
Spitzmarke ‘Re-birth through the cow’ folgendes mit: ‘When
the horoscope forebodes some crime or special calamity, the child
is clothed in scarlet, a colour which repells evil influences2, and
1) Weiter ab liegend, aber immerhin erwähnenswert ist der Glaube, daß
eine Schwangere nicht unter einem Gegenstand durchkriechen darf; denn das
bringt Schaden; tut sie es dennoch, so muß sie, um den Schaden abzuwehren
oder wieder gut zu machen, in derselben Weise unter dem Gegenstand zurück-
gehn. Vgl. Floss, Das Weib 1, 412 f. Liebrecht, Zur Volkskunde S. 369, No. 10.
Wuttke § 572; ein verwandter Aberglaube ebenda § 603. 661.
2) Vgl. Crooke S. 201. Rot ist eine Zauberfarbe, eine gegen Zauber an-
gewendeto Farbe. Dies kann nicht genug betont werden. Im Anschluß an Crooke
und im Gegensatz z. B. zu A. Weber (Indische Studien 5, 308, Anm.) fasse ich
rot, die bekannte Hochzeitsfarbe, nicht als ein Symbol des Hausfeuers, sondern
als Zauberfarbe. Auch blau ist eine Zauberfarbe (blue beads, an evil eye amulet;
Crooke S. 196). Blau und rot, die wir in dem indischen Compositum nilalohita
vereinigt finden, spielen im indischen Ritual eine nicht unbedeutende Rolle.
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